Richtlinie

Kurios: Call by Call durch Gesetz zur Bankenaufsicht gefährdet

Nimmt eine EU-Richtlinie deutschen Telekom-Kunden die Möglichkeit, mit Call by Call zu sparen? Der Branchenverband VATM hat entsprechende Befürchtungen und appelliert an die Politik.
Von Thorsten Neuhetzki

Gefahr für Call by Call Gefahr für Call by Call
Foto/Grafik: teltarif.de
Der Branchenverband VATM kleckert nicht, sondern klotzt gleich im ersten Satz einer aktuellen Pressemitteilung: "Wir brauchen jetzt die Hilfe der Politik. In Deutschland droht großer Schaden vor allem für ältere Menschen, besonders sparsame Telefonierer und Familien, die häufig im Ausland anrufen." Grund sei die Umsetzung einer Brüsseler Richtlinie zur Bankenaufsicht. Sie könnte offenbar dazu führen, dass Call by Call keine Zukunft mehr hat. Bei der Richtlinie geht es um die Verhinderung von Geldwäsche und offenbar um einer ganzen Reihe von Missverständnissen.

"Bei der Überarbeitung der Richtlinie wurde auf eine scheinbar unwichtige ausdrückliche Ausnahme für Telekommunikationsdienste verzichtet", so VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte er darüber hinaus, dass dieser entscheidende Satz, der für den deutschen Markt wichtig gewesen wäre, erst in der letzten Lesung gestrichen worden sei. Auf dieser Rechtsgrundlage habe das Bundeskabinett gestern den Entwurf [Link entfernt] des Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdienste­richtlinie (ZDUG) beschlossen.

Brüssel will Spielraum bei Umsetzung geben, den Deutschland nicht sieht

Gefahr für Call by Call Gefahr für Call by Call
Foto/Grafik: teltarif.de
"Sollte es ohne Nachbesserungen zur Umsetzung dieser Zahlungsdiensterichtlinie kommen, gefährdet dies die weiterhin sehr beliebte Nutzung von Call by Call", warnt Grützner. Zu diesen Nachbesserungen ist man aber in Brüssel offenbar nicht bereit, gleichzeitig wolle man keine Geschäftsmodelle gefährden. Vielmehr wolle man in Brüssel dem deutschen Gesetzgeber einen weiten Spielraum bei der nationalen Umsetzung geben. Doch der, so Grützner, sehe diese Möglichkeiten nicht. Die neuen Vorschriften würden nach Angaben des Verbandes die Abrechnung der Sparvorwahlen über die Telefonrechnung der Telekom unmöglich machen. Und das schon Ende des Jahres.

Wer genau in die Richtlinie schaut, sieht, dass es eine theoretische Möglichkeit gäbe, Call by Call weiter bestehen zu lassen. "Sofern der Wert einer Einzelzahlung 50 Euro nicht überschreitet und der kumulative Wert der Zahlungsvorgänge eines einzelnen Teilnehmers monatlich 300 Euro nicht überschreitet", reiche es aus, dass der Kunde jederzeit online seine aufgelaufenen Beträge einschauen könnte. Doch dem widersprechen laut Grützner zwei Fakten: Zum einen werden Call-by-Call-Verbindungen erst mit Zeitverzögerung an die Telekom zur Abrechnung gegeben (Offline-Billing) und auch die Kosten würden nicht live erfasst und zum anderen könne man nicht beim Erreichen von 50 Euro einfach die Verbindung trennen - weder technisch noch im Sinne eines ununterbrochenen Telefonates.

Call by Call immer noch wichtig

Call by Call wird in Deutschland noch immer viel stärker genutzt als in anderen EU-Ländern. "Deshalb brauchen wir in unserem Land zwingend weiterhin eine Sonderregelung. Das muss Brüssel verstehen und von der Bundesregierung bei der Umsetzung nun unterstützt werden", betont der VATM-Geschäftsführer. Rund 4,75 Milliarden Minuten telefonierten die Verbraucher auch 2016 noch über die Sparvorwahlen. Das sind 82 Minuten pro Monat und Telekom-Anschuss. Laut einer großen Untersuchung aus dem Jahr 2015 kamen Prof. Dr. Torsten Gerpott und Prof. Dr. Peter Winzer von Dialog Consult zu dem Ergebnis, dass jeder Call-by-Call- oder Preselection-Kunde durch die Dienste pro Jahr durchschnittlich über 100 Euro gegenüber Telekom-Tarifen spare. Pre-Selection wird oft, aber nicht immer über eigene Rechnungen der Anbieter abgerechnet. Außerdem bestehe die Gefahr, dass ohne Call by Call auch insbesondere die Preise für Auslandstelefonate bei der Telekom wieder steigen könnten, da die "disziplinierende Wirkung" von Call by Call wegfalle.

"Wir werden offen auf die Politik zugehen und werden sicher eine Lösung finden, die das Ziel des Gesetzes zur Bankenaufsicht erfüllt, ohne Call by Call und weiteren TK-Diensten zu schaden. Die Abrechnung durch die Telekom ist seit 20 Jahren durch einen Vertrag geregelt, der aufgrund seiner Verbraucherfreundlichkeit Vorbild für viele Länder in Europa geworden ist. Es muss gelingen, auf dieser Basis gemeinsam mit den Verbraucherschutzzentralen Call by Call für unsere Bürger zu erhalten“, unterstreicht VATM-Geschäftsführer Grützner. Schon 2015 hieß es:Für Call by Call gibt es keinen adäquaten Ersatz.

Vor allem bei Gesprächen ins Ausland oder zu deutschen Handys können die Kunden der Telekom durch Call by Call sparen. Wie viel? Schauen Sie selbst in unserem Tarifrechner.

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