Themenspezial: Verbraucher & Service Nebenkostenprivileg

TV-Freiheit für Mieter: "Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen"

Sie sind Mieter und haben Kabel-TV im Haus? Dafür müssen sie ab Juli nicht mehr pauschal über die Neben­kosten bezahlen. Alles, was von der Ände­rung Betrof­fene sonst noch wissen sollten, erklärt Michael Gundall von der Verbrau­cher­zen­trale Rhein­land-Pfalz.
Von dpa /

Interview zum Ende des Nebenkostenprivilegs Interview zum Ende des Nebenkostenprivilegs
Bild: Kabel Deutschland, Bearbeitung: teltarif.de
Neben­kos­ten­pri­vileg: So nennt sich das Recht von Vermie­tern, die Kosten eines Grup­pen­ver­trags für Kabel-TV auf die Mieter umzu­legen. Damit ist ab dem 1. Juli Schluss.

Von da an können Miete­rinnen und Mieter TV-Empfangsweg und Anbieter frei wählen - oder natür­lich auch ganz auf lineares Fern­sehen verzichten. Und wer das Kabel-TV einfach nur loswerden will, muss nichts weiter tun.

Interview zum Ende des Nebenkostenprivilegs Interview zum Ende des Nebenkostenprivilegs
Bild: Kabel Deutschland, Bearbeitung: teltarif.de
Alles, was von der Ände­rung Betrof­fene sonst noch wissen sollten, erklärt Michael Gundall, Fach­berater für Digi­tales bei der Verbrau­cher­zen­trale Rhein­land-Pfalz, im Inter­view.

Frage: TV-Anbieter haben begonnen, um Wech­sel­kunden zu werben, teils auch mit Frei­monaten, wenn schon jetzt ein Vertrag abge­schlossen wird. Was ist davon zu halten?

Michael Gundall: Es ist genau das einge­treten, was wir vorher­gesagt haben. Es kommt Wett­bewerb in Gang. Und letzt­end­lich macht da jeder sein Angebot auf einem freien Markt. Wenn ein Anbieter etwa sagt, "solange du noch über das Neben­kos­ten­pri­vileg gebunden bist, stellen wir die Zahlung frei", einfach um etwas Neues auszu­pro­bieren, dann spricht da nichts dagegen.

Frage: Und wie lange binde ich mich bei einem neuen Vertrag?

Gundall: Da kommt es immer darauf an. Kabel-TV-Einzel­ver­träge haben meist eine Mindest­ver­trags­lauf­zeit von 24 Monaten. Aber bei den Strea­ming-Anbie­tern, da gibt es durchaus auch monat­lich künd­bare TV-Tarife.

Frage: Gibt es viel­leicht Miete­rinnen und Mieter, die schon einen Vertrag mit TV-Empfang haben, das aber gar nicht wissen oder vergessen haben?

Gundall: Das kann durchaus sein. Ich habe irgend­wann mal einen Inter­net­ver­trag abge­schlossen über ein Vergleichs­portal, und da war durch die Bonus­zah­lungen der DSL-Vertrag mit TV auf zwei Jahre gesehen güns­tiger als der DSL-Vertrag ohne TV. Hier hilft einfach der Blick auf den Vertrag oder die monat­liche Rech­nung.

Frage: Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich einen Einzel­ver­trag beim jetzigen Kabel-TV-Anbieter abschließe? Und wie ist das Preis­niveau bei der Konkur­renz?

Gundall: Wenn ich beim Kabel­fern­sehen bleibe, dann bin ich bei round about zehn Euro. Wenn ich in einem großen Hoch­haus wohne, dann sind es viel­leicht nicht diese 9,99 Euro, sondern nur 7,99 Euro oder 8,99 Euro. Das wird immer indi­viduell verein­bart. Bei Strea­ming-Abos fängt das so bei 6,50 Euro an.

Aller­dings muss man da noch weiter diffe­ren­zieren. Wenn ich jetzt mit Einzel­nut­zer­ver­trag beim Kabel-TV bleibe, erhalte ich für die rund 10 Euro nur die öffent­lich-recht­lichen Sender in HD-Qualität und die privaten in SD-Qualität. Für die Privat­sender in HD-Qualität brauche ich meist ein teureres Abo.

Für rund sieben Euro sind bei den Strea­ming-Anbie­tern auch schon die privaten Sender in HD mit dabei. Da muss man aufpassen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht.

Frage: Und was ist mit den kosten­losen Tarifen der Strea­ming-Anbieter?

Gundall: Die kosten­freien Tarife der Strea­ming-Anbieter umfassen oft nur öffent­lich-recht­liche Sender und viel­leicht ein paar relativ unbe­kannte Privat­sender. Ein Haken an der Sache ist auch: Jedes Mal, wenn ich umschalte, muss ich mir einen Werbe­spot angu­cken. Das sind - in Anfüh­rungs­zei­chen - Lock­vogel-Ange­bote.

