Forderung

Deutschland braucht mehr "digitale Souveränität"

Die Digitalisierung durchdringt inzwischen alle Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft. In jedem zweiten Unternehmen wandeln sich laut Branchen­verband Bitkom die Ge­schäfts­mo­delle. Die CeBIT will Antwort auf die drängendsten Fragen geben.
Von mit Material von dpa

Bitkom-Präsident Dieter Kempf auf der CeBIT Bitkom-Präsident Dieter Kempf auf der CeBIT
Bild: dpa
Die Digitalisierung stellt Unternehmen in Deutschland heute vor ähnlich große Probleme wie der Fachkräftemangel. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom. Bei der Digitalisierung gehe es heute nicht mehr um einzelne Produkte oder Dienstleistungen, sondern um das große Ganze, sagte Bitkom-Präsident Dieter Kempf heute zum Start der IT-Messe CeBIT in Hannover. "Wer jetzt nicht die Weichen für die Zukunft stellt, ist schnell vom Markt verschwunden." Das hätten bereits Medienhäuser und Einzelhändler erfahren und es werde künftig auch für Autohersteller, Maschinenbauer oder Taxifahrer gelten.

Um die digitalen Veränderung der Wirtschaft aktiv zu gestalten, sollten Unternehmen nach der Bitkom-Einschätzung einseitige Abhängigkeiten vermeiden und wichtige Schlüsseltechnologien beherrschen. "Wir brauchen mehr digitale Souveränität", sagte Kempf. Es gehe darum, einen Mittelweg zwischen Fremdbestimmung und Selbstgenügsamkeit einzuschlagen. "Digitale Souveränität heißt, dass wir in zentralen Technologiefeldern über Kompetenzen verfügen." Zudem müssten Unternehmen aber auch Angebote von Partnern fachkundig beurteilen können.

"Veraltete Gesetze": Bremse für Innovation?

Bitkom-Präsident Dieter Kempf auf der CeBIT Bitkom-Präsident Dieter Kempf auf der CeBIT
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Die Entwicklung digitaler Souveränität benötige in Deutschland aber auch politische Unterstützung. Das betreffe etwa das Urheber-, Wettbewerbs- und Steuerrecht, aber auch den Daten- und Verbraucherschutz sowie die Telekommunikations- und Medienordnung. "Veraltete Gesetze dürfen innovative Geschäftsmodelle nicht verhindern", forderte Kempf. "Die Digitalisierung muss sich wie ein roter Faden durch alle Politikfelder ziehen."

Der Analyse großer Datenmengen wird Kempf zufolge bei der Digitalisierung eine zentrale und entscheidende Rolle zukommen. Davon werde es abhängen, wie der digitale Wandel in der Produktion bewältigt werde, sagte Kempf. Anders als in den vergangenen Jahren gehe es heute um die Auswertung vor allem von unstrukturierten Daten in Echtzeit. Bei der Verkehrslenkung, dem autonomen Fahren und besonders im Gesundheitswesen werde die Analyse großer Datenmengen für enorme Fortschritte sorgen. Dies veranschaulichte beispielsweise die Telekom heute: Mobilfunk-Verbindungsdaten dienen künftig einer besseren Verkehrssteuerung.

Auf der CeBIT in Hannover steht unter dem Kunstbegriff "d!conomy" die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft im Fokus. Auf der Messe sollen Besucher Antworten auf alle Fragen zur Digitalisierung aus erster Hand bekommen, sagte Oliver Frese, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG. Es sei noch nie so wichtig wie heute gewesen, sich Wege in ein "digitales Wirtschaftswunder" zu erschließen.

Bitkom hebt Wachstumsprognosen für ITK-Branche an

Der Bitkom hat zum Start der CeBIT auch seine Wachstumsprognosen für das laufende Jahr angehoben. Der Umsatz wird demnach um 1,5 Prozent auf 155,5 Milliarden Euro wachsen, teilte der Verband heute mit. Zuvor waren die Branchenbeobachter von einen Anstieg um 0,6 Prozent ausgegangen. Am stärksten dürften den Zahlen zufolge die Umsätze mit Infrastruktur für die Telekommunikation (3,6 Prozent) sowie IT-Services (3,0 Prozent) zulegen. Deutlich negativ wird sich demnach das Geschäft mit Unterhaltungselektronik entwickeln, hier erwartet der Bitkom einen Rückgang um 3,0 Prozent.

"Es ist die Digitalisierung, die den Markt treibt", sagte Bitkom-Präsident Dieter Kempf. Positiv hat sich demnach der Arbeitsmarkt entwickelt. Den neuen Prognosen zufolge sind im vergangenen Jahr voraussichtlich 26 000 neue Arbeitsplätze entstanden - der Verband hatte zuvor mit 10 000 gerechnet. "Ende des Jahres werden wir mit 990 000 Beschäftigten in den ITK-Unternehmen fast die Million erreichen", sagte Kempf. Damit sei die Branche für Informationstechnologie und Telekommunikation weiterhin der zweitgrößte industrielle Arbeitgeber nach dem Maschinenbau in Deutschland.

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