1&1-Netz: Rückstand noch schlimmer als gedacht? (Update)
Diskussionen um Netzausbau in Weißen Flecken
Image licensed by Ingram Image, Logo: 1&1, Montage: teltarif.de
Seit Wochen ist der nur schleppende Aufbau des neuen Mobilfunknetzes von 1&1 Gesprächsthema. Klar ist, dass das Unternehmen die mit der Versteigerung der 5G-Frequenzen verbundenen Auflagen nicht fristgerecht erfüllt hat.
In den Medien werden nun weitere Versäumnisse von 1&1 bekannt, die die Zusammenarbeit des Unternehmens mit den drei bisherigen Netzbetreibern zur Versorgung Weißer Flecken betrifft.
Versprechungen auf Mobilfunkgipfel 2018
Diskussionen um Netzausbau in Weißen Flecken
Image licensed by Ingram Image, Logo: 1&1, Montage: teltarif.de
Im Sommer 2018 hat der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer einen großen Mobilfunkgipfel abgehalten. Damals wurden von den Beteiligten zwar viele Absichtserklärungen, aber eher weniger Verpflichtungen abgegeben.
Das Handelsblatt berichtet heute darüber, was 1&1-Chef Ralph Dommermuth damals versprochen haben soll. Dommermuth soll sich laut dem Bericht seinerzeit dazu bereit erklärt haben, bis zu 400 Masten in Funklöchern auf dem Land aufzustellen, und zwar in "Weißen Flecken". Die Telekom, Vodafone oder Telefónica sollten diese dann jeweils in ihre bestehenden Netze integrieren.
Das Fazit der Recherchen zeige nun: Bis zum Fristende am 31. Dezember 2021 stand laut Informationen des Blatts allerdings kein einziger dieser Masten.
Diskussion um die Gründe
Nach wie vor gibt es Diskussionen darüber, was die Gründe für den stark verzögerten 1&1-Netzausbau sind und welche Rolle die anderen Netzbetreiber dabei (vorgeblich oder tatsächlich) spielen.
Eine 1&1-Sprecherin hat dem Handelsblatt mitgeteilt, bislang seien sieben Standorte fertiggestellt worden. 32 Funktürme sollen sich "in Bau" befinden. Update: Bei 138 weiteren Standorte stehen die notwendigen Baugenehmigungen aus. Ende Update. 1&1 nennt als Grund der Verzögerungen komplizierte Abstimmungs- und Genehmigungsverfahren. Offenbar soll es sich "oft um besonders anspruchsvolle Standorte" handeln. Das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) soll die Frist für 1&1 darum verlängert haben.
Mitschuld der anderen Netzbetreiber?
Einen Teil der Verantwortung sieht 1&1 laut dem Bericht aber weiterhin bei den anderen Netzbetreibern. Der Bericht erweckt den Eindruck, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr könnte sich zumindest teilweise der Sichtweise von 1&1 angeschlossen haben.
"Umfassende und zeitaufwendige Abstimmungen mit den anderen Netzbetreibern" hätten laut einem BMDV-Sprecher den Prozess verzögert. Eine "stabile Ausgangslage für die konkrete Standortplanung“ soll darum erst im März 2021 vorgelegen haben. Telefónica dementiert das allerdings teilweise und teilte dem Blatt mit, dass man die Liste der Weißen Flecken "zügig nach dem Vertragsschluss" übermittelt habe.
Die inzwischen höheren Ausbaukosten sollen laut dem Ministerium nun zur Folge haben, dass man mit maximal 200 neuen Antennenstandorten rechnen könne, die 1&1 im Rahmen der damaligen Vereinbarung errichtet.
Update 30. Mai: Die Stellungnahme von 1&1
In Reaktion auf unseren obigen Bericht schickt uns 1&1 folgende Stellungnahme:
Nach der erfolgreichen Teilnahme an der 5G-Frequenzauktion haben wir uns 2019 bereit erklärt, parallel zum Ausbau unserer eigenen Netzinfrastruktur in städtischen Gebieten auch zu einer besseren Mobilfunkversorgung in ländlichen Regionen beizutragen. Da im Rahmen der 5G-Auktion keine sogenannten Flächenfrequenzen versteigert wurden, kann 1&1 ländliche Regionen derzeit noch nicht selbst versorgen. Deswegen errichtet 1&1 nach Vorgabe der etablierten Netzbetreiber neue Antennenstandorte, die anschließend Vodafone, Telefónica und Deutsche Telekom zur Nutzung bereitgestellt werden, da derzeit nur diese über Flächenfrequenzen verfügen.Ende des Updates.Im Gegenzug für die Verpflichtung zum Ausbau sogenannter „weißer Flecken“ in ländlichen Regionen wurde 1&1 genau wie allen anderen Netzbetreibern die zinslose Ratenzahlung für die Kosten der erworbenen 5G-Frequenzen ermöglicht. Der Zinsvorteil definiert die in den weißen Flecken zu erbringenden Investitionen.
Um möglichst viele Standorte zur Nutzung durch die drei etablierten Netzbetreiber zu realisieren, gingen Regierung und Unternehmen initial davon aus, dass eine gewisse Anzahl von Dachstandorten errichtet wird. Dachstandorte sind durchweg günstiger und schneller zu errichten als freistehende Funktürme. Letztendlich wurde allerdings aufgrund der Standortwünsche von Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica weit überwiegend der Bau von Funktürmen nötig. Die Realisierung neuer Funktürme führt unweigerlich zu längeren Realisierungszeiten und zu höheren Kosten als bei Dachstandorten. Mit der vertraglich vereinbarten Investitionssumme wird 1&1 ca. 180 neue Masten in weißen Flecken errichten können.
Nach der abschließenden Klärung der Standortwünsche von Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica im März 2021 konnten zwischenzeitlich sieben Standorte fertiggestellt werden. 32 weitere Funktürme befinden sich in Bau. Bei 138 Standorten stehen die notwendigen Baugenehmigungen aus.
Bei den von den etablierten Anbietern benötigten, aber bisher von ihnen selbst nicht realisierten Standorten, handelt es sich oft um besonders anspruchsvolle Standorte. Hauptgründe für Verzögerungen sind fehlende Vermietbereitschaft von geeigneten Flächen sowie Bürgerinitiativen, die dem Bau neuer Antennenstandorte entgegentreten. Hinzu kommen oft langwierige Genehmigungsverfahren.
1&1 hatte kürzlich gefordert, dass Telekom-Kunden bei Vodafone, o2 oder 1&1 und jeweils umgekehrt roamen können. Die etablierten Netzbetreiber finden das weniger gut.