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Dynamische Preise im Netz: Jetzt teuer, später billig?

Manche Händler verän­dern laufend ihre Preise. Ob das nur an der Uhrzeit liegt oder auch an der Käuferin oder dem Käufer selbst, darüber wird viel speku­liert. Aber sind Dauer­ver­ände­rungen erlaubt?
Von dpa /

Untersuchungen zu dynamischen Preisen beim Online-Shopping Untersuchungen zu dynamischen Preisen beim Online-Shopping
Bild: dpa
Oh nein! Das anvi­sierte neue Smart­phone hatte beim letzten Preis­check im Internet noch 399 Euro gekostet. Jetzt, wenige Stunden später, verlangt derselbe Händler plötz­lich 50 Euro mehr. Dyna­mischer Preis nennt sich das, wenn sich der Betrag in kurzen Abständen ändert, erklärt Chris­toph-Martin Mai, Refe­rats­leiter Verbrau­cher­preise beim Statis­tischen Bundesamt.

"Der Klas­siker sind Benzin­preise, die sich gleich mehr­mals am Tag bewegen", sagt Mai. Am meisten kostet eine Tank­fül­lung oft morgens, kurz vor Arbeits­beginn, und am späten Abend. "Preis­ände­rungen lassen sich im Internet einfa­cher umsetzen, als im statio­nären Handel. Da wird oft noch von Hand umeti­ket­tiert, deshalb gibt es so eine Preis­gestal­tung dort seltener." Untersuchungen zu dynamischen Preisen beim Online-Shopping Untersuchungen zu dynamischen Preisen beim Online-Shopping
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2019 hatte das Statis­tische Bundesamt Verbrau­cher­preise im Internet über ein Jahr beob­achtet. Insge­samt 42 Millionen Daten von über 200 Online­händ­lern sind zusam­men­gekommen. Die beob­ach­teten Produkte entspra­chen dem durch­schnitt­lichen Einkaufs­ver­halten im Netz. Viel Klei­dung zählt dazu, aber auch Reisen und Hotels. Das Ergebnis: Die meisten Händler (96 Prozent) ändern ihre Ange­bote nur selten, haben also noch keine wirk­lich dyna­mischen Preise.

Dyna­mische Stra­tegien bei den großen Playern

"Viele Anbieter setzen das noch nicht so konse­quent und einheit­lich um oder haben zumin­dest keine eindeu­tige Stra­tegie, die sich beob­achten lässt", zieht Mai Bilanz. "Bei einzelnen Händ­lern lässt sich dagegen viel Dynamik erkennen." Die Unter­nehmen, die darauf setzen, gehörten tenden­ziell zu den großen, inter­natio­nalen Playern.

In eine ähnliche Rich­tung gehen die Ergeb­nisse einer Studie aus dem Jahr 2018 von den Markt­wäch­tern der Verbrau­cher­zen­tralen. Sie haben sich die größten Händler in verschie­denen Sparten ange­schaut. Bei fast allen stellten sie Bewe­gungen im Unter­suchungs­zeit­raum fest. Meist waren die Ände­rungen vergleichs­weise selten und klein. Doch mancher Anbieter verän­derte manchen Preis fast täglich: So hätte ein Baumarkt für eine Fens­ter­bank fast jeden Tag etwas anderes verlangt.

Beson­ders häufig setzten Elek­tronik­märkte und Online-Apotheken im Unter­suchungs­zeit­raum auf Dynamik. Dabei geht es auch nicht immer nur um kleine Anpas­sungen, wie das Beispiel eines großen Mode­händ­lers zeigt. Die Markt­wächter folgten der Preis­ent­wick­lung einer Stoff­hose. Inner­halb weniger Tage schwankte das Angebot in mehreren Schritten zwischen knapp 80 Euro und knapp 200 Euro. Und bei einem großen Elek­tronik­händler zahlten Kunden, die am falschen Tag zuschlugen, für ein Smart­phone 220 Euro mehr als an anderen Tagen.

Wohin sich wann der Preis bewegt

Das Statis­tische Bundesamt beob­ach­tete in seiner Studie vor allem Anpas­sungen nach oben. Am meisten Bewe­gung gibt es demnach in den frühen Morgen­stunden und tags­über, während der normalen Arbeits­zeiten, berichtet Mai. "Morgens und abends kann sich ein Angebot für dasselbe Produkt also durchaus unter­scheiden. Am späteren Abend und vor allem am Wochen­ende wiederum sind die Preise in der Regel stabil."

