1&1 Versatel: "Brauchen Glasfaser für 5G"
1&1 Versatel-CEO Dr. Sören Trebst
Foto: 1&1 Versatel
1&1 Versatel betreibt eines der größten Glasfasernetze in Deutschland. Und das Netz wächst auch in Zukunft weiter. In diesem Zusammenhang ist ebenso die Anbindung an eine künftige 5G-Infrastruktur von 1&1 Drillisch von zentraler Bedeutung. Über konkrete Pläne und Herausforderungen sprechen wir im Interview mit 1&1 Versatel-CEO Dr. Sören Trebst.
1&1 Versatel-CEO Dr. Sören Trebst
Foto: 1&1 Versatel
teltarif.de: Herr Dr. Trebst, wie belastbar Infrastruktur ist, zeigt sich besonders in Krisenzeiten. Viele Arbeitnehmer wechselten aufgrund der Corona-Pandemie zum Beispiel mit Videokonferenzen ins Homeoffice, privat wurden Streaming-Dienste rege und länger genutzt. Welche konkreten Herausforderungen stellen sich vor diesem Hintergrund für Sie im Netz von 1&1 Versatel und was haben Sie als Netzbetreiber speziell aus dieser Krise an Erfahrung sammeln können?
Dr. Sören Trebst: Seit Beginn der Corona-Pandemie Anfang März 2020 stellen wir im Netz von 1&1 Versatel eine starke zusätzliche Nutzung von Internet- und Datendiensten fest. Auch das Telefonie-Aufkommen ist im Zuge der Pandemie stark angestiegen. Trotz dieses veränderten Bedarfs gab es bisher keine Beeinträchtigungen, die auf das erhöhte Nutzeraufkommen zurückzuführen sind. Den zusätzlichen Datenverbrauch können wir uneingeschränkt bedienen. Aus der aktuellen Situation können wir einige Lehren ziehen: Zum einen zeigt sich sehr deutlich, welche Bedeutung Telekommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft hat und welche Potenziale uns die Digitalisierung bietet. Gleichzeitig sehen wir derzeit aber auch, dass beim Auf- und Ausbau der hierfür benötigten Infrastruktur noch Nachholbedarf besteht. Die deutsche Wirtschaft braucht Glasfaser, aber der Zugang zu dieser Technologie ist noch lange keine Selbstverständlichkeit. Eine YouGov-Umfrage, die in unserem Auftrag zur Digitalisierung in Zeiten von Corona durchgeführt wurde, hat ergeben, dass derzeit bereits 23 Prozent der Unternehmen einen Glasfaseranschluss haben. 43 Prozent glauben, dass sie innerhalb der nächsten fünf Jahre einen brauchen werden.
teltarif.de: Der Glasfaserausbau hat bei zahlreichen Netzbetreibern hohe Priorität. Mussten bei 1&1 Versatel aufgrund der Pandemie größere Projekte verschoben werden?
Sören Trebst: Wir haben im Zuge der Pandemie ganz im Gegenteil zahlreiche strategische Initiativen gestartet. In einer Zeit, in der alle auf digitale Lösungen angewiesen sind, haben wir unser Know-how aktiv in den Markt getragen und unsere Kunden in besonderem Maße unterstützt. Wir haben Telefonkapazitäten kurzfristig massiv erhöht, zusätzliche Sprachkanäle eingerichtet, Bandbreitenupgrades bereitgestellt, IT- und Telekommunikationsinfrastrukturen für Homeoffice geschaffen und innerhalb kürzester Zeit mehrere Tausend VPN-Zugänge realisiert. Wo möglich haben wir zudem priorisiert Glasfaser-Anschlüsse bereitgestellt. Auch unseren Kunden aus den von Bund und Ländern als kritische Infrastrukturen definierten Sektoren standen wir eng zur Seite – dazu gehören zum Beispiel Energie, Gesundheit sowie Staat und Verwaltung. Als Telekommunikationsanbieter tragen wir eine besondere Verantwortung, und dieser werden wir auch in Krisenzeiten gerecht.
teltarif.de: Wie schnell man Glasfaser ausbauen kann, hängt natürlich stark vom Verlegeverfahren ab. Ein wichtiges Stichwort ist hier das sogenannte "Micro-Trenching", auf welches beispielsweise die Deutsche Telekom setzt. In anderen Ländern werden auch verstärkt oberirdische Leitungen verlegt, gleiches gilt für den Zugang zu Häusern an der Außenfassade. Wie bewerten Sie diese Verfahren?
