Helium will dezentrales Netzwerk für Geräte
Das Internet der Dinge (IoT) ist in aller Munde. Der Mülleimer, der per Funk um Leerung bittet. Der Transport-Container, der unterwegs Auskunft gibt, ob seine Kühlung noch funktioniert. Stehende oder fahrende Autos, Anhänger, Laster, Baumaschinen: Alles soll vernetzt werden, jederzeit, überall, und das soll natürlich möglichst nichts kosten.
Alle rüsten auf
Für die Vernetzung wurden und werden die 4G-Netze aufgerüstet und um 5G erweitert, doch dafür braucht man SIM-Karten und Verträge mit Mobilfunkanbietern, und das scheint vielen Nutzern zu kompliziert, zu umständlich oder zu teuer zu sein.
Über ein IoT-Netz wie "Helium" sollen sich Gegenstände wie Fahrräder, Roller, Skateboard und andere Sachen wiederfinden lassen.
Grafik: Helium-Networks
Günstige IoT-Netze mit "kostenlosen" Frequenzen?
Günstigere IoT-Netzwerke sind nichts Neues. Mit einem günstigen Konzept ist der Anbieter Sigfox gestartet, der bevorzugt im genehmigungsfreien Frequenzbändern (ISM) funkt, wo sich heimische WLANs, Computer-Mäuse, schnurlose Tastaturen, Funk-Autoschlüssel, Fernbedienungen aller Art oder Baby-Monitore tummeln. Ob die Nachrichten auf diesen Frequenzen irgendwann, zuverlässig und vollständig ankommen, weiß niemand so recht.
Ungeduld schuf LoRaWAN
Weil das auf 4G aufbauende NB-IoT-Protokoll (Schmalband-Internet der Dinge) nicht rechtzeitig fertig wurde, entstand die LoRaWAN-Allianz (Long Range Wide Area Network), an der auch die renommierte Swisscom teilnimmt und die sich in der Industrie einer gewissen Beliebtheit erfreut.
Sicher Netze mit NB-IoT oder LTE-M
Längst gibt es bei den etablierten Mobilfunk-Anbietern in Europa NB-IoT für geringe Bandbreite oder LTE-M für höhere Bandbreiten, sofern man nicht auf das klassische Mobilfunknetz mit GSM (2G), UMTS (3G), LTE (4G) oder 5G setzt.
Neu dabei: Helium
Mit dem Tracker im Hundehalsband könnte der Hund Charlie über Helium oder ein anderes IoT-Netz "wiedergefunden" werden.
Bild: Helium-Networks
Und nun kommt Helium ein "Netzwerk", wo sich IoT-Geräte "stromsparend und kosteneffizient" mit dem Internet verbinden können sollen. Helium will in seinem "innovativen Konzept Blockchain-Technologie, Kryptowährung und einen dezentralen Ansatz, ein Netzwerk für IoT-Geräte" aufbauen. Helium braucht aber das bereits bestehende (feste) Internet. Der Nutzer baut einfach einen (weiteren) Minirouter von Helium in seiner Wohnung auf und bucht sich damit in das feste Internet ein.
Die Idee dahinter ist, dass alle Helium-Router sich untereinander vernetzen und somit ein günstiges Netz aufgebaut wird, wo eigentlich nur Kosten für den Kauf des Helium-Routers entstehen sollten, das "normale" Netz ist ja schon eh da. Über das Netz können Smart-Home-Geräte gesteuert oder Haustiere "verfolgt" werden, auch wenn sie auf Entdeckungstour gehen, so die Idee.
Konkrete technische Infos gibt es wenig, dafür viel blumige Rhetorik und ein nettes Video in englischer Sprache.
Ungeahnte Reichweite durch "LongFi"
Ein Helium Hotspot soll dank „LongFi“-Technologie bis zu hunderte Quadratkilometer abdecken können und würde damit dem Internet of Things (IoT) neue Möglichkeiten eröffnen.
In den USA seien mit den Helium-Hotspots bereits in mehr als 1000 Städten erfolgreich Netzwerke für IoT-Geräte aufgebaut worden, erklärt der Anbieter. Nun sind die Helium Hotspots auch in Europa erhältlich und versprechen eine "extrem hohe Reichweite". Da auch Privatpersonen die Helium Hotspots kaufen und betreiben können sollen, bliebe das Netzwerk in den Händen der Nutzer – weswegen Helium es das "People’s Network" nennt.
Helium sieht sich als weltweit ersten Anbieter eines drahtlosen Peer-to-Peer Netzwerks für IoT-Geräte und wurde von Napster-Mitgründer Shawn Fanning gegründet.