Damit sind sie tenden­ziell konstant, wenn die Menschen Zeit zum Einkaufen haben. Doch nur, weil es kaum Bewe­gung am Wochen­ende gibt, sind die Preise dann nicht am güns­tigsten, so Mai. Jeden­falls seien dyna­mische Preise für alle Kunden, die zeit­gleich kaufen, dieselben.

Doch Unter­suchungen aus den USA zeigen, dass Online­shops dort ihre Ange­bote nicht nur der Uhrzeit anpassen, sondern auch an die Käufer. "Solche persön­lichen Preise erstellen die Händler mit indi­vidu­ellen Daten, die sie von ihren Kunden haben. Diese ergänzen sie durch grup­pen­bezo­gene Infor­mationen, also Merk­male, die sie einer Gruppe zuschreiben", erklärt Hans-Wolf­gang Mick­litz. Er ist emeri­tierter Professor für Wirt­schafts­recht am Euro­päi­schen Hoch­schul­institut in Florenz und Mitglied des Sach­ver­stän­digen­rats Verbrau­cher­fragen.

Aus den gebün­delten Infor­mationen errechnet ein Algo­rithmus einen indi­vidu­ellen Preis. Wie genau, das ist Geschäfts­geheimnis der Anbieter. So könnte ein Wein­händler zum Beispiel schätzen, dass Mick­litz bereit ist, deut­lich mehr für eine Flasche Wein zu zahlen als Studie­rende. Und dementspre­chend beim Preis aufschlagen.

Noch keine persön­lichen Preise hier­zulande

Häufig wird auch vermutet, dass Nutzer von Apple-Geräten teurere Ange­bote erhalten, weil diese zu den Premium-Produkten zählen und damit auf zahlungs­kräf­tige Kund­schaft schließen lassen. Während es in den USA bereits Studien dazu gibt, wurde in Deutsch­land bislang nur gemut­maßt, ob Händler ihre Ange­bote derge­stalt indi­vidua­lisieren.

Das Bundes­ver­brau­cher­schutz­minis­terium hat nun erst­mals eine Studie dazu anfer­tigen lassen. Die kommt zu dem Schluss, dass es eine persön­liche Preis­gestal­tung hier­zulande noch nicht gibt. Unter­schied­liche Stand­orte, die Surf­his­torie, Nutzer­konten oder Profile aus sozialen Netz­werken hätten demnach keinen Effekt auf das abge­fragte Angebot, ebenso wenig wie Cookies im Browser.

Nur in einem Fall stellten die fürs Minis­terium tätigen Forscher einen Preis­unter­schied durch die Gerä­tenut­zung fest. Eine Platt­form räumte Rabatt ein, wenn das Hotel­zimmer übers Handy gebucht wurde.

Wie es mit perso­nali­sierten Preisen weiter­geht

Für Unter­nehmen wäre die Indi­vidua­lisie­rung ihrer Ange­bote von Vorteil. Denn sie könnten theo­retisch die maxi­male Zahlungs­bereit­schaft von jedem ihrer Kunden ausloten, um ihren Gewinn zu stei­gern. Verbrau­cher dagegen mögen solche perso­nali­sierten Ange­bote nicht sonder­lich, zeigen verschie­dene Umfragen. Ein Recht auf gleiche Preise für alle haben sie aber nicht. "Ein Preis­schild an einem Produkt ist immer nur eine Einla­dung des Verkäu­fers an den Kunden. Er muss trotzdem nicht zu diesem ausge­wie­senen Betrag an ihn verkaufen", erklärt Mick­litz. Es herrscht Vertrags­frei­heit.

Das gilt nicht nur im Internet. Auch bei Schuhen im Laden steht dem Unter­nehmen frei, von jedem Kunden eine andere Summe zu fordern. Auch wenn die Perso­nali­sie­rung des Preises legal ist, hält Mick­litz sie nicht für sonder­lich trans­parent. Damit Wett­bewerb funk­tio­niert, müssten Verbrau­cher Preise verglei­chen können. Auch die Euro­päi­sche Union sorgt sich. In einer Richt­linie (2019/216) legte sie daher fest, dass Online­händler ab 2022 ihre Kunden darauf hinweisen müssen, wenn ihr Angebot perso­nali­siert ist. Wie genau Deutsch­land die Richt­linie umsetzt, steht bislang noch nicht fest.

Die Markt­trans­parenz­stelle für Kraft­stoffe liefert zeitnah Benzin­preise an Tank-Apps, Navigations­geräte und Internet-Anbieter. So können Auto­fahrer die güns­tigste Tank­stelle finden.

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