Themenspezial: Verbraucher & Service Fairphone 3+

Reparieren oder Aufrüsten: Fairphone 3+ aufgeschraubt

Etwa alle zwei Jahren ersetzen wir unsere Smart­phones. Damit haben die High­tech-Geräte, die aus allerlei seltenen Rohstoffen bestehen, oftmals eine kürzere Nutzungs­dauer als so manche Jeans. Doch muss das sein?
Von Dennis Knake

Das nieder­län­dische Unter­nehmen Fair­phone setzt auf mehr Nach­hal­tig­keit. So können mit Teilen aus dem neuen Fair­phone 3+ sogar Besitzer des Vormo­dells ihr Altgerät auf den neuesten Stand bringen, ohne sich gleich ein neues Smart­phone kaufen zu müssen.

Nicht nur die Rohstoffe, die für die Herstel­lung der Fair­phone Smart­phones genutzt werden, kommen nach Herstel­ler­angaben aus zerti­fizierten „fairen“ Quellen. Auch dort, wo die Tele­fone zusammen gesetzt werden, achtet man etwas genauer auf faire Arbeits­bedin­gungen. Doch auch Anwender sollen nach­hal­tiger mit ihrem Smart­phone umgehen.

„Den Kreis­lauf der Verschwen­dung beenden“ propa­giert der Hersteller auf seiner Home­page. Und so lässt sich auf der Webseite ein kosten­loses Versan­deti­kett bean­tragen, mit dem man bis zu drei Altge­räte auch anderer Hersteller einsenden kann. Diese werden dann je nach Zustand entweder aufbe­reitet oder kommen in eine Recy­cling­anlage.

Wer ein altes Fair­phone 1 oder 2 einschickt, bekommt zudem 20 bezie­hungs­weise 40 Euro bei gleich­zei­tiger Bestel­lung eines neues Fair­phones gutge­schrieben. Und nicht immer muss gleich ein neues Smart­phone her. So können die neuen Kameras des Fair­phone 3+ auch im Vorgän­ger­modell genutzt werden.

Modu­lares Smart­phone mit Schrau­ben­dreher

Das Fairphone 3+ verspricht noch mehr Nachhaltigkeit.  40 Prozent recycelter Kunststoff und die Möglichkeit, viele Teile selbst auszutauschen Das Fairphone 3+ verspricht noch mehr Nachhaltigkeit.
40 Prozent recycelter Kunststoff und die Möglichkeit, viele Teile selbst auszutauschen
Foto: Fairphone
Im Herbst 2019 kam das Fair­phone 3 auf den Markt. Für aktuell rund 420 Euro ist es ein solides Android-10-Smart­phone mit 5,65-Zoll-Bild­schirm (ca. 14 cm), das sich auch sonst nicht vor der Konkur­renz verste­cken muss. Ein Qual­comm Snap­dragon-632-Prozessor und 4 GB RAM liefern zwar keine heraus­ragende, aber durchaus solide Leis­tung. Die austausch­bare Batterie ist mit 3040 mAh kräftig genug ausge­stattet, um das Smart­phone auch mal mehr als nur einen Tag am Leben zu erhalten. Zudem verfügt das Gerät über einen modernen USB-C-Stecker, Finger­abdruck­sensor und eine 3,5-mm-Kopf­hörer­buchse.

Soviel zu den tech­nischen Eckdaten. Was auffällt: Im Liefer­umfang sind weder USB-Kabel noch Lade­gerät enthalten. Davon haben wir zu Hause meist ohnehin genug herum­fliegen. Auch hier lautet die Devise wieder: Rohstoffe schonen, Verschwen­dung vermeiden. Dafür ist dem Smart­phone aber ein kleiner Schrau­ben­dreher mitge­lie­fert. Damit soll das modular aufge­baute Gerät, sollte mal etwas kaputt­gehen, schnell repa­riert werden können.

