5G-Sicherheit

Huawei: Gibt es Beweise für Arbeit mit Chinas Behörden?

In Berlin ist ein offener Streit zwischen Außen­minis­terium, Kanz­leramt und Innen­minis­terium ausge­brochen. Wohl mit ameri­kani­schem Mate­rial soll Huawei endlich "ausge­sperrt" werden. Ist das realis­tisch?
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Im Bild: Die Huawei-Deutschland-Zentrale in Düsseldorf Im Bild: Die Huawei-Deutschland-Zentrale in Düsseldorf
picture alliance/Rolf Vennenbernd/dpa
Die Bundes­regie­rung befindet sich nach eigenen Angaben im Besitz von Beweisen gegen den chine­sischen Tech­nolo­giekon­zern Huawei, die eine Zusam­menar­beit des Konzerns mit den chine­sischen Sicher­heits­behörden belegen. Das geht aus einem internen, als Verschluss­sache einge­stuften Vermerk des Auswär­tigen Amts hervor, welcher der Wirt­schafts­zeitung Handels­blatt vorliegt.

„Ende 2019 wurden uns von US-Seite nach­rich­tendienst­liche Infor­mationen weiter­gegeben, denen zufolge Huawei nach­weis­lich mit Chinas Sicher­heits­behörden zusam­menar­beite“, heißt es darin.

Gibt es eine "smoking gun"?

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Das Außen­minis­terium bezeichnet die Erkennt­nisse der Ameri­kaner als „smoking gun“, ohne sie näher auszu­führen. Es folgert daraus: „Die Vertrau­enswür­digkeit chine­sischer Unter­nehmen ist im Zusam­menhang mit den Sicher­heits­erfor­dernissen beim Aufbau von 5G-Netzen nicht gegeben.“ Das Auswär­tige Amt warnt seit Monaten, dass chine­sische Netz­tech­nologie als Einfallstor für chine­sische Spione und Cyber­angreifer genutzt werden könnte.

Daher setze sich das Haus von Außen­minister Heiko Maas (SPD) dafür ein, dass die poli­tische Vertrau­enswür­digkeit von Herstel­lern zu einem zentralen Krite­rium bei der Zulas­sung von 5G-Liefe­ranten wird. Huawei könnte dann vom Aufbau eines deut­schen 5G-Netzes ausge­schlossen werden. Doch Kanz­lerin Angela Merkel sträubt sich gegen strenge Restrik­tionen. Sie fürchtet (zu Recht) um das Verhältnis zu China.

Im Papier des Außen­minis­teriums sei doku­mentiert und detail­liert beschrieben, wie zerstritten die Bundes­regie­rung in der 5G-Debatte ist. Die Diplo­maten üben offene Kritik am Kurs der Kanz­lerin. Sie beklagen, dass die Regie­rung in „hohen Zeit­verzug“ geraten sei. Ressort­abstim­mungen seien ursprüng­lich für Oktober vergan­genen Jahres geplant gewesen, doch das „Bundes­kanz­leramt hat Gesetz­entwürfe seit Monaten ange­halten“.

Innen­minister in der Kritik

Auch das Verhalten von Bundes­innen­minister Horst Seehofer (CSU) wird kritisch bewertet: „Das Bundes­innen­minis­terium hatte gegen­über dem Auswär­tigen Amt ursprüng­lich ange­deutet, einen Geneh­migungs­vorbe­halt für den Einsatz von Kompo­nenten gesetz­lich regeln zu wollen“, heißt es in dem Vermerk. Infor­mell habe das Innen­minis­terium nun aber mitge­teilt, „dass dieser Ansatz auf Bitten der Leitung gestri­chen“ werden soll.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Die "reine" Lehre kann nicht funk­tionieren. Man könnte natür­lich alle chine­sischen Liefe­ranten komplett aussperren. Das würde in letzter Konse­quenz bedeuten, dass es gar keine Handys und kaum noch Sender­technik, kaum noch Antennen, fast keine Computer mehr, im Prinzip fast gar nichts mehr für die IT-Welt gibt, weil alles Kompo­nenten aus China enthält. Will das jemand?

Es muss und wird auf einen Kompro­miss hinaus­laufen. In Groß­britan­nien beispiels­weise ist Huawei (einge­schränkt) zuge­lassen, ZTE aber über­haupt nicht. Ob das eine rein poli­tische oder eine tech­nisch begründ­bare Entschei­dung ist, weiß viel­leicht nicht einmal Boris Johnson genau.

Die einzig vernünf­tige Lösung sind klare Sicher­heits­regeln. Dann müssen alle Liefe­ranten (auch Cisco, Ericsson, Huawei, Juniper, Qual­comm, Nokia, ZTE und so weiter) ihren Quell-Code offen legen und Spezia­listen des BSI müssen sich das genau anschauen.

Diese Prüfung wird Zeit kosten, aber je früher man sich den Reali­täten stellt, desto besser. Die Anwender, die etwas "geheimes" austau­schen wollen, müssen lernen, ihre eigenen Nach­richten und Daten von vorne­herein zu verschlüs­seln. Oder glaubt jemand im Ernst, dass China sein poli­tisches Grund­verständnis sofort aus dem Fenster wirft, wenn (theo­retisch) niemand mehr deren Produkte kauft? Und was wird passieren, wenn China aus Zorn alle Importe aus Europa nach China blockiert und dann die Arbeits­plätze bei den euro­päischen Herstel­lern in Gefahr geraten? Allen Betei­ligten würde man etwas mehr Reali­täts­sinn wünschen.

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