Test: Delta Chat Messenger über E-Mail - gute Idee oder GAU?
Die weitere Einrichtung von Delta Chat ist hingegen kein Problem: Delta Chat greift zwar auf das Smartphone-Adressbuch zu, überträgt dieses aber nicht an irgendwelche Server - weil es gar keine zentralen Server gibt. Die angegebenen Zugangsdaten für den eigenen E-Mail-Account werden nur für die Kommunikation genutzt. Es muss weder ein Name noch eine Telefonnummer angegeben werden. Vom Datenschutz-Aspekt her bietet Delta Chat also deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichen proprietären Messengern.
Chat-Übersicht und Chat-Fenster sehen prinzipiell aus wie bei bekannten Messengern, und auch die Bedienung ist wie bei WhatsApp, Threema, Telegram, Signal und anderen Apps. Bei der Zustellung von Nachrichten ist uns aufgefallen, dass dies über das E-Mail-Protokoll immer etwas langsamer geht als über die proprietären Messenger-Protokolle. Bei Delta Chat kamen die Nachrichten ungefähr fünf bis zehn Sekunden nach dem Versand an, während es bei anderen Messengern nur ein bis drei Sekunden sind.
Delta Chat nutzt das eigene E-Mail-Postfach übrigens so, dass man dies auch im Postfach sehen kann. In beiden unserer Accounts (T-Online und GMail) legte der Messenger einen Unterordner "Delta Chat" an, in dem jeweils die Nachrichten und für jede Nachricht eine Empfangsbestätigung angezeigt wurden. Auch die farbigen Haken für die Lesebestätigung werden also in Form einer E-Mail übertragen. Dadurch kommt in diesen Ordnern bei zahlreichen Mitteilungen natürlich eine ganze Menge an E-Mails zusammen. Im Klartext lesbar sind die Textnachrichten im E-Mail-Postfach aufgrund der Verschlüsselung durch Delta Chat übrigens nicht, stattdessen steht dort: "Dies ist eine verschlüsselte OpenPGP-Nachricht. Um die E-Mail zu entschlüsseln, muss ein OpenPGP-Add-on installiert werden."
Zusätzlich erforderliche Schritte bei der Nutzung von GMail
Screenshot/Montage: teltarif.de
Nutzer ohne Delta Chat und Gruppen: Spam-Gefahr und Daten-GAU
Der große Nachteil herkömmlicher Messenger ist, dass man Personen, die beim eigenen Dienst nicht angemeldet sind, keine Nachrichten schicken kann. Diesen Nachteil gibt es bei Delta Chat nicht: Schreibt man einem Kontakt aus dem Adressbuch, der Delta Chat nicht installiert hat, wird die Nachricht einfach als E-Mail zugestellt.
Das klingt zunächst wie ein toller Vorteil - doch wir machten uns bald Gedanken darüber, ob das nicht eine Einladung an Spammer sein könnte. Auch ein E-Mail-Spammer muss - wie ein Delta-Chat-Nutzer - gültige E-Mail-Adressen haben, damit die Nachricht ankommt. Doch der Massenversand ist durch Anlegen einer Gruppe in Delta Chat sehr einfach. Großer Nachteil für den Spammer: Seine gültige Absenderadresse wird im Klartext übertragen und kann nicht wie sonst beim Spam-Versand gefälscht werden.
Mitten in unsere Überlegungen hinein platzte dann ein experimentierfreudiger teltarif.de-Leser, der nach unserer ersten Ankündigung zu Delta Chat einfach einmal eine Gruppe anlegte und dort unsere allgemeine teltarif.de-Mailadresse aufnahm. Sofort wurde uns alles, was er in der Gruppe machte, per E-Mail signalisiert: Nicht nur die Nachrichten, die er dort schrieb, sondern auch, welche Mitglieder er noch in die Gruppe aufnahm oder wieder entfernte.
In Gruppen: Delta Chat als gefährliche Datenschleuder
Und spätestens jetzt war es mit dem Datenschutzversprechen von Delta Chat endgültig vorbei und der Messenger mutierte zu einer gefährlichen Datenschleuder: Alle E-Mail-Adressen der Gruppenmitglieder wurden uns im Klartext angezeigt, auch unsere (die ja nicht geheim ist) war für alle sichtbar. Wer seine E-Mail-Adresse allerdings geheim halten möchte, für den ist die unerwünschte Aufnahme in eine Delta-Chat-Gruppe aber möglicherweise der Daten-GAU.
Unser experimentierfreudiger Leser hatte sich vorgestellt, seinen Newsletterversand zukünftig einfacher über eine Delta-Chat-Gruppe zu organisieren. Doch wir konnten als unfreiwilliges Gruppenmitglied live mitbeobachten, wie dieses Experiment gehörig in die Hose ging, und das aus mehreren Gründen. So etwas wie die Bcc-Funktion bei Mails fehlt bei Delta-Chat-Gruppen: Über die Funktion hatten wir alle E-Mailadressen aus der Gruppe im Klartext erhalten. Der Datenschutz war also keineswegs gewährleistet. Außerdem fehlte in den Mails die gesetzlich vorgeschriebene Abmeldemöglichkeit (Opt-out) bei dem Gruppenversand.
Es ist also möglich, dass E-Mail-Nutzer, die Delta Chat gar nicht kennen und nicht mitbekommen haben, dass sie dort in eine Gruppe aufgenommen wurden, plötzlich von E-Mails bombardiert werden, die sie nicht einmal abbestellen können. Loswerden kann man dies nur, wenn man im E-Mail-Account alle Absender auf eine Sperrliste setzt. Delta Chat kann also reguläre und rechtskonforme Newsletter-Versand-Systeme mit Abmeldelink unter gar keinen Umständen ersetzen.
In Messengern gibt es mittlerweile einige typische Funktionen, die bei Delta Chat fehlen - darauf gehen wir auf der letzten Seite unseres Testberichts ein.