Das Netz der Leute
Helium Mitgründer Shawn Fanning war auch Miterfinder des Musik-Streaming-Angebotes Napster
Foto: Helium Networks
Seine Idee ist, dass möglichst viele Privatpersonen und Firmenkunden einen Helium-Hotspot kaufen und daraus ein drahtloses Netzwerk "bauen", das IoT-Geräten in ihrer Umgebung zur Vernetzung dient und die Verbindung der IoT-Geräte zum Internet herstellt. Der Hotspot bzw. sein drahtloses Netzwerk soll sowohl Smart-Home- als auch IoT-Geräte unterstützen. Von smarten Halsbändern für Haustiere, Lieferservices, smarten Fahrrädern, E-Scootern, medizinischer Logistik und Tracking-Geräten bis hin zu intelligenten Kühl- oder Lichtsystemen seien die Nutzungsmöglichkeiten weitreichend. Über das Netzwerk der Leute ("People’s Network") sollen sich IoT-Geräte sehr stromsparend und sehr kosteneffizient einbinden lassen.
Etwas Technik
Die „LongFi“-Technologie von Helium sei Open Source und soll Daten über "äußerst große Distanzen" senden und empfangen können. LongFi ist eine Kombination des LoRaWAN-Protokolls und der Helium Blockchain. Die Technik würde es IoT-Geräten ermöglichen, Daten über 200 mal weiter zu senden als WLAN. Das bedeutet aber nicht, dass der Router eine größere Funkreichweite hat, sondern, dass die Daten an weitere Router in der Nähe weitergegeben werden. Damit die Leute "mitmachen", sollen zur Belohnung Helium Network Token (HNT) vergeben werden, das sei eine Kryptowährung, die man vielleicht auch zum Bezahlen der Datenübertragungen verwenden könnte.
Der Helium-Router wird wahlweise über ein LAN-Kabel (Ethernet) oder WiFi/WLAN mit dem bereits vorhandenen Internet-Router verbunden. Eine App fürs Handy (iOS oder Android) soll dann die Konfiguration des Hotspots übernehmen. Dabei soll es etwa 24-72 Stunden dauern, bis der eigene Helium-Hotspot im Netz "bekannt" ist. Das ist notwendig, damit man seine eigenen smarten Endgeräte (die man gesondert kaufen muss) im gesamten "Netz" auch nutzen kann. Damit die Daten nicht "verloren" gehen oder "geklaut" werden, kommt sogenannte "Blockchain"-Technologie zum Einsatz.
Teurer Router
Der Preis für den Helium-Hotspot soll einmalig 450 Euro betragen, wer 15 oder noch mehr kauft, soll einen Rabtatt bekommen. Zum Übertragen von Daten ist, wie bereits erwähnt, noch ein Data-Credit erforderlich, den mal wohl in harter Währung extra kaufen muss, möglicherweise kann dafür auch die Helium eigene Crypto-Währung HNT verwendet werden.
Helium argumentiert, dass die Nutzung nur einen Bruchteil dessen kosten würde, was bei der Nutzung des mobilen Internets über die Mobilfunknetze anfallen würde. Darüber hinaus vereinfache "LongFi" die Verbindung von IoT-Geräten mit dem Internet. Und schließlich würden die Betreiber der Helium Hotspots dafür belohnt, dass sie Teil des People’s Network würden.
Eine Einschätzung
Die Idee mag einleuchtend sein, neu ist sie nicht: Ein Netz von Routern in privater Hand, die untereinander über das klassische Internet oder über genehmigungsfreien Funk verbunden sind. Nur sind die Einstiegkosten sehr hoch, und am Anfang wird man weit und breit keinen anderen Teilnehmer finden, dessen Router man mitbenutzen könnte. Die Enttäuschung ist da schnell vorprogrammiert.
Schon beute bieten Telekom oder Vodafone ihren Kunden die Möglichkeit, das WLAN anderer Kunden mitnutzen zu können, indem der vorhandene Router denen einen abgekapselten Hotspot anbietet. Nur sind wir ehrlich: Die Reichweiten von WLAN auf 2,4 oder gar 5 GHz sind wegen der Physik eng begrenzt und viele Nutzer sind froh, wenn ihre Wohnungen oder Häuser einigermaßen abgedeckt werden. Da bleibt für Leute draußen auf der Straße kaum noch was übrig. Wird das mit Helium jetzt anders?
Diese Hotspots können die Kunden der genannten Netzbetreiber kostenlos nutzen, wenn sie im Gegenzug ihren eigenen Router "frei geben". Den Router haben sie vielleicht vom Netzbetreiber für günstiges Geld bekommen oder für 100-200 Euro selbst gekauft. Damit kann man heute schon Smart-Home-Geräte betreiben.
Wer will nun seinen Hund "suchen" oder den Kühlschrank steuern und dafür zunächst noch einmal 450 Euro für einen weiteren Router ausgeben? Was die Datenpakete kosten sollen, ist auch nicht ganz klar.
Ganz ehrlich: Ich gebe diesem gut gemeinten Projekt wenig Chancen. Wer viel unterwegs ist, sollte einen etablierten Mobilfunkanbieter wählen, der auf reservierten und geschützten Frequenzen eine langsam immer besser werdende Netzabdeckung bietet und aufgrund seiner regelmäßigen Einnahmen auch ein Interesse daran hat, sein Netz immer besser auszubauen.
Wer den Community-Gedanken toll findet, der bekommt für weitaus viel weniger Geld bei den "Freifunk"-Netzen viel mehr "Netz" für wenig Geld als beim Neuling Helium.