Experten wünschen mehr Kritik von Suchmaschinen bei Löschanfragen
Suchmaschinen sollten kritischer mit Löschanfragen umgehen
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Verbraucherschützer und Internet-Experten haben die
Betreiber von Suchmaschinen aufgefordert, seltener den Löschanträgen
von Bürgern in der Europäischen Union nachzugeben. Auf einem Treffen
des Experten-Beirats
[Link entfernt]
für Google zum "Recht auf Vergessenwerden" unter
dem Vorsitz von Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt verwiesen die
Sachverständigen in Berlin auf das öffentliche Interesse
an bestimmten Informationen, selbst wenn betroffene EU-Bürger diese
aus den Ergebnislisten entfernen lassen wollen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Mai entschieden, dass EU-Bürger Google dazu verpflichten können, Links zu unangenehmen Dingen aus ihrer Vergangenheit aus dem Netz verschwinden zu lassen. Google schaltete Ende Mai eine Website frei, auf der solche Anträge gestellt werden können. Die Informationen selbst müssen dabei von den Urhebern nicht entfernt werden. Es geht um Informationen, die nicht mehr relevant sind oder das Recht auf Privatsphäre verletzen.
Etwa 150 000 Anträge von Europäern bei Google eingegangen
Suchmaschinen sollten kritischer mit Löschanfragen umgehen
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Bislang bekam Google fast 150 000 Anträge von Europäern zur Löschung
von Suchergebnissen aus ihrer Vergangenheit. Aus Deutschland kamen
über 25 000 davon. Dabei seien insgesamt rund 42 Prozent der
beanstandeten Links aus den Suchergebnissen entfernt worden. In
Deutschland seien es 53 Prozent gewesen.
Michaela Zinke vom Verbraucherzentrale Bundesverband forderte eine konsequente Prüfung, ob ein Löschantrag tatsächlich eine Information über einen Bürger als private Person betreffe. So könne beispielsweise die Bewertung eines privaten Anwenders auf der Handelsplattform Ebay durchaus im öffentlichen Interesse sein. Matthias Spielkamp, Vorstandsmitglied von "Reporter ohne Grenzen", verlangte, dass journalistische Inhalte generell von Link-Entfernungen ausgenommen werden sollten. Die Publisher der verlinkten Inhalte sollten vor einer möglichen Löschung des Links angehört werden.
Nach dem EuGH-Urteil: Kein generelles "Recht auf Vergessen"
Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin und Verfassungsrechtler, sagte, in Europa gebe es die Tendenz, zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten auszugleichen. "Das EuGH-Urteil fügt eine neue Ebene in diesem Balanceakt hinzu, nämlich wie mit bereits veröffentlichtem Material umgegangen wird." Dies könne auch die Frage beeinflussen, was überhaupt veröffentlicht werden darf. Die Pressefreiheit könnte dadurch gestärkt werden. Auch Buermeyer sprach sich dafür aus, vor der Filterung von Suchergebnissen alle betroffenen Seiten zu hören.
Moritz Karg, Referent beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, betonte, es gebe auch nach dem EuGH-Urteil kein generelles "Recht auf Vergessen", sondern lediglich das Recht eines Bürgers auf einen Einspruch über die Verarbeitung seiner persönlichen Daten. "Das EuGH-Urteil gilt außerdem nur für Suchmaschinen, nicht für Portale wie Wikipedia", sagte Karg. Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales, der im Expertenrat von Google sitzt, widersprach dieser Einschätzung, da auch Links der Suchmaschinen auf das Online-Lexikon unterdrückt werden könnten.
Neben Wales gehören sieben weitere Mitglieder dem Gremium an, darunter die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und der Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats, Frank La Rue.