Kritik

Höttges: 1&1 arbeitet nach dem "Pippi-Langstrumpf-Prinzip"

Telekom-Chef Timo­theus Höttges geht mit seinem neuen Mobil­funk­wett­bewerber 1&1 hart ins Gericht: Der mache "sich die Welt, wie sie ihm gefällt".
Von der Quartalszahlen-PK der Telekom berichtet

Bei der Vorstel­lung der Quar­tals­zahlen ging Telekom-Chef Timo­theus Höttges auf die aktu­elle Entwick­lung in der Mobil­funk­land­schaft ein und verwen­dete deut­liche Worte. Höttges begrüßte die Verlän­gerung der Frequenz-Nutzungs­rechte durch die Bundes­netz­agentur, aber das sei eine "Mogel­packung", denn sie sei mit "völlig reali­täts­fernen Ausbau­for­derungen" verbunden. Die "werden teuer, der Spar­effekt verpufft".

Die Forde­rung nach einer Flächen­deckung gehe an Kunden­nut­zung vorbei und sei prak­tisch kaum umsetzbar, wetterte Höttges. 30 Prozent der Fläche in Deutsch­land seien Wald. 6,5 Prozent seien Natur­schutz­gebiete, wo es heute schon Riesen­pro­bleme bei der Suche nach Stand­orten und Bauge­neh­migungen gebe. In keinem Land der tech­nisch entwi­ckelten Welt gebe es solche Flächen­deckungs­auf­lagen. Aber, so räumte er ein, "wir werden uns anstrengen, diese enorme Heraus­for­derung" zu erfüllen. Wohl keine besten Freunde: Tim Höttges (Telekom, oben) und Ralph Dommermuth (1&1 unten) - Höttges wirft Horten von Frequenzen und Nichtstun vor Wohl keine besten Freunde: Tim Höttges (Telekom, oben) und Ralph Dommermuth (1&1 unten) - Höttges wirft Horten von Frequenzen und Nichtstun vor
Fotos: 1&1/Telekom, Montage: teltarif.de

1&1 mit Frei­fahrt­schein und dem Pipp-Lang­strumpf-Prinzip

Gar nicht glück­lich ist Höttges mit dem vierten Netz­betreiber: "Die 1&1 bekommt wieder mal ein Frei­fahrt­schein. Trotz wieder­holter Miss­ach­tung aller Auflagen und Zusagen sollen sie Frequenzen bekommen." 1&1 arbeite nach dem "Pippi-Lang­strumpf-Prinzip" also "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt". Von den aufer­legten Antennen habe das Unter­nehmen gerade mal 227 Antennen aufge­baut.

Aber Höttges wisse schon, woran das liege: "Schuld sind immer die andern. Ich warte jetzt nur noch darauf, dass sie das Wetter dafür verant­wort­lich machen. Und sie kommen mit ihrer Jammer­nummer durch! Warum hat das keine juris­tische Konse­quenzen? Warum hinter­fragt das niemand? Warum bekommt 1&1 poli­tische Unter­stüt­zung?"

Die drei etablierten Anbieter bemühten sich, nur einer könne machen, was er will, "dem scheinen die Auflagen egal zu sein" und er werde von der Politik weiter begüns­tigt.

Spek­trum liegt unge­nutzt rum

Höttges zählte auf: "1&1 hat groß­zügig Spek­trum bekommen, groß­zügige Fristen bekommen. Wie viele Antennen sind im Netz? Das zuge­teilte Spek­trum liegt unge­nutzt rum." Höttges weiter: Das vierte Netz schade allen Verbrau­chern. Das Unter­nehmen ruhe sich auf seinen "National-Roaming"-Verträgen aus und horte Frequenzen. Er wundere sich, wann jemand auf den Tisch haue? "Die anderen drei bauen eine 5-stel­lige Anzahl von Antennen pro Jahr, der andere nicht mal ein Zehntel. Das sei ein "fatales Signal für unsere Indus­trie, ein Schlag ins Gesicht."

Wird kein Spek­trum heraus­geben

Und Höttges gibt sich kämp­ferisch: "Wir werden alles tun, um im Sinne unserer Kunden, um alles Spek­trum zu behalten, das sind wir unseren Kunden schuldig." Hinter­grund ist der Vorschlag der Bundes­netz­agentur, dem vierten Netz­betreiber 2x5 MHz Band­breite unter­halb von 1000 MHz vermieten zu sollen.

Aus für Mobil­funk­infra­struk­tur­gesell­schaft: Welche Auswir­kungen hat das?

Das baldige "Aus" für die Mobil­funk­infra­struk­tur­gesell­schaft (MIG), die Ende 2025 aufge­löst werden soll, kommen­tierte Höttges auf Nach­frage von teltarif.de wie folgt: "Die MIG hat uns nicht behin­dert, aber ein privat­betrie­bener Ausbau (durch ein privates Unter­nehmen wie die Telekom) mit eigenem Team ist erfolgs­ver­spre­chender als so eine Admi­nis­tra­tion."

Die MIG habe nicht geschadet, sie habe eher geholfen, wenn auch nicht so stark wie erhofft. Höttges erwartet nach dem Ende direkte Unter­stüt­zung durch die Politik, bei dem Bemühen passende Liegen­schaften zu finden, beispiels­weise in Wäldern, Natur­schutz­gebieten oder auch bei örtli­chen Wider­ständen durch lokale Bürger­initia­tiven.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Dass der vierte Netz­betreiber der Branche "weh tut", ist nach­voll­ziehbar. Ein neuer Anbieter muss über den Preis in den Markt einsteigen, die etablierten Anbieter müssen ihre Preise niedrig lassen oder noch senken, also fehlt Geld für den ambi­tio­nierten Netz­ausbau, den die Bundes­netz­agentur als Kompen­sation für eine sonst noch teurere Auktion verlangt.

Dabei könnte die Telekom von den Ausbau­for­derungen durchaus profi­tieren, denn sie dürfte am ehesten in der Lage sein, ihre Sender auch in abge­legenen Regionen aufzu­bauen (wenn man sie lässt) und ihren jetzigen und zukünf­tigen Kunden damit ein Angebot zu machen, das die Mitbe­werber kaum oder lieber gar nicht erfüllen können oder wollen.

Damit könnte die Telekom ihren hohen Quali­täts­anspruch unter­mauern. 281.000 neue Mobil­funk­kunden zeigen ja, dass sie hier auf dem rich­tigen Weg ist.

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