Rückblick

Mobilfunk ohne “Fräulein vom Amt”: Das B-Netz wäre jetzt 50

Heute hat (fast) jeder ein Handy - vor 50 Jahren war das noch "unbe­zahl­barer" Luxus. teltarif.de-Autor Henning Gajek war live dabei und blickt zurück.
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Heute hat jeder ein Handy oder Smart­phone - oder sagen wir mal fast jeder. Wie war das aber vor 50 Jahren? Wir schauen zurück: teltarif.de-Autor Henning Gajek durfte in jungen Jahren per Mobil­telefon im "A-Netz" mit "Frollein vom Amt" tele­fonieren. Am 14. Januar 1972 star­tete die Deut­sche Bundes­post (Vorgänger der Deut­schen Telekom) das "B-Netz". Es löste das voll analoge A-Netz ab, 1977 schal­tete die Bundes­post die Technik des A-Netzes aus. Beim B-Netz gab es einige für dama­lige Verhält­nisse revo­lutio­näre Neue­rungen.

Am Anfang war das A-Netz

Mobilfunktechnologie von links A-Netz, C-Netz, B-Netz, in der Hand ein GSM-Handy (von Motorola) Mobilfunktechnologie von links A-Netz, C-Netz, B-Netz, in der Hand ein GSM-Handy (von Motorola)
Foto: Picture Alliance / dpa
Mobiles Tele­fonieren, wie wir es heute kennen, war vor über 50 Jahren tech­nisch noch gar nicht reali­sierbar. Die notwen­dige Technik brauchte viel Strom, war groß, stabil und schwer. Die Empfänger und Sender arbei­teten mit Röhren, Tran­sis­toren gab es so gut wie kaum oder sie beherrschten die Anfor­derungen nicht. Röhren brauchten alleine eine Anoden­span­nung von 100, 200 oder mehr Volt, dazu kamen Heiz­span­nungen von 6,3 Volt mit gleich­mäßigen Strömen - da wären einfache Taschen­lam­pen­bat­terien sicher nach wenigen Minuten "leer" gewesen.

Das A-Netz war einfach

Beim A-Netz befand sich im Auto ein Hörer, eine Signal­anzeige (mit Zeiger und Lampe). Das eigent­liche Funk­gerät mit Strom­ver­sor­gung (6, 12 oder 24 Volt Gleich­strom, die per "Zerha­cker" und Trafo auf die notwen­digen Anoden­span­nungen hoch­trans­for­miert wurden) wurde im Koffer­raum oder irgendwo unter dem Sitz montiert.

Zur Vorbe­rei­tung eines Tele­fonats wurde an einem Dreh­knopf solange abge­stimmt, bis ein Signal der offi­ziellen Basis­sta­tion der Deut­schen Bundes­post empfangen werden konnte. Dann drückte man den Rufknopf und wartete auf das "Frollein vom Amt", die sich mit dem zackigen Wort "Vermitt­lung" meldete und auf klare Anwei­sungen und Befehle wartete.

Die Konver­sation lief dann wie folgt ab: "Hier ist Wagen 4711, mein Standort ist Berlin, Kudamm, ich hätte gerne Berlin 4530810" als Beispiel. "Jawoll", antwor­tete das Frollein und legte erst einmal wieder auf. Nach einigen Minuten hupte es im Auto, wie bei einem Groß­alarm. Der Teil­nehmer riss den Hörer aus der Halte­rung, meldete sich mit "Wagen 4711 jawoll", ein Real-Name war nicht notwendig. Wieder war "Vermitt­lung" am Telefon und teilte kurz mit "Ihr Gespräch" - es knackte und auf einmal war der gewünschte Gesprächs­teil­nehmer tatsäch­lich in der Leitung.

Das erste Gespräch erin­nerte an spätere CB-Funk- oder Amateur­funk­gespräche: "Wo bist Du und wie gut ist die Verbin­dung?"

Am Gesprächsende wurde wieder der Knopf gedrückt und der "Vermitt­lung" mitge­teilt, dass man fertig sei. Weitere 5 Minuten später, rief "Vermitt­lung" wieder an, nur um mitzu­teilen, was das letzte Gespräch gekostet hatte. Ein Service, den es heute längst nicht mehr gibt.

Bei aller Nost­algie: Diese Hand­ver­mitt­lung war auf die Dauer umständ­lich und perso­nal­intensiv. Deswegen wurde das "B-Netz" erfunden, das am 14. Januar 1972 (also vor 50 Jahren) an den Start ging.

Erste Erfah­rungen im B-Netz

Der Autor hatte kurz nach dem Start des B-Netzes auch die Gele­gen­heit, darüber zu tele­fonieren. Der B-Netz-Teil­nehmer konnte aus dem Auto selbst hinaus­wählen, sofern eine Basis­sta­tion der Deut­schen Bundes­post empfangbar war. Das zeigten ein Feld­stärke-Instru­ment und eine Kontroll­lampe an. Man hatte die Auswahl: Entweder über einen nahe­lie­genden Sende­turm zum teuren Tarif oder über einen entfern­teren Turm, dafür zum güns­tigeren Tarif, mit dem Risiko, dass die Verbin­dung schneller abbrach.

