Erfahrungsbericht

Lumia 950 im Test: Neuer Überflieger am Smartphone-Himmel?

Microsoft hat im Lumia 950 nahezu allen modernen Standards verbaut und setzt mit Continuum noch eines obendrauf. Doch reicht es, um sich gegen die starken Mitbewerber zu behaupten?
Von Daniel Rottinger /

Display und Verarbeitung

Lumia 950: Ein Blick ins Innere Lumia 950: Ein Blick ins Innere
Bild: teltarif
Microsoft hat das Lumia 950 mit einem 5,2 Zoll großen AMOLED-Display mit einer QHD-Auflösung von 2560 mal 1440 Pixel ausgestattet, was einer Pixeldichte von 564 ppi entspricht. Des Weiteren handelt es sich um ein Gorilla Glass 3, was das Display gegen Kratzer unempfindlicher machen soll. In unserem Test ist uns die intensive Farb­wiedergabe positiv ins Auge gefallen. Insgesamt wirkt die Darstellung gestochen scharf und natürlich. Die Animationen während des Scrollens über den Startbildschirm wirken flüssig und ziehen keine Schlieren. Auch der Betrachtungswinkel kann überzeugen und so haben auch Zaungäste etwas davon, wenn man sich in der U-Bahn ein YouTube-Video ansieht. Einzig die etwas scharfen Kanten an den der Ecke fallen negativ ins Bild, wenn der Nutzer ein Handy mit abgerundeten Displaykanten gewöhnt ist. Ebenso ist anzumerken, dass die Entscheidung gegen Hardware-Buttons an der Geräteunterseite, sich als platzraubend erweist, da statt­dessen virtuelle Keys nahezu durchgängig am unteren Bildschirmrand eingeblendet sind.

Die restliche Verarbeitung, angefangen vom Plastikgehäuse bis zu den seitlichen Hardware-Buttons, wirkt sehr wertig. Wie wir bereits in unserem Unboxing festgestellt haben, gelingt auch der Wechsel der SIM- oder Speicherkarte ohne größere Umstände. Dazu öffnet der Nutzer einfach das Backcover und hat dadurch auch direkten Zugriff auf den wechselbaren 3000-mAh-Akku. Dieser bringt den Nutzer knapp 1,5 Tage durch den Alltag, bevor er wieder aufgeladen werden muss. Sollte man allerdings die Continuum-Funktion per Miracast-Streaming häufiger nutzen, reduziert sich die Akkulaufzeit erheblich.

Ein Manko ist der geringe Umfang des Zubehörs und allgemein die mangelnden Innovationen beim sonstigen Lieferumfang. Einerseits sind das Ladegerät und Datenkabel in Sachen Design wirklich austauschbar und haben nichts von der Finesse, wie man es etwa von dem Nokia Lumia 800 mit dem kreisförmingen Ladekit mit IKEA-Look kannte. Andererseits wird auch kein Kopfhörer mitgeliefert, um Musik über die 3,5-mm-Klinkenbuchse an der Geräteoberseite anzuhören. Weiterhin hat die kleine Aussparung an der Unterseite des Lumias zur Folge, dass es an der linken unteren Gehäuseseite ein leichtes Knarzen geben kann, wenn die Stelle aktiv belastet wird. Im Gegenzug klappt der Zugriff auf die SIM-Karte dafür umso leichter und es bedarf keines zusätzlichen SIM-Pieksers.

Das neue OS: Windows 10 Mobile

Das Display löst mit 2560 mal 1440 Pixel auf Das Display löst mit 2560 mal 1440 Pixel auf
Bild: teltarif
Beim Betriebssystem Windows 10 Mobile zeigt sich, dass Microsoft seine neuen Smartphone-Flaggschiffe wohl unbedingt gerade noch rechtzeitig zur Weihnachtszeit in den Handel bringen wollte. Die Firmware hinterlässt zwar generell schon einen guten Eindruck. An der einen oder anderen Stelle merkt man aber doch, dass die Entwicklung mit heißer Nadel gestrickt wurde und noch nicht abgeschlossen ist. Mehrfach haben wir im Test den Effekt beobachtet, dass Kacheln von Apps, die gerade ein Update erhalten haben, nur noch als farbiges Quadrat, aber ohne Logo und ohne Schriftzug angezeigt wurden. Nach dem Update der Facebook-App war diese gleich zweimal im Menü gelistet. In beiden Fällen hilft ein Reboot des Telefons, um wieder zum normalen Betrieb zurückzukehren.

Interessant ist es indes auch, dass es nicht gleichgültig ist, auf welchem Weg ein vom Nutzer selbst hinzugefügter Klingelton den Weg in den dafür vorgesehenen Ordner im internen Speicher des Smartphones findet. Wird er beispielsweise aus OneDrive oder Dropbox hineinkopiert, so wird er vom System nicht erkannt und kann somit auch nicht ausgewählt werden. Verbindet man das Handy hingegen per Datenkabel mit dem PC und kopiert über diese Verbindung die MP3-Datei in den Klingelton-Ordner, so kann diese auch verwendet werden.

Ansonsten stellten wir im Test fest, dass nahezu alle von Windows Phone 8.1 bekannten Apps auch mit dem neuen Betriebssystem kompatibel sind. Eine Ausnahme ist beispielsweise die Passwort-Verwaltungssoftware SplashID, die im Test reproduzierbar abstürzte. Dass der Wechsel zu einer Universal-App kein Allheilmittel ist, zeigte sich mit TuneIn Radio. Die alte Windows-Phone-App verrichtete bis Mitte der Woche auch auf dem Lumia 950 problemlos ihren Dienst. Die neue Universal-App, die per automatischem Update installiert wurde, funktioniert hingegen unter Windows 10 Mobile bislang nicht.

