Bilanz

Lkw-Maut wird zum Alltag

Von der Lachnummer zum Erfolgsmodell?
Von dpa / Thorsten Neuhetzki

Auf den deutschen Autobahnen wird die Lkw-Maut langsam zum Alltag. Heute musste das satellitengestützte System nach dem Ende der Weihnachtsferien den ersten normalen Werktag überstehen. Die Bilanz bis zum frühen Nachmittag: Es funktioniert immer noch. Die ersten zehn Tage in der Praxis wären damit zur allgemeinen Zufriedenheit geschafft. Und so könnte aus der einstigen Lachnummer Maut made in Germany doch noch ein Erfolgsmodell für den Export werden.

Zwar halten sich sowohl Bundesregierung als auch Betreiber Toll Collect mit übergroßen Zufriedenheitsäußerungen zurück. Zu deutlich ist allen noch in Erinnerung, dass das System vor einem Jahr kurz vor dem Kollaps stand und schließlich erst mit 16 Monaten Verspätung starten konnte. Aber nach der erfolgreichen Einführung hat sich die Tonlage geändert. Inzwischen spricht nicht nur der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) von einem möglichen "Exportschlager".

Zwölf Länder entscheiden über Maut-System

Selbst Kanzler Gerhard Schröder wirbt im Ausland bereits für das Hochtechnologieprojekt. Beim tschechischen Ministerpräsidenten Stanislav Gross ging nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung Hospodarske Noviny dieser Tage ein Schreiben ein, in dem Schröder den Nachbarn um Berücksichtigung des deutschen Konsortiums bittet. Tschechien ist das nächste Land, in dem eine Lkw-Maut eingeführt werden soll, möglicherweise schon 2006. Die Entscheidung fällt wohl zwischen Toll Collect und dem Mikrowellensystem der Österreicher.

DaimlerChrysler und Deutsche Telekom - jeweils mit 45 Prozent am Konsortium beteiligt - haben eine Liste mit zwölf Ländern erstellt, in denen 2005/06 über die Einführung einer Maut oder die Erneuerung von veralteten Systemen entschieden wird. Dazu gehören Polen und Ungarn ebenso wie Frankreich und Großbritannien bis hin zu Taiwan und Neuseeland. Die ersten Delegationen aus dem Ausland waren auf den deutschen Autobahnen schon zu Besuch. Als Vorzeigestrecke wird dabei die A 555 zwischen Bonn und Köln präsentiert.

On-Board Unit soll in ganz Europa funktionieren

Toll Collect hat bereits mehr als 100 Informationsveranstaltungen in fast 30 Ländern organisiert. Selbst auf japanisch gibt es schon eine Maut-Broschüre. Der Export ist aber auch dringend erforderlich, wenn aus dem Verlustgeschäft noch eine Erfolgsgeschichte werden soll: Toll-Collect-Geschäftsführer Christoph Bellmer verriet kürzlich, dass das Projekt schon "weit mehr als eine Milliarde Euro" verschlungen hat. In Deutschland ist frühestens 2016 damit Geld zu verdienen.

Die teure Premiere im eigenen Land könnte Toll Collect im internationalen Wettbewerb aber den entscheidenden Startvorteil verschaffen: Je mehr Fuhrunternehmer ihre Fahrzeuge mit deutschen On-Board Units (OBUs) ausstatten, desto niedriger werden für andere europäische Staaten die Kosten für eine Einführung. Die Europäische Union hat bereits eine "Richtlinie über die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme" erlassen. Demnach müssen vom übernächsten Jahr an alle solche Systeme in Europa zusammenpassen.

Deshalb arbeiten die System-Ingenieure von Toll Collect derzeit mit Hochdruck daran, die OBUs für verschiedene Maut-Systeme nutzbar zu machen. Ziel ist es, mit einem einzigen Bordcomputer im Führerhaus durch ganz Europa zu kommen - ähnlich wie ein Handy, das sich im Ausland automatisch auf einen anderen Betreiber umschaltet. Ansonsten droht eine Technik- und Gerätevielfalt, die massive Probleme mit sich bringt.

Die Toll-Collect-Manager sind deshalb zuversichtlich, dass sie für den Weiterverkauf ins Ausland gute Karten haben. Geschäftsführer Bellmer verspricht: "In diesem System ist so ungefähr alles drin, von dem die Konkurrenz seit fünf Jahren redet, dass man das haben muss."

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