Sören Trebst: Wir schöpfen beim Glasfaserausbau das volle Repertoire aus und nutzen auch alternative Verlegemethoden. Dazu zählt auch das sogenannte Trenching. Allerdings stehen viele Städte und Gemeinden dem noch immer kritisch gegenüber – auch, weil bisher noch nicht alle Verfahren umfassend getestet wurden. Deshalb wird der Ausbau in alternativer Bauweise derzeit nur selten genehmigt. Bei der Anbindung von Gewerbegebieten sprechen wir immer intensiv mit den Städten und Kommunen über die Voraussetzungen vor Ort sowie deren Wünsche und suchen gemeinsam die optimale Lösung für die jeweiligen Gegebenheiten.
teltarif.de: Bei Glasfaseranschlüssen für Privatkunden setzt 1&1 auf das sogenannte "Open Access-Modell". Einfach ausgedrückt geht es darum, eigene Anschlüsse auf bereits ausgebauter Glasfaser-Infrastruktur von Mitbewerbern zu schalten. Das gleiche Prinzip existiert bei xDSL schon seit langer Zeit mit Kupferleitungen (z.B. die sogenannte "letzte Meile" im Netz der Deutschen Telekom). Wie geht es für Sie hier in diesem Jahr weiter?
Sören Trebst: Schon in naher Zukunft wird ein Großteil der deutschen Haushalte und Unternehmen Bandbreitenbedarfe haben, die mit Kupferleitungen nicht mehr gedeckt werden können. Gesellschaft und Wirtschaft benötigen daher flächendeckend leistungsfähige Glasfasernetze bis ins Gebäude. 1&1 Versatel treibt den Glasfaserausbau in Deutschland aktiv voran und erweitert zudem kontinuierlich den eigenen Glasfaser-Footprint. Da 1&1 Versatel der Infrastrukturanbieter der 1&1 Gruppe ist, profitiert davon auch unsere Konzernschwester. Fest steht aber: Der Glasfaserausbau kann nur gelingen, wenn alle Akteure und ausbauenden Unternehmen vernetzter denken und stärker an einem Strang ziehen. Hier setzt unsere nach dem Open-Access-Prinzip aufgebaute Aggregator-Plattform an: Indem wir regionale Netze an unsere Plattform anschließen, wird aus dem bestehenden "Flickenteppich" von Netzen verschiedener Betreiber – darunter auch die "Insellösungen" regionaler Anbieter – eine flächendeckende Glasfaser-Infrastruktur.
teltarif.de: Bleibt es bei "Open Access" oder wollen Sie auch per FTTH direkt zu den Kunden?
Sören Trebst: FTTH-Glasfaseranschlüsse für Geschäftskunden sind die Kernleistung von 1&1 Versatel. Mit möglichen Bandbreiten von bis zu 100 GBit/s ist Glasfaser die einzige Technologie, die den immer weiter steigenden Bandbreitenbedarf auch mittel- bis langfristig abdecken kann. Allerdings verpufft der Geschwindigkeitsvorteil wieder, wenn auf der letzten Meile Kupfer zum Einsatz kommt. Daher sind alle von uns realisierten Glasfaseranschlüsse FTTH – gehen also direkt bis ins Gebäude.
teltarif.de: Beim Thema 5G spielt die Glasfaser-Anbindung ebenfalls eine zentrale Rolle. Was bedeutet dies konkret für Sie insbesondere mit Blick auf ein potenzielles 5G-Netz von 1&1?
Sören Trebst: 1&1 Drillisch hat erfolgreich an der 5G-Frequenzauktion teilgenommen und damit die Voraussetzungen geschaffen, um sich als vierter Mobilfunkbetreiber in Deutschland zu etablieren. Aber auch für 5G brauchen wir Glasfaser: Eine wesentliche Voraussetzung für den 5G-Ausbau ist die Erschließung der Mobilfunkstationen mit Glasfaser und damit ein möglichst flächendeckendes Glasfasernetz.
teltarif.de: Welches Gewicht haben für Sie "Übergangstechnologien" wie beispielsweise VDSL-Vectoring mit G.fast oder das Kabelnetz? Beispielsweise vermarktet Ihr Mitbewerber Telefónica auch Kabelanschlüsse im Netz von Vodafone.
