Kritik an Entscheidung des Regulierers
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Ein Regulierer kann es nicht allen recht machen. Und in diesem Fall hat er es auch nicht:
Die Bundesnetzagentur in Bonn hat heute ihren Konsultationsentwurf zum VDSL Vectoring im Nahbereich
vorgelegt - und niemand ist zufrieden. Klar ist aber: Bei allen Einschätzungen die in diesem
Artikel folgen, handelt es sich nur um erste Reaktionen und Tendenzen. Der Konsultationsentwurf der Bundesnetzagentur hat
mehr als 230 eng beschriebene Seiten.
Die Deutsche Telekom bedauert in ihrer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion, dass der
Regulierungsentwurf der Bundesnetzagentur bedeute, dass die Telekom nicht sämtliche Nahbereiche ausbauen könne.
"Stattdessen haben die Wettbewerber in einigen Bereichen die Möglichkeit des exklusiven Vectoring-Ausbaus."
Damit sei nicht mehr sichergestellt, dass die notwendige Mischkalkulation aus rentablen und unwirtschaftlichen Gebieten möglich ist.
Telekom will neue Bedingungen für Nahbereichsausbau prüfen
Kritik an Entscheidung des Regulierers
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Allerdings räumte die Telekom ein, dass es erst einmal abzuwarten gilt, wie
stark die Wettbewerber tatsächlich ausbauen wollen und was das für die Kalkulation der Telekom bedeute. "Zudem muss die
Telekom ein weiteres Vorleistungsprodukt zur Verfügung stellen. Das bedeutet mehr Regulierung, mehr Aufwand und beeinflusst ebenfalls
Investitionsentscheidungen", beklagen die Bonner. Ein
Satz der Stellungnahme regt jedoch zum Nachdenken an:
"Ob unter diesen Bedingungen tatsächlich alle Nahbereiche versorgt werden können, müssen wir jetzt prüfen."
Man wolle der Verantwortung weiter nachkommen, den Menschen schnelle Internetanschlüssen zu bieten. "Den
Ausbau außerhalb der Nahbereiche treiben wir unverändert voran.
VATM sieht einseitige Benachteiligung der Wettbewerber
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Branchenverbandes VATM sieht
in dem heute vorgestellten Entscheidungsentwurf "keinen fairen Kompromiss".
Er kritisiert, dass das für den Wettbewerb zentrale Recht auf Entbündelung im Rahmen dieser
Regulierungsentscheidung erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs im
Telekommunikationsbereich gegen eine Investitionszusage des regulierten
Unternehmens aufgegeben wird. "Und dies obwohl sich die Telekom weder rechtsverbindlich zu einem
Ausbau von 50 MBit/s noch zu einem auch nur annähernd flächendeckenden
Ausbau bis 2018 verpflichtet hat."
Grützner kritisiert auch, dass der heutige Tag per Definition in der Entscheidung dafür ausschlaggebend ist,
wer bis 2018 dem Nahbereich mit Vectoring erschließen darf. Dazu werden die Stand heute mit VDSL ausgebauten
Kabelverzweiger gezählt und zur Bewertung herangezogen. "Mit dem Entscheidungsentwurf werden hunderte von
Kabelverzweiger, die bereits von Seiten der Wettbewerber in die Vectoring-Liste eingestellt und damit für Investitionen in den Breitbandausbau bereits vorgemerkt sind, nicht mehr berücksichtigt. Damit sichert der Entwurf nicht einmal den Status Quo der verbindlich zugesagten Breitbandinvestitionen der Wettbewerber", kritisiert er.
Auf Kritik stößt auch, dass die Wettbewerber sich bis Ende Mai kommenden Jahres verbindlich verpflichten müssen,
Gebiete die sie beanspruchen,
bis Ende 2017 auch auszubauen. "Für die Telekom [gilt] ein solches Ultimatum nicht, was die Investitionsmittel aus den ländlichen
Bereichen abzieht und sogar die Investitionen der Wettbewerber in Fördergebieten gegenüber der
Telekom erschwert. Die Regeln zu Ausbauverpflichtungen im Nahbereich wirken sich damit insgesamt einseitig zu Lasten der Wettbewerber aus."
Buglas sieht das Stocken des Glasfaserausbaus zugunsten von VDSL
Der Buglas (Bundesverband Glasfaseranschluss)
begrüßt in einer uns vorliegenden Stellungnahme,
dass die Bundesnetzagentur "dem Ansinnen der Telekom, die Nahbereiche der Hauptverteiler exklusiv mit Vectoring zu erschließen, eine Absage
erteilt und stattdessen versucht hat, für deren Erschließung wettbewerbskonforme und mit den Regelungen der ersten Vectoring-Entscheidung 'kompatible Vorgaben aufzustellen'". Hier endet dann aber auch
das Lob des Buglas, der sich den Glasfaserausbau auf die Fahnen geschrieben hat. Denn dieser, so
die Befürchtung, "dürfte sich durch den nun vorgelegten Regulierungsentwurf zumindest in den kommenden Jahren erheblich verlangsamen".
Durch die im Regulierungsentwurf enthaltenen Fristen für die Erschließung bislang nicht vom Wettbewerb ausgebauter
Hauptverteiler werde ein Großteil der Breitbandinvestitionen in den kommenden Jahren in den HVt-Ausbau und
damit in eine Brückentechnologie fließen, kritisiert Buglas-Geschäftsführer
Wolfgang Heer gegenüber unserer Redaktion.
"Dies mag die Breitbandversorgung in Deutschland allenfalls kurzfristig und in einigen wenigen Gebieten verbessern, dies jedoch zulasten dessen, was bereits mittelfristig zwingend notwendig ist."
Thüringens Wirtschaftsminister meldet rechtliche Bedenken an
Auch Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee
(SPD) sieht die BNetzA-Pläne kritisch. Wie die Nachrichtenagentur
dpa berichtet,
würde mit Vectoring zwar ein Schritt zum
schnelleren Internetausbau gemacht, die
vorgesehene Technik sei jedoch eine spätere Erhöhung
der Datengeschwindigkeit praktisch unmöglich. Zudem meldete er
auch rechtliche Bedenken an: Wettbewerbern der Telekom würde
teilweise der Zugang zu den Endkunden
versperrt, monierte der Minister.
Breko kritisiert Bundesnetzagentur scharf
Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) sieht den Entwurf "äußerst kritisch"
und hält ihn in dieser Form für ein fatales Signal in Richtung Wettbewerb. Die Telekom
dürfte das Exklusiv-Recht in den meisten Gebieten erhalten und die
Wettbewerber hätten nur unter hohen Hürden die Möglichkeit, den Verlust der
Kabelverzweiger in den Nahbereichen abzuwenden.
Wie auch die anderen Wettbewerbsverbände kritisiert der Breko, dass die Investitionen statt in
echte Glasfasernetze in VDSL Vectoring gelenkt werden. "Werden jetzt vor allem kurzfristig günstigere, kupferbasierte
Übergangslösungen gefördert, wird schon in wenigen Jahren ein weiterer, kostspieliger
Netzausbau notwendig und Deutschland in der Zwischenzeit im internationalen Vergleich abgehängt", betont Breko-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers. Er kritisiert auch die
Bundesnetzagentur scharf: "Entgegen ihrer Aussage, ihre Rolle als unabhängiger Regulierer und neutraler
Schiedsrichter nicht verlassen zu haben, hat sich die Bundesnetzagentur durch die Berücksichtigung
des inhaltlich weitgehend unverbindlichen Ausbauversprechens der Deutschen Telekom ganz
offensichtlich auf eine politisch gewollte Entscheidung eingelassen."