Sehr gut hat im Test das neugestaltete Menü für die Einstellungen gefallen. Hier gibt es nun eine logische Untermenü-Struktur, die unter Windows Phone 8.1 gefehlt hat. Sinnvoll erweitert hat Microsoft zudem das Action Center, so dass noch mehr wichtige Einstellungen wie der Flugzeugmodus, der mobile Hotspot, Bluetooth und WLAN zugänglich sind, ohne umständlich Untermenüs ansteuern zu müssen. Der Microsoft-Edge-Browser gefällt, weil er sehr schnelles Surfen im Internet ermöglicht. Die Performance ist unter vergleichbaren Bedingungen beispielsweise besser als mit Safari auf dem iPhone 6s Plus. Dafür fehlt derzeit noch die Möglichkeit, Favoriten zwischen verschiedenen mit dem gleichen Microsoft-Konto genutzten Geräten zu synchronisieren. Generell läuft Windows 10 Mobile sehr flüssig. Apps starten nach dem Aufrufen sofort und im Test kam es zu keinen Rucklern. Hier merkt man deutlich, dass Microsoft auch bei Prozessor und Arbeitsspeicher gegenüber seinen früheren Smartphones nachgebessert hat.

Aktuell stehen noch keine Gaming-Apps für die neue Geräte-Generation bereit, die die Hardware-Power des Lumia 950 mit seinem Sechskern-Prozessor von Qualcomm und 3 GB Arbeitsspeicher ausreizen. Die für Windows Phone 8.1 optimierten Spiele laufen flüssig, allerdings sollten sich Nutzer hier keine großen Grafiksprünge erhoffen. Für Spieler ist im Übrigen die überarbeitete Xbox-App interessant, die nun vom Aussehen der gleichnamigen von Windows 10 Desktop wie aus dem Gesicht geschnitten ist.

Mobilfunk und Internet

Lumia 950: Microsoft legt wenig Zubehör bei Lumia 950: Microsoft legt wenig Zubehör bei
Bild: teltarif
Das Microsoft Lumia 950 beherrscht LTE Cat. 6 und ermöglicht demnach mobile Internet-Verbindungen mit bis zu 300 MBit/s im Downstream bzw. 50 MBit/s im Upstream. Dazu kommt Unterstützung für GSM und UMTS. Im Test war der Mobilfunk-Empfang überdurchschnittlich gut. Wir konnten beispielsweise in einem Raum noch ohne einen einzigen Aussetzer über eine simquadrat-Karte telefonieren, wo sich weniger eingangsempfindliche Handys sogar aus dem E-Plus-Netz ausbuchten. Auch die Sprachqualität bei Telefonaten war im Test sehr gut. Der mobile Internet-Zugang wird für die meisten Provider anhand der eingelegten SIM-Karte automatisch konfiguriert. Manuelle Anpassungen lassen sich aber jederzeit vornehmen. Das war in unserem Beispiel simquadrat auch nötig, da es sich hier um einen virtuellen Netzbetreiber handelt, dessen Daten im Betriebssystem nicht hinterlegt sind.

Der WLAN-Empfang des Lumia 950 ist ebenfalls sehr gut. Hier hatten wir bei der Nutzung eines Hotspots im 5-GHz-Bereich allerdings hin und wieder den Effekt, dass die Netzverbindung verlorenging. Bei der WLAN-Suche wurden dann nur noch wenige Netze auch auf 2,4 GHz gefunden, wobei es nicht klar ist, wie es zu diesem Effekt kam, den wir auch auf dem Lumia 640 nach Update auf die Insider Preview von Windows 10 Mobile festgestellt hatten. Nach der Umstellung auf ein 2,4-GHz-Netz trat der Fehler nicht mehr auf.

Fazit

Die Einzelnoten im Handy-Test:
  • Technische Ausstattung: 1,4
  • Bedienung, Handling, Software: 1,5
  • Hardware, Verarbeitung, Material: 1,4
  • Basis-Feature des Handys: 1,3
  • Einschätzung des Redakteurs: 1,5
  • Gesamtnote: 1,4
Microsoft hat mit dem Lumia 950 ein starkes Highend-Gerät für knapp 600 Euro abgeliefert. Das Handy wird dem Prädikat "Zugpferd für Windows 10 Mobile" gerecht - aus mehreren Gründen: Einerseits läuft das neue Betriebssystem sehr performant auf dem Flaggschiff und die neuen Funktionen greifen gut ineinander. Wie stark die neuen Features, wie Continuum oder der Iris-Scan per Windows Hello, in der persönlichen Gewichtung des Nutzers abschneiden und ob sie letztendlich ausreichen, um Android- und iOS-Anwender für die Windows-Plattform zu begeistern, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.

Rein aus technischer Sicht kann das neue Microsoft-Smartphone punkten. Die Verarbeitung des Geräts ist mehr als solide und das Display ist mit seiner intensiven Farbdarstellung ein weiterer Pluspunkt. Die Kamera kommt allerdings nicht ganz an das Lumia 1020 ran. Allerdings ist die Ernüchterung darüber dann auch schnell vergessen, denn als richtig gute Schnappschuss-Kamera für Hobby-Fotografen ist sie dennoch eine sichere Bank.

In einem weiteren Artikel sind wir auf die das Continuum-Feature eingegangen, mit dem Nutzer das Lumia 950 als PC-Ersatz verwenden können.

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