Hacker-Kongress

34C3: Hacker-Kongress prangert mangelnde Sicherheit an

Vier Tage lang werfen 15 000 Teilnehmer beim 34. Chaos Communication Congress in Leipzig kritische Blicke auf Technik, Politik und Gesellschaft. Zum Start geht es auch um Stromtankstellen und Gesichtserkennung.
Von dpa / Stefan Kirchner

34C3 Der Chaos Computer Club residiert für den 34C3 dieses Jahr in Leipzig
Foto: picture-alliance / dpa
Wie kann man Technologien nutzen, um eine bessere Welt zu schaffen? Was wissen die sozialen Netzwerke über mich? Und wie funktioniert eigentlich die Abrechnung bei Strom­tankstellen? Am Ende eines Jahres kommen Tausende Hacker und andere Technik­liebhaber auf Einladung des Chaos Computer Clubs (CCC) zusammen, um über solche Fragen zu debattieren. "Wir wollen nicht untätig daneben stehen, während die Digitalisierung im rasanten Tempo voran­schreitet", erklärt CCC-Sprecher Linus Neumann. Passend dazu lautet das diesjährige Motto "Tuwat", mit dem die Organisatoren an den Gründungs­aufruf des Clubs von 1981 erinnern.

"Eine lebenswerte digitale Gesellschaft ist möglich, wenn wir darum kämpfen", sagte der Berliner Blogger Markus Beckedahl. Er wandte sich gegen die national­konservative AfD. Sie stehe wie keine andere Partei für Grundrechts­abbau, gegen Offenheit und für mehr Überwachung. Die politischen Vorstellungen der AfD seien mit der Hackerethik nicht vereinbar. Der Bundes­regierung warf der netzpolitik.org-Blogger vor, mit der Vorratsdaten­speicherung die Massen­überwachung ausgebaut zu haben.

Neuer Ort mit Symbolkraft

34C3 Der Chaos Computer Club residiert für den 34C3 dieses Jahr in Leipzig
Foto: picture-alliance / dpa
Nachdem das Spektakel in den vergangenen fünf Jahren im Hamburger Congress Center stattgefunden hatte, haben die Hacker nun in Leipzig eine neue Heimat gefunden. Das Gebäude in der Hansestadt wird saniert, zudem war der Kongress an die Kapazitäts­grenze gestoßen. Denn auch in diesem Jahr ist die viertägige Veranstaltung wieder gewachsen, um die 15 000 Teilnehmer strömen am Mittwoch­morgen auf das Leipziger Messe­gelände. Viele tragen Kapuzen­pulli. Das Getränk der Wahl ist Mate-Limo - noch so ein erfülltes Klischee. Trotz aller Bekenntnisse für mehr Vielfalt sind noch immer deutlich mehr Männer als Frauen zu sehen. Die Geschlechter­verteilung wird aus Datenschutz­gründen nicht erfasst.

Wer die düster-kuschelige Atmosphäre der Kongressräume in Hamburg lieb gewonnen hat, fühlt sich in den weit­läufigen und licht­durchfluteten Messe­hallen in Leipzig erst etwas verloren. Einige der Teilnehmer haben Skate­boards oder Roller dabei, um schnell zum nächsten Vortrag durch die Hallen zu flitzen. Aber Stillstand passt nicht zu der Szene, die stets nach Heraus­forderungen sucht. "Wir finden, es ist der ideale Ort in der heutigen Zeit", sagt der Hacker und Medien­künstler Tim Pritlove zum Auftakt. Mit Blick auf die Montags­demonstrationen vor dem Mauerfall 1989 erklärt er: Leipzig sei schon einmal Ort einer Revolution gegen ein System gewesen, das aus der Zeit gefallen war - und "in gewisser Hinsicht herrscht heute ja auch wieder gehobener Revolutions­bedarf".

Mit Blick auf den Rechtsruck sagt Pritlove, es sei wichtig, gerade in Sachsen präsent zu sein: "Die Täler müssen mit Ahnung geflutet werden." Als "Tal der Ahnungslosen" wurde einst das Elbtal bei Dresden genannt, da es sich außerhalb der Reichweite westlicher Fernseh­sender befand.

Sicherheitsrisiko Strom tanken

Sich um die Verbreitung von Wissen zu kümmern, ist seit jeher das Anliegen des 1981 gegründeten CCC, der vor kritischen Auswirkungen der Digitalisierung ebenso warnt wie vor einer mangel­haften Umsetzung von Technik. Das ist etwa bei der Abrechnung von Strom­tankstellen für Elektro­autos der Fall, wie Mathias Dalheimer vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschafts­mathematik (ITWM) in Kaiserslautern eindrucksvoll analysiert. Er hat sich angeschaut, was auf den Chips der Ladekarten gespeichert ist. Es ist lediglich eine unverschlüsselte Nummer. "Sehr schlecht", rügt er.

Ziemlich intelligent hingegen ist das, was soziale Medien mit den Daten ihrer Nutzer machen. Auf dem Kongress zeichnet der schottische Science-Fiction-Autor Charles Stross das düstere Szenario einer Zukunft, die von den Algorithmen, also Software-Schritten, von Facebook und Co beherrscht wird. Solche "Systeme der künstlichen Intelligenz erschweren soziale Veränderungen", kritisiert der Schrift­steller. Weil den Nutzern nur das vorgesetzt werde, was sie ohnehin bevorzugten. So werde ihnen auch nur das serviert, was ihre politische Meinung bestätige. Mit der Weiter­entwicklung der Gesichts­erkennung, wie sie von Apple betrieben wird, könnten Smartphones auch Stimmungen ihrer Nutzer einschätzen und darauf reagieren.

Die Zukunft schon jetzt skizzieren

Ist das nicht zu schwarz gemalt, dass Technik die menschliche Selbst­bestimmung aushebelt? So fragt ein Teilnehmer. "Eine düstere, trostlose Zukunft ist nicht unvermeidlich", antwortet Stross. Aber die Aktivisten der Hacker­szene müssten sich auf solche Szenarien vorbereiten und etwas dagegen tun.

Das ist denn auch die Botschaft, die von Leipzig ausgehen soll. "Der Kongress ist Utopie", sagt Pritlove. "Es ist wichtig, dass wir auch weiterhin unserer Zeit 30 Jahre voraus sind." Bezogen auf das Motto "Tuwat" ruft er die Teilnehmer auf, die vier Tage in Leipzig als "temporäre autonome Zone" zu nutzen und neue Handlungs­optionen für die digitale Gesellschaft zu entwickeln.

Unter der Glaskuppel in Leipzig ist wieder die Rakete Fairydust (Feenstaub) aufgestellt, das kindlich verspielte CCC-Maskottchen. "Die Rakete steigt heute wieder aufs Neue", verspricht Pritlove, "und wir fliegen mit".

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