Themenspezial: Handy-Fotografie Technologie

Handy-Kamera: Fachbegriffe erklärt - von Blende bis Sensor

Beim Wett­eifern um die beste Smart­phone-Kamera über­schütten die Hersteller die Nutzer mit immer mehr tech­nischen Bezeich­nungen. Wir verraten, was es mit Blende, Sensor, Brenn­weite, Auto­fokus und Co. auf sich hat.
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Die Hersteller bewerben ihre Smart­phones unter anderem mit deren Foto­grafie-Eigen­schaften, dabei fällt es manchmal schwer, im Dschungel der Fach­begriffe den Über­blick zu behalten. Wir wollen die Hiero­gly­phen rund um Begriffe wie PDAF, OIS und ToF entschlüs­seln. Ferner schil­dern wir die Bedeu­tung geläu­figer Angaben wie Mega­pixel, Blende und Sensor. So wissen Sie ganz genau, was Sie beim nächsten Smart­phone-Kauf in puncto Kamera beachten sollten. Außerdem klären wir die Frage, ob viele Mega­pixel wirk­lich sinn­voll sind.

Die Puzzle­teile der Smart­phone-Kamera

Smartphone-Kamerasystem Smartphone-Kamerasystem
Andre Reinhardt
Eine Kamera, egal ob am Handy oder als eigen­stän­diges Gerät, setzt sich aus vielerlei Kompo­nenten zusammen, die harmo­nisch mitein­ander arbeiten müssen, um ein gutes Ergebnis zu produ­zieren. Vorne ist stets das Objektiv ange­bracht. Ein wich­tiges Merkmal dessen ist die Blende. Hinter der Optik verbirgt sich der Sensor. Auf diesem Chip ist das Auto­fokus­system instal­liert. Sowohl Sensor als auch Objektiv können durch einen Bild­sta­bili­sator beweg­lich gela­gert sein, um Verwack­lungen vorzu­beugen. Diese Bauteile und weitere Eigen­schaften schil­dern wir in den folgenden Zeilen genauer.

Objektiv – das Auge der Kamera

Weitwinkel-Objektiv Weitwinkel-Objektiv
Andre Reinhardt
Hierbei handelt es sich um eine Konstruk­tion aus mehreren opti­schen Linsen. Es gibt Sammel­linsen und Zerstreu­ungs­linsen. Erst­genannte bündeln einfal­lendes Licht, letzt­genannte verteilen es. Die Form der Linse, konkav oder konvex, sowie das Mate­rial sind weitere wich­tige Spezi­fika­tionen. Die Art und der Abstand der einzelnen Elemente zuein­ander bestimmen die Klas­sifi­zie­rung des Objek­tivs. So entstehen etwa Weit­winkel für normale Schnapp­schüsse, Ultra­weit­winkel für ein großes Sicht­feld oder Tele für das Foto­gra­fieren weit entfernter Motive.

Blende – die Sehkraft der Kamera

Am Objektiv ist vorne stets eine Blende ange­bracht. Jene stellt eine mecha­nische Vorrich­tung dar, welche bestimmt, wie viel Licht auf den Sensor trifft. Eine große Blen­den­öff­nung lässt auf ein licht­starkes Objektiv schließen. Dabei gilt es zu beachten, dass nied­rigere Werte bei den Spezi­fika­tionen eine höhere Licht­durch­läs­sig­keit beschreiben. Beispiels­weise ist eine f/1.8 Blende licht­stärker als eine f/2.4 Blende. Bedingt durch die vergleichs­weise oftmals kleinen Objek­tive und Sensoren der Handy-Kameras ist eine möglichst große Blende beson­ders essen­ziell.

Brenn­weite – Distanz­wahr­neh­mung der Kamera

Ultraweitwinkel-Objektiv Ultraweitwinkel-Objektiv
Andre Reinhardt
Oftmals sind im Smart­phone-Daten­blatt Milli­meter-Angaben im Bezug auf die Kamera vorzu­finden. Diese verstehen sich als Klein­bild­äqui­valent. Es wird also umge­rechnet, welche Brenn­weite ein Objektiv an einer Kamera mit Voll­for­mat­sensor haben müsste, um denselben Bild­winkel und Bild­aus­schnitt zu errei­chen. Diese Umrech­nung hat sich als Stan­dard bei der Foto­grafie durch­gesetzt, um die Möglich­keiten eines Objek­tivs bei verschie­denen Sensor­größen zu verglei­chen. Je kürzer eine Brenn­weite, desto weiter entfernt sieht man das Motiv.

