Telefonkonferenz: Deutschlands erste Woche im Home Office
talkyoo-Gründer und -Geschäftsführer René Bormann
Bild: talkyoo
Aufgrund der Corona-Krise waren zahlreiche Arbeitnehmer und Unternehmer in Deutschland dazu gezwungen, im Home-Office zu arbeiten und mit Kollegen oder Geschäftspartnern über Telefonkonferenzen zu kommunizieren. Auch für die Anbieter von Telefonkonferenz-Diensten war dies eine große Herausforderung. Wir haben René Bormann, den Gründer und Geschäftsführer von talkyoo gebeten, einmal zu erzählen, wie er und seine Kollegen die Woche erlebt haben:
talkyoo-Gründer und -Geschäftsführer René Bormann
Bild: talkyoo
Vieles ist anders als vor zwei Wochen: keine Bundesliga, keine Schule, kein Vereinssport. Auch die Arbeitswelt erfährt einen schlagartigen Wandel. In vielen Unternehmen wird das Home Office eingeführt.
Mit der Einführung von dezentral arbeitenden Teams müssen häufig neue Form der Kommunikation eingeführt werden. Das Gespräch oder das Telefonat hat einige Vorteile gegenüber der E-Mail und die Telefonkonferenz ist ein gutes Medium für den mündlichen synchronen Austausch. Telefonkonferenzen sind für Kunden, die für Datenschutz sensibilisiert sind, nahezu ohne Alternative. Sie werden auch häufig als Ergänzung zu Videokonferenzen oder Desktopsharing Applikationen genutzt, da hier die Sprachübertragung besser ist. Besonders in Gebieten mit Potenzial beim Netzausbau.
Für talkyoo, einem Hamburger Anbieter von Telefonkonferenzen, war die erste Woche mit bundesweit geschlossenen Schulen mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Einerseits bereitet die Auslastung des Telefonnetzes zu uns Telekonferenzanbietern Herausforderungen. Die Netzübergänge der Telefongesellschaften zur Telekom sind überlastet. Viele Anrufer bleiben bereits im Telekom-Netz "stecken" – die Anrufe erreichen die Partner-Telefongesellschaften der Konferenz-Anbieter nicht.
Zusätzliche Einwahlnummern bereitgestellt
talkyoo stellt den Kunden per Newsletter und Webseite www.talkyoo.net/corona alternative Einwahlnummern zur Verfügung. Gleichfalls portiert talkyoo volumenstarke Einwahlnummern zu einer Partner-Telefongesellschaft, um die Auslastung an den Netzübergängen zu senken.
Die Sprachqualität der Telefonaten ist seit Montag im deutschen Telefonnetz stark eingebrochen. Aus gut informierten Kreisen des Telekom-Maschinenraums wird bekannt, dass die VoIP-Strecken der Telekom massiv überbucht sind. Beispielsweise werden 1-GBit-VoIP-Leitungen, die normal mit 6000 bis 7000 Gesprächen gefahren werden, derzeit mit 8000 bis 10 000 gleichzeitigen Anrufen belegt.
Diesen Einbruch der Sprachqualität stellt man schon bei Eins-zu-Eins-Gesprächen fest. Gleichfalls ist der Übergang aus dem Mobilfunk ins Festnetz in mehreren Bundesländern überlastet.
Gegen diese suboptimalen Sprachqualität sind alle Telefonkonferenzanbieter machtlos. Oder, wie man unter Fotografen sagt: "Du kannst aus einem Arsch, kein Gesicht machen!"
Mehr Konferenzen mit weniger Teilnehmern
talkyoo informiert Kunden, im Home Office ein Festnetztelefon zu nutzen. Die Telefonkonferenz-Plattform in Hamburg wird in dieser Woche stärker denn je genutzt. Nach Stunden des Grübelns werden in der Nacht zum Dienstag im Rechenzentrum Tatsachen geschaffen. Als Maßnahme wurden die DSP (Digitale Signalprozessoren) zum Mixen der Audio-Ströme in der Plattform verdoppelt. Am Mittwoch kamen immer noch viele Anrufe nicht in Hamburg an. Allerdings arbeiten natürlich auch die Telekom und die anderen Telefongesellschaften am Ausbau der Kapazitäten. Am Donnerstag griffen ebenfalls die Portierungsmaßnahmen – die Anzahl der gleichzeitigen Anrufe erhöhte sich.
Die Plattform stürzte ab, obwohl ausreichend DSP Ressourcen zur Verfügung standen. Das Nutzungsverhalten hat sich geändert. Vor der Corona-Situation wurden größere Konferenzen geführt, dafür hält die Plattform extra Verschaltungs-Kapazitäten für die DSPs pro Konferenz vor. Denn zu Beginn einer Konferenz ist nicht klar, wie viele Anrufer teilnehmen. Daher wird für jede Konferenz extra Verschaltungs-Kapazität reserviert, um große Konferenzen jederzeit zu ermöglichen. Durch deutschlandweites Home-Office hat sich der Bedarf für Konferenzen mit wenigen Teilnehmer dramatisch erhöht.
Die für große Konferenzen extra reservierte Verschaltungs-Kapazität (H110 TimeSlots) wird von kleinen Konferenzen nicht benötigt, aber trotzdem blockiert. Für die Anzahl der Anrufer in mehreren großen Konferenzen hätte die Plattform locker gereicht – doch durch die vielen kleinen Konferenzen führte es zum Knall. Nach fünf Minuten war talkyoo wieder live und schlauer.
Zweite Plattform: Jetzt 2400 Leitungen
In der Nacht zum Freitag wurde eine zweite Plattform aufgebaut und die Rufnummern über beide Plattformen verteilt. Seit Freitag früh stehen den Kunden 2400 (zweimal 1200) Leitungen zur Verfügung. Eine Woche zuvor waren es 960.
"Ich finde es geil, wenn viele Menschen auf der Plattform schnacken. Ich gebe alles, um jedem, der unsere Dienstleistung nutzen möchte dies zu ermöglichen", sagt René Bormann, Gründer und Geschäftsführer von talkyoo. Dieser intensive Ausbau ermöglicht talkyoo auch weiterhin Kunden aus einer längst vergangenen Ära zu pflegen. Wie teltarif.de berichtete, wurden die talkyoo Räume vor 10 Jahren kostenpflichtig. Bestandskunden aus der Zeit davor konnten auch in dieser ereignisreichen Woche ihre kostenlosen Räume nutzen.
Neben dem technischen Ausbau der Plattform und der Kommunikation mit den Partner-Telefongesellschaften hatte talkyoo auch mit einer deutlich intensiveren Kundenkommunikation zu tun. Bestehenden Kunden mussten Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit und Schwankung bei der Sprachqualität erklärt und Lösungswege aufgezeigt werden. Zudem wurden die Fragen der zahlreichen Neukunden beantwortet. talkyoo stellt Antworten per Hotline, E-Mail und im Chat zur Verfügung und ist gespannt auf die nächste Woche.