Themenspezial: Verbraucher & Service Jubiläum

20 Jahre Google Deutschland: Von Datenskandal bis Bier

Deutsch­land ist für Google ein wich­tiger Standort. In Hamburg öffnete der Konzern vor 20 Jahren kurz nach Tokio sein zweites Büro außer­halb der USA. Inzwi­schen werden hier auch wich­tige Produkte program­miert.
Von dpa /

Die treusten Fans von Google sitzen in Deutsch­land. Das sagt zumin­dest die Statistik von Stat­counter. Treuer jeden­falls als in der ameri­kani­schen Heimat. Während in Deutsch­land 91 Prozent der Inter­net­nutzer Google ihre Such­anfragen anver­trauen, sind es in den USA "nur" rund 87 Prozent. Auch bei den Smart­phones setzen die Menschen in Deutsch­land mehr­heit­lich auf die Google-Karte und verwenden mehr­heit­lich ein Android-Gerät, während in den USA Apple mit seinem iPhone in Führung liegt.

Google ist in Deutsch­land aber nicht nur der allge­gen­wär­tige Inter­net­riese, der Such­anfragen beant­wortet, Cloud­dienste zur Verfü­gung stellt oder bei der Navi­gation zuver­lässig den Weg weist. Mit vier Stand­orten - Hamburg, Berlin, München und Frank­furt - und über 2500 Mitar­bei­terinnen und Mitar­bei­tern ist der Konzern ein wich­tiger Arbeit­geber. Indi­rekt hängen sogar hundert­tau­sende Jobs in Deutsch­land von dem US-Konzern ab.

Start­schuss vor 20 Jahren in Hamburg

Der erste Mitarbeiter für Google in Deutschland startete am  10. Oktober 2001 Der erste Mitarbeiter für Google in Deutschland startete am 10. Oktober 2001
Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka
Den Anfang machte Google am 10. Oktober 2001 in Hamburg in einem Miet­büro mit zwei Schreib­tischen. Hier ging es zunächst darum, einen Vertrieb für das Anzei­gen­geschäft aufzu­bauen. Inzwi­schen arbeiten in der Hanse­stadt rund 550 "Googler" in den Berei­chen Kommu­nika­tion, Recht, Marke­ting, Personal und Vertrieb.

Da die Hanse­stadt von den poli­tischen Entschei­dungen in Berlin zu weit weg war, zog zunächst Annette Kroeber-Riel 2007 in die Haupt­stadt, die heute Googles poli­tische Arbeit in ganz Europa leitet. Inzwi­schen kümmern sich mehr als 280 Mitar­beiter in Berlin nicht nur um die Politik, sondern auch um Bereiche wie YouTube, Künst­liche Intel­ligenz und Google für Start-ups.

Die Street-View-Krise 2010

Die neue Nähe zu poli­tischen Debatten konnte aller­dings nicht verhin­dern, dass Google 2010 mit seinen Kame­rawagen für Google Street View im über­tra­genen Sinne krachend vor die Mauer fuhr. Die Menschen hatten Google zwar inzwi­schen zu ihrer Lieb­lings-Such­maschine erkoren. Doch als die Google-Autos mit einem drei Meter hohen Kame­raaufbau durch die Straßen fuhren, bekamen viele ein mulmiges Gefühl.

Google sagte damals zu, die Gesichter von Passanten und Kenn­zei­chen auto­matisch zu verpi­xeln. Doch das reichte vielen nicht aus. Daten­schützer erreichten damals ein Vorab­wider­spruchs­recht. Damit konnten Betrof­fene bean­tragen, ihre Fassa­dens­ansichten verpi­xeln zu lassen. In der Folge wurden rund 250.000 Anträge einge­reicht und die Street View in manchen Gegenden quasi unbrauchbar gemacht.

Uner­laubte Daten­schnüf­felei

Verschärft wurde die Street-View-Krise 2010 durch einen hand­festen Daten­schutz-Skandal. Die Hamburger Daten­schützer entdeckten bei einer umfas­senden Analyse eine uner­laubte Daten­schnüf­felei. Dabei zeich­neten die Google-Autos im Vorbei­fahren auch den Daten­ver­kehr von unver­schlüs­selt betrie­benen WLAN-Hotspots auf. Das Unter­nehmen sprach von einem Versehen und einem persön­lichen Fehler eines Mitar­bei­ters.

