Reparieren oder Aufrüsten: Fairphone 3+ aufgeschraubt
Das niederländische Unternehmen Fairphone setzt auf mehr Nachhaltigkeit. So können mit Teilen aus dem neuen Fairphone 3+ sogar Besitzer des Vormodells ihr Altgerät auf den neuesten Stand bringen, ohne sich gleich ein neues Smartphone kaufen zu müssen.
Nicht nur die Rohstoffe, die für die Herstellung der Fairphone Smartphones genutzt werden, kommen nach Herstellerangaben aus zertifizierten „fairen“ Quellen. Auch dort, wo die Telefone zusammen gesetzt werden, achtet man etwas genauer auf faire Arbeitsbedingungen. Doch auch Anwender sollen nachhaltiger mit ihrem Smartphone umgehen.
„Den Kreislauf der Verschwendung beenden“ propagiert der Hersteller auf seiner Homepage. Und so lässt sich auf der Webseite ein kostenloses Versandetikett beantragen, mit dem man bis zu drei Altgeräte auch anderer Hersteller einsenden kann. Diese werden dann je nach Zustand entweder aufbereitet oder kommen in eine Recyclinganlage.
Wer ein altes Fairphone 1 oder 2 einschickt, bekommt zudem 20 beziehungsweise 40 Euro bei gleichzeitiger Bestellung eines neues Fairphones gutgeschrieben. Und nicht immer muss gleich ein neues Smartphone her. So können die neuen Kameras des Fairphone 3+ auch im Vorgängermodell genutzt werden.
Modulares Smartphone mit Schraubendreher
Das Fairphone 3+ verspricht noch mehr Nachhaltigkeit.
40 Prozent recycelter Kunststoff und die Möglichkeit, viele Teile selbst auszutauschen
Foto: Fairphone
Im Herbst 2019 kam das Fairphone 3 auf den Markt. Für aktuell rund 420 Euro ist es ein solides Android-10-Smartphone mit 5,65-Zoll-Bildschirm (ca. 14 cm), das sich auch sonst nicht vor der Konkurrenz verstecken muss. Ein Qualcomm
Snapdragon-632-Prozessor und 4 GB RAM liefern zwar keine herausragende, aber durchaus solide Leistung. Die austauschbare Batterie ist mit 3040 mAh kräftig genug ausgestattet, um das Smartphone auch mal mehr als nur einen Tag am Leben zu erhalten. Zudem verfügt das Gerät über einen modernen USB-C-Stecker, Fingerabdrucksensor und eine 3,5-mm-Kopfhörerbuchse.
Soviel zu den technischen Eckdaten. Was auffällt: Im Lieferumfang sind weder USB-Kabel noch Ladegerät enthalten. Davon haben wir zu Hause meist ohnehin genug herumfliegen. Auch hier lautet die Devise wieder: Rohstoffe schonen, Verschwendung vermeiden. Dafür ist dem Smartphone aber ein kleiner Schraubendreher mitgeliefert. Damit soll das modular aufgebaute Gerät, sollte mal etwas kaputtgehen, schnell repariert werden können.
In seinem Online-Shop bietet Fairphone daher mehrere Module als Ersatzteile an. So kostet ein neues Display für das Modell 3 rund 90 Euro, wer noch ein Fairphone 2 besitzt, zahlt dafür 65 Euro. Aber auch weitere Ersatzteile wie etwa Kamera, Lautsprecher oder ein Modul mit Mikrofon und Vibrationsmotor sind erhältlich.
Nun hat der Hersteller knapp ein Jahr später das Fairphone 3+ vorgestellt. Preislich liegt es mit knapp 470 Euro nur leicht über dem Preis seines Vorgängers. Äußerlich unterscheidet sich das neue Smartphone nur durch das nicht mehr transparente Cover auf der Rückseite von seinem Vorgänger. Der Grund dürfte hier der Kunststoff sein, der nun zu 40 Prozent aus recyceltem Material besteht.
Technisch fällt vor allem eine bessere Kamera mit 48 Megapixel und einer ordentlichen Öffnung von f/1.79 auf der Vorderseite sowie eine Selfie-Kamera mit 16 Megapixel und einer Öffnung von f/2.0 auf. Das ist im Vergleich zum Vorgängermodell aus 2019 mit 12 Megapixel beziehungsweise 8 Megapixel nochmal ein Quantensprung. Auch die Reaktionszeiten der Kamera und die Objektverfolgung sollen laut Herstellerangaben verbessert sein.
Eindrücke zum Fairphone 3+ sehen Sie im nachfolgenden Video
Videos zu weiteren Smartphone-Modellen finden Sie auch auf dem YouTube-Kanal von teltarif.de.
Altes Smartphone mit neuer Kamera ausstatten
Und jetzt kommt das Thema Nachhaltigkeit ins Spiel: Wer jetzt schon ein Fairphone 3 besitzt, aber lieber eine bessere Kamera hätte, muss kein neues Smartphone kaufen. Die verbesserte Kamera des Fairphone 3+ lässt sich so auch für das ansonsten baugleiche Vorgängermodell verwenden. Über den Shop des Herstellers kann man für 60 Euro die Hauptkamera und für 35 Euro das entsprechende Modul für die Selfie-Kamera erwerben.