Frage: Zu welcher Stra­tegie oder Empfangs­tech­nologie würden Sie betrof­fenen Miete­rinnen und Mietern raten?

Gundall: Jeder hat andere Sehge­wohn­heiten. Bei einem 80-jährigen Senior, der mit Internet nichts am Hut hat, würde ich mich schwer damit tun, einen Strea­ming­dienst zu empfehlen. Dem würde ich eher dazu raten, beim Kabel­fern­sehen zu bleiben, wie er es gewohnt ist.

Aber es gibt natür­lich auch Senioren, die sehr fit sind im Internet. Die haben keine Hemmungen, auf ein Strea­ming-Angebot umzu­steigen. Oder auch auf DVB-T2 HD, das Fern­sehen über Antenne. Das ist auch relativ problemlos. Dann kann ich zumin­dest die Öffent­lich-Recht­lichen für umme gucken. Privat­sender muss ich dann aber auch bezahlen. Die liegen bei 7,99 Euro pro Monat (freenet TV).

Und wenn jetzt jemand eine sehr große Sender­viel­falt haben will und einen Balkon mit Südost­aus­rich­tung hat, dann stellt der sich viel­leicht eine kleine Satel­liten­schüssel auf den Balkon. Steht die Schüssel auf einem Ständer, muss ich auch nicht unbe­dingt den Vermieter um Erlaubnis fragen.

(Anm. d.­R.: Astra-Empfang ist gratis mit Öffent­lich-Recht­lichen in HD- und Privaten in SD-Qualität. Wer auch Privat­sender in HD möchte, braucht ein HD+-Abo ab sechs Euro im Monat).

Frage: Gibt es Fern­sehen vom Internet-Provider nur zusammen mit einem Inter­net­ver­trag?

Gundall: Früher war es tatsäch­lich so, dass es das nur in Kombi­nation gab. Aber inzwi­schen ist das auch entkop­pelt. Die Anbieter machen aber natür­lich gerne immer noch Kombi­ange­bote. Wenn ich das Paket aus Inter­net­ver­trag und Fern­sehen nehme, bekomme ich meist einen Rabatt.

Frage: Wenn jemand Kabel-TV nicht mehr möchte, aber viel­leicht Internet und Telefon über Kabel behalten möchte, ist das möglich?

Gundall: Ja, das geht. Es gibt für die Kabel­dosen auch Teil­sper­rungen für Fern­sehen und Radio. Und dort, wo das Kabel­modem ange­schlossen wird, bleibt der Anschluss frei. Ausnahmen kann es bei kleinen Kabel­anbie­tern geben, die das nur in Kombi­nation anbieten. Das ist aber eine rein unter­neh­meri­sche Entschei­dung. Rein tech­nisch gesehen ist das nicht notwendig.

Frage: Was passiert schlimms­ten­falls, wenn ich als Betrof­fener bis zum Stichtag untätig bleibe?

Gundall: Bis zu dem Punkt, wo das Kabel abge­klemmt wird, wird man als Mieter in der Regel mehr­mals infor­miert. Dass dann wirk­lich abge­klemmt wird, kommt nur in ganz seltenen Fällen vor. Meis­tens läuft es so ab, dass zum einen viel­leicht der Vermieter infor­miert, zum anderen der Kabel­netz­betreiber im Haus Aushänge macht.

Frage: Gibt es noch ein Zurück, wenn man schon abge­klemmt wurde?

Gundall: Ja, dann kann man auch immer noch sagen: "Ich hätte gerne einen Vertrag und bitte klemmt mich wieder an!" Es geht ja haupt­säch­lich darum, dass man eine unter­bre­chungs­freie Versor­gung hat. Der Stichtag, der 30. Juni ist ja nur das Datum, wo die Über­gangs­frist für die Umset­zung ausläuft.

Manche machen die Umstel­lung schon früher, manche viel­leicht auch später. Und wenn man in den Kalender guckt: Ende Juni ist mitten in der Fußball-EM. Da wird der Kabel­anbieter nicht am 1. Juli auf der Matte stehen und bei denen abklemmen, deren Vertrag ausläuft. Das wird dann eher ein paar Wochen später werden.

Bei neueren Verka­belungen, da kann zentral vom Keller abge­schaltet werden. Bei alten Verka­belungen, da muss ein einziges Mal jemand in die Wohnung herein, der dann so eine Sperr­dose setzt.

Fern­sehen über Satellit, Kabel, DVB-T2 oder Internet: Wir zeigen die Vor- und Nach­teile der verschie­denen TV-Tech­nolo­gien in der Über­sicht.

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