ePA

Operation Neustart für die E-Patientenakte

Einkaufen, Geld über­weisen, Urlaub buchen: Viele Dinge laufen längst online. Im Gesund­heits­wesen hakt es. Die E-Pati­enten­akte steht vor dem Neustart.
Von mit Material von dpa

Arzt­befunde, Rönt­gen­bilder, Medi­kamen­ten­listen: Seit zwei Jahren gibt es elek­tro­nische Pati­enten­akten, mit denen Versi­cherte Gesund­heits­daten parat haben können - abrufbar am Smart­phone. Doch die Nach­frage hält sich in engen Grenzen. Über­haupt kommt eine umfas­sende Digi­tali­sie­rung auf breiter Front der Praxen und Kliniken nicht richtig in Gang.

Gesund­heits­minister Karl Lauter­bach diagnos­tizierte schon, Deutsch­land sei hier im euro­päi­schen Vergleich "Entwick­lungs­land". Im neuen Jahr soll deshalb eine Art Neustart auch für die E-Akten als zentrales Element her. Große Kran­ken­kassen werben für mehr Schwung und prak­tischen Nutzen.

Es hakt an vielen Stellen

Der Weg zur eigenen elektronischen Patientenakte ist holprig Der Weg zur eigenen elektronischen Patientenakte ist holprig
Foto: Picture Alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Der Chef der Tech­niker Kran­ken­kasse (TK), Jens Baas, sieht, dass es "bei der Digi­tali­sie­rung des Gesund­heits­sys­tems gerade an vielen Stellen hakt, ob nun bei der Akte oder beim E-Rezept. Das Grund­pro­blem ist die fehlende Nutzer­freund­lich­keit."

Entschei­dend für den Erfolg der E-Akte sei, dass sie im Praxis­alltag ankomme. Dafür müssten Ärzte an sie ange­bunden sein und sie dann auch befüllen. "Es muss selbst­ver­ständ­licher Teil des Arzt­besuchs werden, dass die Daten der Pati­entinnen und Pati­enten auch in ihrer Akte abge­legt werden."

ePA am 1. Januar 2021 gestartet

Als frei­wil­liges Angebot für die 74 Millionen gesetz­lich Versi­cherten war die elek­tro­nische Pati­enten­akte (ePA) am 1. Januar 2021 gestartet und soll schritt­weise mehr Funk­tionen bekommen. Das Ziel lautet, die Versor­gung für Pati­enten sowie Ärztinnen und Ärzte effek­tiver und besser zu machen. Etwa, indem Mehr­fach­unter­suchungen unnötig werden, weil man Infos zu einge­nom­menen Medi­kamenten oder früheren Behand­lungen nicht immer dabei hat. Bei der Vernet­zung der Praxen gibt es jedoch Verzö­gerungen. Bei mehreren Fragen schwelt ein Streit über den Daten­schutz.

Auch zwei Jahre nach dem Start nutzt weiter nur ein Bruch­teil der Pati­enten die E-Akte. Bei den größten Kassen TK, Barmer, DAK und den elf Allge­meinen Orts­kran­ken­kassen (AOK) haben sie inzwi­schen 450.000 von zusam­men­genommen 52 Millionen Versi­cherten, wie eine dpa-Umfrage ergab.

Über alle gesetz­lichen Kassen hinweg seien es 570.000, sagt Spit­zen­ver­bands­chefin Doris Pfeiffer der Funke-Medi­engruppe. Um einen Durch­bruch zu errei­chen, will die Ampel-Koali­tion deswegen grund­legend auf das Prinzip "Opt-out" umschwenken - also, dass alle die E-Akte bekommen und man aktiv wider­spre­chen muss, statt wie derzeit aktiv einzu­wil­ligen.

Umstel­lung auf Opt-Out könnte für Schwung sorgen

Die Umstel­lung könne für weiteren Schwung sorgen, heißt es bei der Barmer, bei der 50.000 der 8,7 Millionen Versi­cherten E-Akten haben. Die ePA werde rele­vant, wenn sie wich­tige Infor­mationen enthalte.

Nötig sei auch eine unkom­pli­zierte Anmel­dung für Versi­cherte. Bei der TK haben 350.000 der elf Millionen Versi­cherten E-Akten. Meist­genutzte Funk­tion sei das eigene Laden etwa von Impf­daten oder Infos zu Arzt­besu­chen. Bei den AOKs haben 40.000 der 27 Millionen Versi­cherten E-Akten.