Sensor, Auflö­sung und Auto­fokus

Sensor – das Gehirn der Kamera

Kamera-Sensor Isocell GN1 Kamera-Sensor Isocell GN1
Samsung
Der Bild­sensor, auch Bild­wandler oder Kamera-Sensor genannt, ist ein elek­tro­nischer Chip, welcher in Smart­phones und Digi­tal­kameras den Film ersetzt. Auf diesem Chip werden die Eindrücke des Objek­tivs einge­fangen und mithilfe des Bild­pro­zes­sors verar­beitet. Anschlie­ßend wird das Ergebnis auf dem Flash-Spei­cher oder der Spei­cher­karte des Mobil­geräts gespei­chert. Auf dem Bild­sensor befinden sich die einzelnen Bild­punkte, aus denen sich das fertige Foto / Video zusam­men­setzt.

Je größer der Sensor, desto größer können auch dessen einzelne Pixel sein. Das wiederum führt zu einer höheren Licht­aus­beute und damit einher­gehend (theo­retisch) besseren Bild­qua­lität. Aller­dings spielen beim Endre­sultat auch die anderen Kompo­nenten wie das Objektiv, die Soft­ware und die Auflö­sung, eine wich­tige Rolle. Die Sensor­fläche wird in Zoll ange­geben. Ein Chip mit 1/1,3“ ist deut­lich größer als einer mit 1/2,8“.

Auflö­sung – Größe des digi­talen Bildes

Pixel mit Bayerfilter Pixel mit Bayerfilter
Samsung
Ein wich­tiger, wenn­gleich nicht der wich­tigste Aspekt einer Kamera ist die Foto­auf­lösung, ange­geben in Mega­pixel. Dabei setzt sich ein Mega­pixel aus einer Million Bild­punkten zusammen. Heutige Smart­phone-Knipsen besitzen Sensoren mit bis zu 108 Mega­pixel (etwa das Galaxy S22 Ultra), Module mit 192  Mega­pixel und mehr errei­chen demnächst den Markt. Je mehr Bild­punkte sich auf einem iden­tisch dimen­sio­nierten Bild­wandler befinden, desto kleiner und licht­schwä­cher sind diese.

Theo­retisch würden extrem hohe Auflö­sungen also nur bei sehr großen Chips Sinn ergeben. Die Hersteller nutzen aller­dings ein Verfahren namens Pixel-Binning, um einen Mehr­wert aus der hohen Auflö­sung zu schöpfen. Es werden mehrere benach­barte Bild­punkte zusam­men­gefasst, um einen größeren Bild­punkt zu simu­lieren. So kann etwa eine 108-MP-Kamera 12 MP große Fotos in guter Qualität liefern. In nativer Auflö­sung sind die Bilder beispiels­weise bei Plakat­dru­cken oder Teil­aus­schnitte eines Fotos (Crops) nütz­lich.

Auto­fokus – Scharf­stellen der Fotos

In der Regel erfolgt die Scharf­stel­lung bei Smart­phones durch beweg­liche Objek­tive und auto­mati­sche Mess­sys­teme. Es gibt zwar in manchen Kamera-Apps auch die Möglich­keit, Fotos manuell scharf­zustellen, doch selbst mit Foto­grafie-Erfah­rung kostet das Zeit. Diese Prozedur eignet sich also nicht für flüch­tige Motive. Wenn eine Smart­phone-Kamera mit „AF“ gekenn­zeichnet ist, verfügt sie über eine schlichte auto­mati­sche Fokus­sie­rung. Ist sie mit „PDAF“ spezi­fiziert, kommt eine zuver­läs­sigere Phasen­detek­tions­erken­nung zum Einsatz.

Eine Verbes­serung des letzt­genannten Systems stellt die Dual-Pixel-Vari­ante dar. Smart­phones mit diesem Feature werden häufig mit „DP PDAF“ gekenn­zeichnet. Während sich die zuvor genannten Methoden auf dem Sensor befinden, ist für den „Laser-Auto­fokus“ ein externes Modul erfor­der­lich. Der namens­gebende Laser­strahl kann die Distanz zum Motiv bestimmen und daraus die Schärfe berechnen. Das Objektiv an sich bewegt sich im Smart­phone beim Scharf­stellen durch Dauer­magnete.

Bild­sta­bili­sator, Zoom und Tiefen­sensor

Bild­sta­bili­sator – Verwack­lungen kompen­sieren

Gimbal-Bildstabilisator Gimbal-Bildstabilisator
Vivo
Um verwa­ckelten Fotos vorzu­beugen, ist eine kürzere Belich­tungs­zeit notwendig, aber diese ist nicht immer ratsam. Kürzeres Belichten bei schlechtem Licht sorgt für dunkle Bilder. Als Kompen­sation könnte man die Licht­emp­find­lich­keit (ISO) erhöhen, was aber wiederum die allge­meine Qualität beein­träch­tigt. Ein wich­tiges Merkmal ist deshalb der Bild­sta­bili­sator. Er sorgt auch bei längeren Belich­tungen für möglichst scharfe Aufnahmen. Die Leis­tung des Bild­sta­bili­sators hängt vom verwen­deten System ab. Ganz unten in der Nahrungs­kette steht der „EIS“ (Elec­tronic Image Stabi­liza­tion).

