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Editorial: Sündenfall oder sinnvolle Starthilfe?

Umstrittene Starthilfe für V-DSL
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Wenn aber dank Regulierung der bereits vorhandenen Vorprodukte alle Unternehmen beim "Wettrennen V-DSL" mit halbwegs vergleichbaren Bedingungen am Start stehen, dann kann und soll sich der Regulierer beim neuen Produkt V-DSL selber zunächst zurückhalten. Er muss aber das Treiben der Wettbewerber sehr genau beobachten, und bei Schieflagen sofort eingreifen. Erreicht die Telekom ein V-DSL-Monopol, weil sie den Konkurrenten den Zugang zu den "letzten hundert Metern" unnötig erschwert, oder weil sie massives Preis-Dumping verwendet, dann sollte der Regulierer zügig und hart durchgreifen, und beispielsweise durch Resale-Verpflichtungen verhindern, dass die Telekom sich mit dem V-DSL-Monopol später dumm und dusselig verdient. Kommt ein V-DSL-Monopol der Telekom hingegen deswegen zustande, weil kein anderer Anbieter das "Abenteuer V-DSL" wagt, dann gibt es auch keinen Grund für Regulierung.

Insofern ist es auf jeden Fall falsch, gesetzlich festzulegen, dass neue Technologien für eine bestimmte Zeit regulierungsfrei bleiben. Entsprechende Beschlüsse im Koalitionsvertrag sind also hart zu kritisieren. Die Dauer der Einführungsphase, während derer der Regulierer die Marktkräfte nur beobachtet, aber noch nicht eingreift, hängt von vielen Faktoren ab, wie der anfänglichen Entwicklung, der Zahl der gestarteten Anbieter oder der Relevanz der neuen Technik.

Eine genellere Regulierungsaussetzung für neue Technologien birgt auch großes Missbrauchspotenzial. Die Telekom könnte etwa auf die Idee kommen, ein neues "ISDN Version 2.0" mit einigen Detailverbesserungen im Vergleich zu ISDN einzuführen, über einen kleinen Konverter alle Kunden kurzfristig umzustellen, und ansonsten sämtlichen Konkurrenten den Netzzugang zu ISDN 2.0 zu untersagen, da es sich ja um eine "neue Techologie" handelt. Die Folgen für bestimmte Dienste und Märkte, insbesondere Call-by-Call, wären verheerend.

Fazit

Die vorgestellte Lösung, die Vorprodukte für V-DSL umfassend und zügig zu deregulieren, das Produkt selber hingegen zunächst nur zu beobachten, schmeckt sicherlich weder der Deutschen Telekom noch dem VATM. Ersterer würde V-DSL am liebsten exklusiv aufbauen. Letzterer möchte Resale-Verpflichtungen ab der ersten Minute. Eher schon dürfte der breko, der Bundesverband der regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften, sich für diese Lösung erwärmen können. Heißt sie doch, dass vor allem diejenigen Anbieter, die eigene Infrastruktur aufbauen, am "V-DSL-Wettrennen" teilnehmen können. Reine Re-Seller werden anfangs hingegen auf freiwillige Kooperationsangebote der V-DSL-"Netzbetreiber" angewiesen sein. Dieses klappt in den Mobilfunknetzen ja inzwischen immer besser, warum also nicht auch bei V-DSL?

Für die Telekom-Konkurrenten gibt es viel zu tun. So sollte der breko durch seine Mitgliedsunternehmen möglichst bald Verhandlungen mit der Telekom bezüglich des Zugangs zu den "letzten hundert Metern" aufnehmen. Nach dem absehbaren Scheitern der Verhandlungen muss dann umgehend der Regulierer angerufen werden. Dieser sollte dann auch durchaus durch Lobbyarbeit gezwungen werden, seine Beschlüsse schnell zu fassen.

Beim derzeit gebräuchlichen A-DSL war es übrigens so, dass die regionalen Anbieter den Startschuss verschlafen hatten. Die Vorprodukte (Kolokation in Telekom-Vermittlungsstellen, Anmietung der "letzten Meile") standen 1999 bereits bereit. Ich erinnere mich noch gut an ein Gespräch mit Arcor auf der "Telecom World 1999" in Genf. Damals war Arcor bereits mit eigenen ISDN-Anschlüssen gestartet, erklärte aber ausdrücklich, mit DSL noch abzuwarten. Schließlich sei nicht sicher, ob dieses überhaupt ein Erfolg werde. Dieser Fehler wird sich bei V-DSL sicher nicht wiederholen.