Um den Mehr­wert bekannter zu machen, soll die Kommu­nika­tion verstärkt werden. Damit die ePA ins Fliegen komme, müsse sie auch Prozesse in den Praxen erleich­tern.

Digi­tali­sie­rungs­gesetz geplant

Lauter­bach plant im neuen Jahr ein großes Digi­tali­sie­rungs­gesetz. Von zahl­rei­chen Verän­derungen ist im Minis­terium die Rede - und dass die ePA damit "wirk­lich zur Realität" werden soll. Zum Daten­schutz soll es eine inter­natio­nale Exper­ten­kon­ferenz geben.

DAK-Chef Andreas Storm wirbt für neue Wege bei einem Neustart. Statt gegen­sei­tiger Blockade wie bislang brauche es "ein lösungs- und konsens­ori­entiertes Vorgehen". Er schlug ein Steue­rungs­gre­mium vor, in dem auch Daten­schützer, Ärzte, Kliniken und Kassen mitar­beiten. Bei der DAK haben 10.000 der 5,6 Millionen Versi­cherten eine E-Akte.

Syste­mati­sche Auswer­tung beschleu­nigt Forschung

Lauter­bach geht es auch um eine bessere Versor­gung. Die syste­mati­sche Auswer­tung vieler digi­taler Daten kann Forschungs­erkennt­nisse entschei­dend beschleu­nigen - wenn man sie denn hat. Ein Vorbild dafür ist Israel, das vor mehr als 25 Jahren mit der Digi­tali­sie­rung begann. "Hier nutzen alle Kliniken und Praxen eines Pati­enten dieselben Daten", erläu­terte Lauter­bach bei einem Besuch vor einigen Monaten.

Für Deutsch­land gibt es nun zumin­dest eine ehrgei­zige Ziel­marke, notiert in der Digi­tal­stra­tegie der Regie­rung: Sie will sich 2025 daran messen lassen, ob mindes­tens 80 Prozent der gesetz­lich Versi­cherten eine E-Pati­enten­akte haben.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Es soll einfach sein, und es soll sicher sein. Das wird zur Quadratur des Kreises. Der Autor hatte bei einer großen deut­schen Kran­ken­ver­siche­rung seine Pati­enten­akte ange­legt und musste sich über die NECT-App iden­tifi­zieren, die über ein Video­ver­fahren (ohne mensch­liches Zutun und ohne Hotline-Agenten) den Perso­nal­aus­weis und das Gesicht des Kandi­daten vergleicht und dann die Akte freigab. Sogar ein Handy­wechsel war auf diese Weise möglich, mit erneuter ID-Prüfung über NECT.

Das ist schon einige Zeit her. Zu Weih­nachten gab es einmal wieder ein neues Handy. Dieses Mal musste die App erst über einen acht­stel­ligen Code und die Pati­enten­akte in der App über einen glück­licher­weise noch vorhan­denen QR-Code - alter­nativ einen 64-stel­ligen Buch­staben-Ziffern-Code - frei­geschaltet und darüber die neue elek­tro­nische Gesund­heits­karte (mit NFC) bestellt werden. Wenn diese Karte da ist, muss der Autor persön­lich in eine Geschäfts­stelle seiner Kran­ken­kasse gehen (Entfer­nung 30 Kilo­meter), um sich iden­tifi­zieren zu lassen. Dann soll ein weiterer Brief mit einer PIN folgen, und erst dann soll wieder Zugang auf die Daten möglich sein.

Bevor Sie den Kopf schüt­teln: Bei einem Vorstel­lungs­gespräch würde Ihr neuer Arbeit­geber gerne einen Blick da hinein­werfen, was er aber nicht darf. Pharma-Firmen würden Ihnen gerne teure Thera­pien verkaufen, neugie­rige Nach­barn würden sicher auch gerne wissen, wie "krank" sie wirk­lich sind. Klar ist: Daten­schutz muss da schon sein. Die Frage bleibt aber, warum beispiels­weise der elek­tro­nische Reise­pass/Perso­nal­aus­weis nicht dafür einge­setzt werden kann. Deutsch­land ist noch lange nicht digital.

In einer weiteren News geht es um das Thema: VATM kriti­siert Glas­faser-Überbau durch Telekom.

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