Der Austausch ist auch mit mäßigem Geschick in etwa 15 bis 20 Minuten erledigt, wie auch das Video hier im Beitrag zeigt. Es empfiehlt sich jedoch, neben dem Schraubendreher noch ein Gitarrenplektrum oder stabile Fingernägel zum Öffnen des Gehäuses mitzubringen. Auf keinen Fall sollte man dem Gehäuse mit einem Metallschraubendreher zu Leibe rücken. Das gibt Kratzer!
Ist die Gehäuserückseite entfernt, kann nun der Akku herausgenommen werden. Jetzt müssen 18 kleine Schrauben gelöst werden, um das Displaymodul zu entfernen und an die weiteren Module wie Kamera, Mikrofon oder Lautsprecher heranzukommen. Das ist zugegebener Maßen etwas fummelig und nicht immer fallen die Schrauben auch bereitwillig heraus.
Die Module selbst sind über kleine Stecker mit der restlichen Elektronik verbunden. Diese lassen sich jedoch leicht anheben und lösen. Nimmt man alles auseinander, was sich auseinander nehmen lässt, so liegen am Ende acht Bauelemente vor einem auf dem Tisch: Akku, Display, Gehäuse, Cover, Frontkamera, Selfie-Kamera, Mikrofon- und Lautsprechermodul.
Im Test hat das Zerlegen des Fairphone 3+ rund zehn Minuten gedauert. Alles wieder zusammenzubauen, war dann in nur sechs Minuten erledigt. Mit etwas Übung geht das auch schneller. Aber wer will schon jeden Tag sein Smartphone zerlegen?
In rund 10 Minuten ist das Fairphone 3+ in seine acht Hauptbestandteile zerlegt: Cover, Akku, Gehäuse, Kameramodule, Mikrofon, Lautsprecher und Display
Foto: Fairphone
Nachhaltigkeit: Wie lange sind Ersatzteile verfügbar?
Nun ist der Nachkauf von Ersatzteilen natürlich löblich, aber damit wir hier von Nachhaltigkeit sprechen können, müssen diese auch lange genug verfügbar sein. Beim ersten Modell hatte der Hersteller sein Ziel der Langlebigkeit nicht erreicht. Nur vier Jahre nach Einführung des Premierenmodells im Jahr 2013 wurde der Support eingestellt.
Etwas besser sieht es mit dem Fairphone 2 aus. Das wurde im Dezember 2015 vorgestellt und ist damit nun fünf Jahre auf dem Markt erhältlich. Im Onlineshop sind Akku und Ersatzdisplay sowie die älteren Kameramodule mit 8 Megapixel für die Frontkamera und 2 Megapixel für die Selfie-Kamera noch erhältlich. Die zwischenzeitlich verbesserten Module mit 12 Megapixel beziehungsweise 5 Megapixel für das Fairphone 2 sind allerdings nicht mehr lieferbar. Verbessern lässt sich das Fairphone 2 nach fünf Jahren damit zwar aktuell nicht mehr, aber wenigstens noch reparieren.
Lebensdauer erhöhen ist immer gut für die Umwelt
Wer er schafft, sein Smartphone statt nur zwei gleich vier oder fünf Jahre zu nutzen, tut der Umwelt ganz sicher einen Gefallen. Das Wichtigste ist hier die Verfügbarkeit von Akkus, die in der Regel spätestens nach zwei bis drei Jahren ihren Geist aufgeben und natürlich ein möglichst einfacher Austausch.
Auch ein neues Display, mit Sicherheit der zweithäufigste Defekt an einem Smartphone, ist hier schnell und einfach ersetzt. Neue Kameramodule sind dann ein nettes Add-on, wenn sie denn auch lange genug verfügbar sind.
Die Software: Der endgültige Sargnagel alter Smartphones
Am Ende ist es aber die Software, die jedem noch so langlebigen Smartphone irgendwann Probleme bereitet. Gerade war es noch Android 5. Nun sind wir schon bei 10, 11 und im kommenden Jahr bei Version 12. Apps werden ständig aktualisiert und unterstützen ältere Android-Versionen irgendwann nicht mehr. Und die Prozessorleistung des Smartphones lässt kein endloses Update auf immer neue Versionen mehr zu.
Wenn es dann keine neuen Updates mehr gibt, kann man sich eine gewisse Zeit noch mit inoffiziellen Versionen über Wasser halten. Das ist dann aber nichts mehr für den Otto-Normal-Nutzer.
Zwei Jahre sind für ein so komplexes Produkt allerdings viel zu kurz. Besser wäre es, fünf Jahre Nutzungsdauer zum Durchschnitt zu machen. Fairphone leistet hier einen wichtigen Beitrag.
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