Bei diesem Verfahren berechnet eine Soft­ware (teils mit KI-Unter­stüt­zung) den idealen Bild­aus­schnitt. Schlecht funk­tio­niert der Mecha­nismus nicht, ist aber physi­schen Lösungen unter­legen. Besitzt die Smart­phone-Kamera einen „OIS“ (Optical Image Stabi­liza­tion), verfügt sie über einen opti­schen Bild­sta­bili­sator. Hierbei wird in der Regel ein beweg­lich gela­gertes Objektiv genutzt, das den Verwack­lungen entge­gen­wirkt. Manchmal gibt es auch einen beweg­lich gela­gerten Sensor. Die Königs­dis­ziplin ist die Gimbal-Bild­sta­bili­sie­rung (etwa beim Vivo X80 Pro). Eine moto­risierte Aufhän­gung gewährt nuan­cierte Korrek­turen des Objek­tivs.

Zoom – nah dran am Geschehen

Periskop-Objektiv Periskop-Objektiv
Oppo
Eine lange Brenn­weite fängt weit entfernte Objekte format­fül­lend ein. Diese Brenn­weite wird entweder simu­liert (digital) oder physisch (optisch) reali­siert. Der Digi­tal­zoom ist so schlecht wie sein Ruf. Bild­aus­schnitte werden soft­ware­mäßig gestreckt, um den Eindruck einer längeren Brenn­weite zu vermit­teln. Trotz moderner Soft­ware und KI ist dieser Fake-Zoom kaum zu gebrau­chen. In kleinem Rahmen lässt sich der Digi­tal­zoom noch verwenden, ohne dass die Fotos und Videos allzu viel Quali­täts­ver­lust erleiden. Die von den Herstel­lern bewor­benen Zoom-Faktoren von 60x oder sogar 100x sind aller­dings wenig ratsam.

Beson­ders nütz­lich ist hingegen der opti­sche Zoom. Jener wird entweder mit einer Fest­brenn­weite (Tele­objektiv) oder einer varia­blen Brenn­weite (Tele­zoom) umge­setzt. Die meisten Smart­phones besitzen ein Tele­objektiv oder ein vertikal ins Gehäuse einge­las­senes Peri­skop-Objektiv. Dabei gibt es nur eine Zoom­stufe, beispiels­weise 2x, 3x, 5x oder 10x. Alles darunter oder darüber wird digital berechnet. Ein Tele­zoom bietet ein stufen­loses Zoomen zwischen verschie­denen Brenn­weiten. So kann das Motiv etwa nicht nur um den Faktor 3 oder Faktor 5, sondern auch um den Faktor 3,5 oder Faktor 4 heran­geholt werden.

Tiefen­sensor – nütz­lich für die Schär­fen­tiefe

ToF-Sensor ToF-Sensor
infineon / LG
Mit einem Tiefen­sensor lassen sich krea­tive und detail­lierte Aufnahmen kreieren. Die Qualität ist aller­dings stark abhängig vom verwen­deten Modul. Selbst die güns­tigsten Smart­phones werden mit 2D-Tiefen­sen­soren ausge­stattet. Dabei handelt es sich um eine assis­tie­rende Kamera, oftmals mit 2 Mega­pixel und Blende f/2.4. Sie soll für ein schö­neres Bokeh (unscharfer Hinter­grund) beim Motiv sorgen. Die Daseins­berech­tigung darf ange­zwei­felt werden, da soft­ware­seitig iden­tische Ergeb­nisse erzielt werden. Wie die 2-MP-Makro-Kamera ist solch eine Kamera eher ein Marke­ting-Gag. Drei Kameras klingen eben besser als eine.

Hingegen wirk­lich nütz­lich sind die soge­nannten ToF-Sensoren. Das Kürzel steht für „Time of Flight“ und bezeichnet eine Methode zur drei­dimen­sio­nalen Abtas­tung von Objekten. Die zurück­gelegte Zeit wird von einem Photo­misch­detektor (PMD) über einen Licht­impuls bestimmt. Dank der gewon­nenen Infor­mationen lassen sich nicht nur beson­ders schöne Bokehs, sondern auch äußerst detail­lierte Struk­turen, beispiels­weise von Gesich­tern, abtasten. Apples LiDAR (Light Detec­tion and Ranging), das beispiels­weise im iPhone 13 Pro steckt, tastet eben­falls drei­dimen­sional, aber auf Laser-Basis ab.

ToF und LiDAR eigenen sich auch für AR-Anwen­dungen sowie eine 3D-Gesichts­erken­nung. Manche guten Smart­phone-Kameras gibt es schon für unter 200 Euro.

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