Funk­ver­kehrs­zonen mit Vorwahl

Teil­nehmer aus dem Fest­netz konnten zum Auto anrufen, wenn sie den unge­fähren Aufent­haltsort des mobilen Teil­neh­mers kannten. Dazu gab es Funk­netz­bereiche mit eigener Vorwahl, beispiels­weise die 0621-05 für den Funk­bereich Mann­heim oder 0721-05 für Karls­ruhe oder 0311-05 für Berlin und so weiter. Berlin hatte damals noch die Vorwahl 0311, Hamburg die 0411, Frank­furt die 0611 und München 0811.

Die Folge­zif­fern 05 standen für das B-Netz, gefolgt von der 5-stel­ligen Teil­neh­mer­nummer. Fuhr ein Auto gerade von Mann­heim nach Karls­ruhe, konnte der Anrufer z.B. 0621-05-54321 wählen und wenn nach endlosen Rattern der Hebdreh­wähler im Amt die Ansage ertönte "Zu diesem Teil­nehmer besteht derzeit keine Funk­ver­bin­dung", wurde es z.B. mit 0721-05-54321 erneut versucht.

Start­schuss in Zeven

Am 14. Januar 1972 war es im Funk­ver­kehrs­bereich Zeven (Nieder­sachsen) losge­gangen, dann folgten 149 weitere Funk­zonen im Land. Zunächst standen 38 Sprech­kanäle (zwischen 148,41 und 149,13 MHz - Teil­nehmer sendet - und zwischen 153,01 und 153,73 MHz - Basis­sta­tion sendet) zur Verfü­gung. Da diese 38 Funk­kanäle schnell über­lastet waren, wurde das Netz im Jahre 1980 auf 75 Kanäle erwei­tert ("B2-Netz"). Für den mobilen Teil­nehmer kam noch der Bereich 157,61 - 157,33 MHz dazu und die Basis­sta­tionen konnten zusätz­lich noch auf 162,21 MHz bis 162,93 MHz senden. Dazu wurden die Frequenzen des 1977 abge­schal­teten A-Netzes verwendet.

Erst 38 dann 75 Kanäle

Sender/Empfänger Modell B 31-2 für das B-Netz, Hersteller TeKaDe Fernmeldeapparate, Baujahr ab 1972 Sender/Empfänger Modell B 31-2 für das B-Netz, Hersteller TeKaDe Fernmeldeapparate, Baujahr ab 1972
Foto: Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Um die Gespräche aufzu­bauen, war ein auto­mati­scher Anruf­kanal ("Kanal 19") auf 153,370 MHz fest­gelegt worden. Die Kanäle hatten einen Abstand von 20 kHz, waren 14 kHz breit und sendeten und empfingen im Duplex-Abstand von 4,6 MHz, denn das Gerät empfing und sendete ja gleich­zeitig. Die Sprache wurde frequenz­modu­liert (FM) mit 4-kHz-Hub über­tragen und klang damals schon recht gut, wenn das Signal ausrei­chend stark ankam. Die Basis­sta­tionen sendeten damals zwischen 10 und 30 Watt, das Mobil­gerät hatte etwa 10 Watt.

Hand­geräte (Portabel) gab es im B-Netz noch nicht, die Technik war einfach zu groß und unhand­lich. Im Auto war meist das Bedien­teil und der Hörer verbaut, die Funk­sende/empfangs­ein­heit war im Koffer­raum oder unter dem Sitz montiert, eine Außen­antenne (auf dem Auto­dach oder am Kotflügel) sorgte für ausrei­chende Funk­ver­bin­dungen.

Da das B/B2-Netz in Ballungs­gebieten über­lastet blieb, wurden zusätz­lich "Kanäle Kleiner Leis­tung" defi­niert, die um 3,92 MHz versetzt arbei­teten, wofür die Sende­leis­tung auf 0,1 Watt herun­ter­gefahren wurde. Das war - wenn man so will - der Beginn der Zellu­lar­technik, wenn es auch noch kein Handover gab.

B-Netz konnte Roaming

Telefonhörer (Handapparat) zu „B 31-2“ B-Netz Telefon Telefonhörer (Handapparat) zu „B 31-2“ B-Netz Telefon
Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Dafür konnte das B-Netz etwas, was später dem C-Netz verwehrt blieb: Inter­natio­nales Roaming, wenn auch nur in Öster­reich, den Nieder­landen oder in Luxem­burg. Um einen B-Netz-Teil­nehmer im Ausland errei­chen zu können, musste die Vermitt­lung Inland ("Fernamt Inland") unter der Rufnummer 010 (lange vor Call-by-Call) bemüht werden.

Höhe­punkt 1986

Im Jahre 1986 standen in West-Deutsch­land 158 Funk­sta­tionen in insge­samt 150 Funk­zonen, das Netz versorgte damals etwa 27.000 Teil­nehmer. Eine Basis­sta­tion hatte eine Reich­weite von etwa 27 km Radius um den Sende­turm, der meist auf Bergen oder zentral in Städten zu finden war. Wenn die Zellen­ränder erreicht wurden, brach die Verbin­dung ab, ein Handover (Weiter­rei­chen in die Nach­bar­zelle) gab es damals noch nicht.

