Blau-9-Cent-Europatarif: Ohne Internet - ohne Zukunft?

Als Branchenexperten hatte blau.de Prof. Torsten J. Gerpott von der Uni Duisburg geladen. Der TK-Experte gibt regelmäßig für verschiedene Firmen und Verbände Statements und Einschätzungen ab. Er unterstützte Feistels Ansicht, die Kunden wollten vor allem telefonieren, wenn sie im Ausland sind, bedingt. Viele seien nicht bereit, ihr teures Smartphone mit an den Strand zu nehmen, sagte er. Doch es sei nur eine Frage der Zeit, bis hier die Kundenwünsche entsprechend hochkochen, so dass es nicht reicht, nur bei der Telefonie günstig sein zu wollen. Er sieht hier einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren, in denen blau.de mit dem heute vorgestellten Angebot Geld verdienen könne.

Feistel will mit dem Angebot vor allem Neukunden gewinnen. Mit einem günstigen Angebot, so hofft er, würden sich die Kunden für sein Angebot entscheiden und von anderen Anbietern zu ihm wechseln. Doch er machte auch klar: Das neue Roaming-Angebot ist erst einmal befristet und eine Mischkalkulation. Es gebe "drei, vier Länder", bei denen sich das Angebot für blau.de nicht lohne. Würde nun ausgerechnet in diesen Ländern viel telefoniert, so müsse man unter kaufmännischen Gesichtspunkten handeln. Auch wenn die Kunden nicht mehr im Ausland telefonieren würden als bisher, müsste man den Sinn des Angebotes überdenken. Schließlich verzichtet der Anbieter auf viel Geld pro Minute. Das will er offenbar durch ein größeres Minutenvolumen kompensieren, das unter Umständen sogar bei den ausländischen Netzbetreibern vorab eingekauft werden muss.

Gerpott: "Kunden suchen Anbieter nicht nach Roaming aus"

Gerpott ist der Meinung, der Schritt sei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings machte er Feistel wenig Hoffnung, eine große Anzahl Neukunden zu gewinnen. "Man muss realistisch bleiben. Kunden suchen ihren Anbieter nicht nach dem Roaming aus." Kritik gab es auch für die späte Einführung des neuen Tarifes, schließlich sei die Urlaubssaison schon fast um. "Wer im Norden wohnt, hat in der Tat Pech gehabt", so Feistel. Doch Teile Deutschlands würden auch erst jetzt in den Urlaub starten.

Kommentar von Redakteur Thorsten Neuhetzki

9 Cent in ganz Europa? Es ist ein guter Anfang, den Blau hier macht. Auch wenn Mitbewerber wie simquadrat schon einen Schritt weiter sind und eingehende Gespräche kostenlos anbieten. Was mir jedoch übel aufstößt, ist die Tatsache, dass nur die Prepaid-Kunden, nicht aber die Vertragskunden von den neuen Roamingpreisen profitieren. Auch die Art, wie der Bedarf an mobilen Daten heruntergespielt wurde, ist bei gleichzeitig immer weiter steigendem Datenhunger der Deutschen nicht vollkommen glaubwürdig.