Fußball-WM: Sind die Einschaltquoten wirklich so schlecht?
Die aktuell laufende Fußball-WM in Katar ist anders - und das nicht nur, weil sie erstmals nicht im Sommer stattfindet. Nie gab es im Vorfeld eines Sportevents derart viele Aufrufe, das Ereignis zu ignorieren oder aktiv zu boykottieren. Hintergrund ist, dass die FIFA mächtig in der Kritik steht, das Großevent an ein Land vergeben zu haben, in dem Menschenrechte eingeschränkt sind. Den Hashtag #BoycottQuatar2022 sieht man überall in Deutschland - an Kulturzentren, an Kneipen, selbst an Fußballstadien oder den Geschäftsstellen der Fußballvereine.
Miese TV-Quoten
Bei der Fußball-WM in Katar wird mehr gestreamt
Bild: teltarif.de
Und auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden tatsächlich zahlreiche Fußballfans den Boykottaufrufen folgen: Die Einschaltquoten der WM lagen bisher weit hinter vorangegangenen zurück. 6,21 Millionen Zuschauer haben im ZDF das Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador gesehen. Die WM-Eröffnung vor vier Jahren interessierte mehr als zehn Millionen, auch der Marktanteil war deutlich höher.
Die 1:2-Pleite der deutschen Nationalmannschaft in ihrem ersten WM-Spiel gegen Japan sahen nur 9,23 Millionen Fußball-Fans bei der ARD, der Marktanteil lag bei 59,7 Prozent. Bei der WM vor vier Jahren in Russland hatten das 0:1 zum Auftakt gegen Mexiko in Moskau 25,97 Millionen (Marktanteil: 81,6 Prozent) im ZDF gesehen. Auch viele andere Spiele der aktuellen Fußball-WM hatten vergleichsweise schlechte Quoten.
Streaming-Zuschauer werden nicht mitgezählt
Doch die Sache mit den Einschaltquoten hat einen gravierenden Haken. Die WM wird neben den öffentlich-rechtlichen Sendern auch bei der Telekom (Magenta TV) ausgestrahlt - einige Spiele zeigt die Telekom sogar exklusiv. Aber diese Zuschauer werden bei den Einschaltquoten nicht mitgerechnet.
Vor allem beim Spiel der Deutschen gegen Japan waren zudem viele Menschen noch auf der Arbeit, und zahlreiche dürften das Spiel nebenbei per Livestream am PC-Bildschirm oder Smartphone verfolgt haben, sofern der Arbeitgeber dies erlaubt hatte. Generell werden die Streaming-Zuschauer bei der Auswertung der Einschaltquoten aber außen vor gelassen.
Insgesamt hat Streaming im Jahr 2022 einen deutlich höheren Stellenwert als in vorangegangenen Fußball-WM-Jahren. Dank Portalen wie Zattoo oder waipu.tv haben sich viele von klassischen Rundfunkwegen wie Kabel oder Satellit getrennt. Vor diesem Hintergrund ist durchaus fraglich, welche Aussagekraft die TV-Einschaltquoten überhaupt noch haben.
Für die Streaming-These spricht auch, dass das zweite WM-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien weit mehr Zuschauer vor den Fernsehbildschirm lockte. Die Partie interessierte mit 17 Millionen Zuschauern erstmals mehr als zehn Millionen Menschen, da sie zu einer weit Fernseh-freundlicheren Zeit (20 Uhr) angepfiffen wurde als die Begegnung gegen Japan (14 Uhr). Auch die morgige entscheidende Partie der Deutschen um den Einzug ins Achtelfinale gegen Costa Rica läuft um 20 Uhr und wird im Free-TV in der ARD übertragen.
In einem weiteren Beitrag zur Fußball-WM haben wir analysiert, auf welchem TV-Verbreitungsweg die Tore zuerst fallen.