Sören Trebst: Unser Fokus bei 1&1 Versatel liegt auf Glasfaser. Aber natürlich umfasst unser Lösungsspektrum auch andere Übertragungstechnologien. So können im Rahmen von Redundanzkonzepten auch VDSL-Vectoring und damit Kupferleitungen zum Einsatz kommen. Unser Hauptziel ist und bleibt es jedoch, unseren Kunden die schnellste, stabilste und zukunftsfähigste Anbindung zur Verfügung zu stellen. Und das ist ganz klar Glasfaser.
teltarif.de: Telefónica investiert beim Thema Glasfaser in eine gemeinsame Netzausbaugesellschaft mit der Allianz. Sind solche Kooperationen letztendlich für alle Netzbetreiber unausweichlich?
Sören Trebst: Um in Deutschland eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur zu schaffen, müssen alle Anbieter den Ausbau im Schulterschluss vorantreiben. Indem wir bestehende Infrastrukturen gemeinsam nutzen, stärken wir den Ausbau komplementärer Glasfaserressourcen anstelle eines Überbaus. Daher setzt 1&1 Versatel bei der Netzerweiterung konsequent auf regionale Partnerschaften und Kooperationen mit Energieversorgern und Stadtwerken – zum Beispiel mit maßgeschneiderten Kooperationsmodellen oder mit der eben schon angesprochenen Open-Access-Plattform. Außerdem erschließen wir in Zusammenarbeit mit Städten und regionalen Wirtschaftsförderungen bereits seit 2015 systematisch Gewerbegebiete mit Glasfaser und schaffen so die Voraussetzung für die Digitalisierung der Unternehmen.
teltarif.de: Die heutige 1&1 Versatel ist unter anderem aus Stadtnetzbetreibern wie der citykom Münster hervorgegangen. Sind diese ehemaligen Strukturen für Sie heute beim Netzausbau nicht sogar ein großer Vorteil? Schließlich verlegen insbesondere Stadtnetzbetreiber FTTH direkt zum Kunden.
Sören Trebst: Es ist mit Sicherheit von Vorteil, dass wir die Sprache der Stadtnetzbetreiber sprechen – das ist eine unserer großen Stärken. Ich bin überzeugt, dass wir davon auch bei der Anbahnung und Umsetzung der eben beschriebenen Kooperationen profitieren.
teltarif.de: Wenn Sie eine Prognose abgeben müssten: Wie lange dauert es noch, bis wirklich alle Haushalte in Deutschland Teil der "Gigabit-Gesellschaft" werden und welche Maßnahmen sind hier dringend anzugehen?
Sören Trebst: Der Glasfaserausbau kann nur gemeinsam gelingen – und es gibt schon heute viele gute Ansätze, um bestehende Strukturen kooperativ zu nutzen. Jetzt kommt es darauf an, diese Ansätze smart zu einem großen Ganzen zusammenzuführen. Kooperationen, Open-Access-Plattformen und andere Formen der Zusammenarbeit müssen gestärkt und gefördert werden. Nur, wenn wir als Telekommunikationsanbieter Synergien nutzen, vernetzt denken und Hand in Hand zusammenarbeiten, werden wir erfolgreich sein.
teltarif.de: Herr Dr. Trebst, vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person: Dr. Sören Trebst
Dr. Sören Trebst ist seit April 2020 Chief Executive Officer von 1&1 Versatel. Er verfügt über langjährige Erfahrungen in der Telekommunikationsbranche – u.a. als Senior Vice President Network Operations von Vodafone Deutschland sowie als Verantwortlicher für den Breitband-Rollout von Kabel Deutschland. Zuvor war Sören Trebst nach ersten beruflichen Erfahrungen in der Automobilindustrie in unterschiedlichen Fach- und Führungspositionen mit fachlichem Schwerpunkt auf Telekommunikation bei der Unternehmensberatung McKinsey tätig.
In einem weiteren Interview sprachen wir mit Dr. Stephan Zimmermann über den Netzausbau von Deutsche Glasfaser.