Zehn Jahre später zog der Hambur­gische Daten­schutz­beauf­tragte Johannes Caspar diese Bilanz: "Die Ausein­ander­set­zung um Google Street View war der erste und gleich­zeitig der letzte Kampf der analogen Welt mit der macht­voll herauf­zie­henden digi­talen Moderne, die mit dem flächen­deckenden Einsatz von digi­taler Technik in die Alltags­welt vieler Menschen Einzug hielt."

Viel­leicht hat der Skandal von 2010 Google intern auch den Anstoß gegeben, ausge­rechnet Deutsch­land zu Schwer­punkt seiner Daten­schutz­bemü­hungen zu machen. Das Thema wurde in München ange­sie­delt. "Wenn wir Entwick­lerinnen und Entwickler in Deutsch­land haben, die verstehen, warum das Thema Daten­schutz so wichtig ist und dann auch mit einer gewissen Leiden­schaft an dem Thema arbeiten, dann kommt auch das bessere Produkt dabei raus. Und zwar nicht nur für Deutsch­land, sondern auch inter­national", sagt Wieland Holfelder. Er leitet seit 2008 den Engi­nee­ring-Bereich für Google in Deutsch­land.

Wichtig sei, dass Google trans­parent mache, wofür Daten verwendet werden und dass die Nutzer die Kontrolle haben, betont Holfelder. "Wenn ich meine Stand­ort­daten mit Google teile, dann kann mich Google darauf hinweisen, wann ich das Haus verlassen muss, um pünkt­lich am Flug­hafen oder beim nächsten Meeting zu sein, weil dann die Strecke zwischen meinem Aufent­haltsort und dem Ziel ange­schaut und dabei die Verkehrs­lage berück­sich­tigt werden kann."

München: Größter Standort und eigenes Bier

Inzwi­schen ist München mit mehr als 1500 Mitar­bei­tern der größte deut­sche Standort. Google München hat sogar ein eigenes Bier, "gBräu" wird von einem echten Münchner Brau­meister mit ameri­kani­schen Cascade Hopfen gebraut - streng nach dem Deut­schen Rein­heits­gebot.

Achim Berg, der Präsi­dent des Digi­tal­ver­bandes Bitkom, stellt fest, dass Google in Deutsch­land nicht nur einen Absatz­markt sehe, sondern auch einen Standort für Entwick­lung und Infra­struktur. "Das zeigt: Wir haben kluge Köpfe, nicht nur für die klas­sischen Indus­trien, sondern ebenso für die digi­tale Wirt­schaft."

Selbst der Bundes­daten­schutz­beauf­tragte Ulrich Kelber findet zum Jubi­läum zunächst freund­liche Worte und nennt Google einen "Welt­kon­zern mit span­nenden Produkten und großer Inno­vati­ons­kraft". Doch er kenne auch "die andere Seite nur zu gut": "Google verwendet jede Nutzung seiner Produkte, Services, Tools und Programm­biblio­theken für die Bildung von Daten­pro­filen der Bürge­rinnen und Bürger." Google habe aus seiner Sicht einen "Über­wachungs­kapi­talismus" einge­führt und baue ihn immer weiter aus.

"Digi­tale Dienste" auf EU-Ebene

Für eine Regu­lie­rung des Inter­net­riesen setzt sich auch der Akti­vist Markus Becke­dahl von netzpolitik.org ein: Google sei seit 2001 zu einem der mäch­tigsten Player der digi­talen Welt aufge­stiegen. "Das Unter­nehmen domi­niert unter anderem durch frühe Aufkäufe von mögli­chen Konkur­renten mehrere Märkte." Die Diskus­sion um das Geset­zes­paket "Digi­tale Dienste" auf EU-Ebene müsse genutzt werden, um die Markt­macht von Google und Co. wirksam zu begrenzen.

In einem anderen konflikt­träch­tigen Bereich zeichnet sich unter­dessen für Google etwas Entspan­nung ab, nämlich im Dauer­streit mit Verlagen in Deutsch­land. Mathias Döpfner, Präsi­dent des Bundes­ver­bandes Digi­tal­publisher und Zeitungs­ver­leger (BDZV) und Chef des Medi­enkon­zerns Axel Springer, sagte auf dem jüngsten BDZV-Kongress, bei den US-Platt­formen wachse die Erkenntnis, dass Medi­enin­halte nicht ohne kommer­zielle Gegen­leis­tung für kommer­zielle Zwecke genutzt werden können. "Google zeigt jetzt in Verhand­lungen ausdrück­lich: Sie sind lizen­zwillig. Das ist ein völlig neuer Ton", sagte Döpfner.

Global Player im Strea­ming ist Netflix. Kürz­lich veröf­fent­lichte der US-Konzern die Top-10-Serien- und Filme nach Klicks.

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