Big Data

Die Macht der Datensammler

Big Data ist derzeit in aller Munde. Unter­nehmen profitieren vom Sammeln und Auswerten der Daten. Aber was bedeutet das für den Verbraucher und seine Privats­phäre?
Von dpa / David Rist

Viele Computer-Kabel stecken in Anschlussbuchsen eines Großrechners. Auch in diesem Jahr spielte das Thema Big Data eine große Rolle auf dem CCC
Bild: dpa
"Daten sind das neue Öl", dieser Satz fällt immer wieder, wenn es um das Thema Big Data geht. Und in der Tat: Um den Kunden besser zu verstehen und konkurrenz­fähig zu bleiben, setzen Unter­nehmen zunehmend auf das Sammeln, Verknüpfen und Auswerten mitunter persönlicher und sensibler Daten. Doch was bedeutet das für den Verbraucher? Auf dem Hacker­kongress Chaos Communication Congress in Hamburg warnen Aktivisten vor einem massiven Ausspähen der "gläsernen Kunden".

"Während wir immer trans­parenter werden, wird der Umgang der Unter­nehmen mit unseren Daten immer undurchsichtiger", kritisiert der österreichische Daten­experte Wolfie Christl, der gemeinsam mit der Wiener Wissen­schaftlerin Sarah Spiekermann im Oktober das Buch Networks of Control zu dem Thema veröffentlicht hat.

"Via Smart­phone oder Webbrowser kann ein konstanter Daten­strom über unser Leben oder unser Nutzungs­verhalten an Dritte weiter­gegeben werden." Auf Basis solcher Informationen über unser Leben werde personalisierte Werbung angeboten. Es könnten aber auch diskriminierende Entscheidungen über Kunden gefällt werden, von der Kredit­würdigkeit bis hin zur Warte­dauer in einer Hotline.

Big-Data-Gold­rausch

"Ein Groß­teil der Bürger versteht über­haupt nicht, welche Auswirkungen es hat, wenn er Daten hinterlässt - dass sie gespeichert und möglicher­weise weiter­verkauft werden", sagt auch Netz­aktivist Markus Beckedahl. Er fordert einen "klaren Schutz vor dem Erstellen eindeutiger Profile". Und: Es müsse etwas getan werden "gegen die schwarzen Schafe, die in dem Big-Data-Gold­rausch all unsere Daten anhäufen, um damit Geschäfte zu machen". Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org Markus Beckedahl, Gründer und Chefredakteur von netzpolitik.org
Bild: dpa
Nach Ansicht vieler Experten sind Unter­nehmen, die daten­basiert arbeiten, besonders erfolgreich. Dabei muss es nicht immer um sensible Informationen gehen. Eine Anfang Dezember veröffentlichte Studie der Unternehmens­beratung McKinsey kam zu dem Ergebnis, "dass das wirtschaftliche Potenzial durch die Nutzung großer Daten­mengen noch lange nicht ausgeschöpft ist". Demnach werden Lösungen auf Basis von Big Data derzeit von Unter­nehmen aktuell nur zu rund 30 Prozent realisiert.

"Welt­weit verdoppelt sich die Menge verfügbarer Daten alle drei Jahre", erklärte Analytics-Experte Peter Breuer von McKinsey anlässlich der Studie. Digitale Platt­formen, vernetzte Sensoren und Milliarden von Smart­phones generierten kontinuierlich neue Informationen. Gleich­zeitig seien die Kosten für Daten­speicherung stetig gesunken und die Auswertungs­möglichkeiten durch immer leistungs­fähigere Computer gewachsen. "Unternehmen, die Daten und Daten­analyse nutzen, um Probleme zu lösen, haben schon heute einen enormen Wettbewerbs­vorteil. Sie gestalten ihre Prozesse effizienter und verstehen die Kunden besser." Firmen, die nicht aus der digitalen Welt kommen, sollten diese Fähig­keiten schnell aufbauen, um nicht abgehängt zu werden, so Breuer.

Alle Daten sind Kredit­daten

Viele Computer-Kabel stecken in Anschlussbuchsen eines Großrechners. Auch in diesem Jahr spielte das Thema Big Data eine große Rolle auf dem CCC
Bild: dpa
Und der frühere Google-Manager Douglas Clark Merrill, dessen Firma ZestFinance.com auf Basis von Big Data Kredit­würdigkeit prüft, erklärte bereits vor einigen Jahren: "Alle Daten sind Kredit­daten, wir wissen nur noch nicht, wie wir sie einsetzen werden."

In einer Studie von Daten­experte Christl werden konkrete Beispiele für die Nutzung von Big Data genannt: So konnte die US-Supermarkt­kette Target aus einer Analyse des Einkaufs­verhaltens schwangere Frauen identifizieren und sogar deren Geburts­termine hoch­rechnen. Anhand von Facebook-Likes lässt sich mit hoher Zuverlässigkeit auf persönliche Eigenschaften wie Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, ethnische Zugehörig­keit, politische Einstellung, Beziehungs­status oder Alkohol­konsum schließen.

Sogar die Tastatur gibt Informationen preis: Emotionen wie Zuversicht, Unschlüssig­keit, Nervosität oder Trauer ließen sich relativ zuverlässig aus der Analyse von Rhythmus und Dynamik des Tippens erkennen, heißt es.

Das Kongresszentrum Hamburg ist während des Chaos Communication Congresses farbig beleuchtet. Das weltweit größte nicht-kommerzielle Hackertreffen findet zwischen dem 27. und 30. Dezember 2016 in Hamburg statt
Bild: dpa
Vergangene GPS-Standorte geben demnach Aufschluss über künftige Aufenthalt­sorte. "Wenn die Bewegungs­profile von Bekannten einbezogen werden, sind diese Vorher­sagen besonders zuverlässig", erklärt Christl. Und: Aus einer Analyse der Verbindungen auf sozialen Netz­werken lasse sich nicht nur abschätzen, wer davon in einer romantischen Beziehung ist, sondern auch die Wahrscheinlich­keit einer Trennung innerhalb der nächsten zwei Monate.

Aber wie kann sich der Einzelne besser vor einem Ausspähen schützen? "Das ist kein persönliches Problem. Wir müssen in der Gesell­schaft eine Lösung dafür finden", erklärt Christl. "Das Vorgehen der Firmen muss nach­voll­zieh­barer, die Algorithmen der Unternehmen müssen transparenter werden." Er setzt auf die Europäische Daten­schutz­grund­verordnung, die 2018 in Kraft tritt. "Ich hoffe, dass sich dann einiges verbessert. Aber ich fürchte, es wird nicht ausreichen." Und, ganz wichtig: "Wir dürfen nicht zynisch werden und den Kopf in den Sand stecken."

Mehr zum Thema Chaos Computer Club (CCC)