Einbau in Fach­werk­statt, Prüfung im Fern­mel­deamt

Das Autotelefon B31-2 von TeKaDe war dreiteilig. Der Funkteil kam in den Kofferraum oder unter den Sitz. Das Autotelefon B31-2 von TeKaDe war dreiteilig. Der Funkteil kam in den Kofferraum oder unter den Sitz.
: Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Wer ein Mobil­telefon im Auto haben wollte, musste sich das von einer auto­risierten Funk­fach­werk­statt einbauen lassen und dann zur Abnah­meprü­fung zum regio­nalen Fern­mel­deamt fahren. Erst wenn die Post­beamten die Anlage ausführ­lich begut­achtet und durch­gemessen hatten, gab es eine amtliche "Zulas­sungs­urkunde für eine Funk­stelle des öBL" (später ömL) ("öbL" = öffent­lich beweg­licher Land­funk später "ömL" = öffent­lich mobiler Land­funk) und der Beamte pflanzte ein Steck­modul in das Gerät, was die eigene Rufnummer fest­legte (heute würde man dazu SIM-Karte sagen).

Hohe Gebühren

Bedienteil mit rotem Nummerndisplay, Modell B 31-2 für das B-Netz, Hersteller TeKaDe Fernmeldeapparate, Baujahr ab 1972 Bedienteil mit rotem Nummerndisplay, Modell B 31-2 für das B-Netz, Hersteller TeKaDe Fernmeldeapparate, Baujahr ab 1972
Foto: Museumsstiftung Post und Telekommunikation
Die monat­liche Grund­gebühr im B/B2-Netz betrug seiner­zeit 270 DM (ca. 135 Euro) dazu kamen die Minu­ten­preise, die an die Fest­netz-Tarife ange­lehnt und mit einem Funk­kanal­zuschlag versehen wurden.

Nicht abhör­sicher

Im B/B2-Netz erfolgte die Signal-Über­tra­gung zwischen Fest­sta­tion und Mobil­telefon in FM-Modu­lation, analog und unver­schlüs­selt. Das bedeu­tete, jeder, der einen passenden Empfänger für den Frequenz­bereich 148-162 MHz zur Hand hatte, konnte mithören. "Wich­tige" Personen, wie etwa Firmen­chefs oder Poli­tiker, verwen­deten sepa­rate Verschlüs­selungs­geräte, die auf beiden Seiten an den Tele­fon­hörer oder die Zulei­tung ange­klemmt werden mussten.

Schwarz­markt für Rufnum­mern

Wer sich damals ein Auto­telefon kaufen wollte, musste mit einem Kauf­preis von 12-15.000 DM (ca. 6000-7500 Euro) rechnen, zuzüg­lich Einbau und Abnahme. Da die Teil­neh­mer­zahl begrenzt war, bildete sich ein "Schwarz­markt" für Rufnum­mern. Wer sein Telefon abmelden oder verkaufen wollte, konnte unglaub­liche Preise für die Teil­neh­mer­berech­tigung (Zulas­sung mit Rufnummer) erzielen, die dem Vernehmen nach nahe am Kauf­preis des Tele­fons gelegen haben sollen.

Ende 1994/95

Da 1985 das analoge C-Netz mit SIM-Karte und Handover gestartet war, sanken die Teil­neh­mer­zahlen im B/B2-Netz allmäh­lich. Am 31. Dezember 1988 meldete die Bundes­post noch 24.382 Teil­nehmer bundes­weit und im Westen Berlins waren es noch 1.078 Teil­nehmer geblieben. Schließ­lich wurde das B/B2-Netz offi­ziell am 31. Dezember 1994 (de facto Anfang Januar 1995) abge­schaltet. Einige Kunden wech­selten bei dieser Gele­gen­heit gleich ins 1992 für Endkunden gestar­tete D-Netz von Telekom oder Mannes­mann (heute Voda­fone).

Wären diese Geräte heute noch nutzbar?

Die gezeigten Bilder vom TeKaDe Modell B31-2 hat uns freund­licher­weise die Muse­ums­stif­tung für Post und Tele­kom­muni­kation zur Verfü­gung gestellt.

Falls Sie auf einem Floh­markt ein solches Telefon finden sollten, geben sie ihm einen Ehren­platz in der Vitrine. Eine Inbe­trieb­nahme wird nicht mehr gelingen, da auf den dafür vorge­sehen Frequenzen in Deutsch­land heute private Hand­funk­geräte funken - z.B. im "Freenet"-Stan­dard bei 149 MHz für Jeder­mann (allge­meine Geneh­migung) oder Baufirmen, Taxi­unter­nehmen bei 150-160 MHz mit Frequenz­zutei­lung (=Funk­geneh­migung). Außerdem sind sämt­liche Basis­sta­tionen längst abge­baut oder durch moderne 4G oder 5G-Technik ersetzt worden.

Kunden im Tarif Magenta Eins Plus erhalten jetzt die Kündi­gung, da der Tarif einge­stellt wird.

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