In seinem Online-Shop bietet Fair­phone daher mehrere Module als Ersatz­teile an. So kostet ein neues Display für das Modell 3 rund 90 Euro, wer noch ein Fair­phone 2 besitzt, zahlt dafür 65 Euro. Aber auch weitere Ersatz­teile wie etwa Kamera, Laut­spre­cher oder ein Modul mit Mikrofon und Vibra­tions­motor sind erhält­lich.

Nun hat der Hersteller knapp ein Jahr später das Fair­phone 3+ vorge­stellt. Preis­lich liegt es mit knapp 470 Euro nur leicht über dem Preis seines Vorgän­gers. Äußer­lich unter­scheidet sich das neue Smart­phone nur durch das nicht mehr trans­parente Cover auf der Rück­seite von seinem Vorgänger. Der Grund dürfte hier der Kunst­stoff sein, der nun zu 40 Prozent aus recy­celtem Mate­rial besteht.

Tech­nisch fällt vor allem eine bessere Kamera mit 48 Mega­pixel und einer ordent­lichen Öffnung von f/1.79 auf der Vorder­seite sowie eine Selfie-Kamera mit 16 Mega­pixel und einer Öffnung von f/2.0 auf. Das ist im Vergleich zum Vorgän­ger­modell aus 2019 mit 12 Mega­pixel bezie­hungs­weise 8 Mega­pixel nochmal ein Quan­ten­sprung. Auch die Reak­tions­zeiten der Kamera und die Objekt­ver­fol­gung sollen laut Herstel­ler­angaben verbes­sert sein.

Eindrücke zum Fair­phone 3+ sehen Sie im nach­fol­genden Video

Videos zu weiteren Smart­phone-Modellen finden Sie auch auf dem YouTube-Kanal von teltarif.de.

Altes Smart­phone mit neuer Kamera ausstatten

Und jetzt kommt das Thema Nach­hal­tig­keit ins Spiel: Wer jetzt schon ein Fair­phone 3 besitzt, aber lieber eine bessere Kamera hätte, muss kein neues Smart­phone kaufen. Die verbes­serte Kamera des Fair­phone 3+ lässt sich so auch für das ansonsten baugleiche Vorgän­ger­modell verwenden. Über den Shop des Herstel­lers kann man für 60 Euro die Haupt­kamera und für 35 Euro das entspre­chende Modul für die Selfie-Kamera erwerben.

Der Austausch ist auch mit mäßigem Geschick in etwa 15 bis 20 Minuten erle­digt, wie auch das Video hier im Beitrag zeigt. Es empfiehlt sich jedoch, neben dem Schrau­ben­dreher noch ein Gitar­ren­plek­trum oder stabile Finger­nägel zum Öffnen des Gehäuses mitzu­bringen. Auf keinen Fall sollte man dem Gehäuse mit einem Metall­schrau­ben­dreher zu Leibe rücken. Das gibt Kratzer!

Ist die Gehäu­serück­seite entfernt, kann nun der Akku heraus­genommen werden. Jetzt müssen 18 kleine Schrauben gelöst werden, um das Display­modul zu entfernen und an die weiteren Module wie Kamera, Mikrofon oder Laut­spre­cher heran­zukommen. Das ist zuge­gebener Maßen etwas fummelig und nicht immer fallen die Schrauben auch bereit­willig heraus.

Die Module selbst sind über kleine Stecker mit der rest­lichen Elek­tronik verbunden. Diese lassen sich jedoch leicht anheben und lösen. Nimmt man alles ausein­ander, was sich ausein­ander nehmen lässt, so liegen am Ende acht Bauele­mente vor einem auf dem Tisch: Akku, Display, Gehäuse, Cover, Front­kamera, Selfie-Kamera, Mikrofon- und Laut­spre­cher­modul.

Im Test hat das Zerlegen des Fair­phone 3+ rund zehn Minuten gedauert. Alles wieder zusam­men­zubauen, war dann in nur sechs Minuten erle­digt. Mit etwas Übung geht das auch schneller. Aber wer will schon jeden Tag sein Smart­phone zerlegen? In rund 10 Minuten ist das Fairphone 3+ in seine acht Hauptbestandteile zerlegt: Cover, Akku, Gehäuse, Kameramodule, Mikrofon, Lautsprecher und Display In rund 10 Minuten ist das Fairphone 3+ in seine acht Hauptbestandteile zerlegt: Cover, Akku, Gehäuse, Kameramodule, Mikrofon, Lautsprecher und Display
Foto: Fairphone

Nach­hal­tig­keit: Wie lange sind Ersatz­teile verfügbar?

Nun ist der Nach­kauf von Ersatz­teilen natür­lich löblich, aber damit wir hier von Nach­hal­tig­keit spre­chen können, müssen diese auch lange genug verfügbar sein. Beim ersten Modell hatte der Hersteller sein Ziel der Lang­lebig­keit nicht erreicht. Nur vier Jahre nach Einfüh­rung des Premie­ren­modells im Jahr 2013 wurde der Support einge­stellt.

Etwas besser sieht es mit dem Fair­phone 2 aus. Das wurde im Dezember 2015 vorge­stellt und ist damit nun fünf Jahre auf dem Markt erhält­lich. Im Online­shop sind Akku und Ersatz­dis­play sowie die älteren Kame­ramo­dule mit 8 Mega­pixel für die Front­kamera und 2 Mega­pixel für die Selfie-Kamera noch erhält­lich. Die zwischen­zeit­lich verbes­serten Module mit 12 Mega­pixel bezie­hungs­weise 5 Mega­pixel für das Fair­phone 2 sind aller­dings nicht mehr lieferbar. Verbes­sern lässt sich das Fair­phone 2 nach fünf Jahren damit zwar aktuell nicht mehr, aber wenigs­tens noch repa­rieren.

Lebens­dauer erhöhen ist immer gut für die Umwelt

Wer er schafft, sein Smart­phone statt nur zwei gleich vier oder fünf Jahre zu nutzen, tut der Umwelt ganz sicher einen Gefallen. Das Wich­tigste ist hier die Verfüg­bar­keit von Akkus, die in der Regel spätes­tens nach zwei bis drei Jahren ihren Geist aufgeben und natür­lich ein möglichst einfa­cher Austausch.

Auch ein neues Display, mit Sicher­heit der zweit­häu­figste Defekt an einem Smart­phone, ist hier schnell und einfach ersetzt. Neue Kame­ramo­dule sind dann ein nettes Add-on, wenn sie denn auch lange genug verfügbar sind.

Die Soft­ware: Der endgül­tige Sarg­nagel alter Smart­phones

Fairphone 3+

Am Ende ist es aber die Soft­ware, die jedem noch so lang­lebigen Smart­phone irgend­wann Probleme bereitet. Gerade war es noch Android 5. Nun sind wir schon bei 10, 11 und im kommenden Jahr bei Version 12. Apps werden ständig aktua­lisiert und unter­stützen ältere Android-Versionen irgend­wann nicht mehr. Und die Prozes­sor­leis­tung des Smart­phones lässt kein endloses Update auf immer neue Versionen mehr zu.

Wenn es dann keine neuen Updates mehr gibt, kann man sich eine gewisse Zeit noch mit inof­fizi­ellen Versionen über Wasser halten. Das ist dann aber nichts mehr für den Otto-Normal-Nutzer.

Zwei Jahre sind für ein so komplexes Produkt aller­dings viel zu kurz. Besser wäre es, fünf Jahre Nutzungs­dauer zum Durch­schnitt zu machen. Fair­phone leistet hier einen wich­tigen Beitrag.

Das Gigaset GS4 bietet sich als Smart­phone "Made in Germany" an. Wie es sich in der Praxis geschlagen hat, lesen Sie im ausführ­lichen Test­bericht.

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