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Streaming-Markt: Was wird aus Europas Medienbranche?

US-Konzerne domi­nieren auch in Europa den Strea­ming-Markt. Doch ist das wirk­lich ein unab­wend­bares Schicksal oder letzt­end­lich Versagen der euro­päi­schen Medi­enbranche?
Von Björn König

Wäre ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beau­jean ein Poli­tiker, würde man ihn wahr­schein­lich in die Kate­gorie "Euro­paskep­tiker" einordnen. Der Fern­seh­manager hält nicht viel von großen, paneu­ropäi­schen Medi­enkon­zernen. Zu unter­schied­lich seien Märkte und Inter­essen der Zuschauer, um auf einen gemein­samen Nenner zu kommen.

Die Aussage kam auch nicht ohne Grund, denn ProSiebenSat.1-Groß­aktionär Mediaset - der sich nun übri­gens in "Media For Europe" umbe­nannt hat - will eben exakt so einen euro­päi­schen Medi­enkon­zern mit ProSiebenSat.1 formen, woran Beau­jean aus durchaus nach­voll­zieh­baren Gründen wenig Inter­esse hat. Dieser aktu­elle Fall ist aber ein Muster­bei­spiel für Fehl­ent­wick­lungen in der euro­päi­schen Medi­enbranche.

In der Defen­sive

WarnerMedia-Zentrale im New Yorker Stadtviertel Hudson Yards WarnerMedia-Zentrale im New Yorker Stadtviertel Hudson Yards
Foto: NYT
Prak­tisch alle US-Medi­enkon­zerne verfolgen beim Strea­ming eine globale Stra­tegie. Die Dienste sind kurz- bis mittel­fristig in allen Teilen der Welt verfügbar, was den Unter­nehmen verschie­dene Vorteile bringt. Dazu zählt insbe­son­dere eine opti­male Skalier­bar­keit und bessere Posi­tionen gegen­über Rech­teinha­bern. Auch die Kosten für Eigen­pro­duk­tionen lassen sich besser refi­nan­zieren, wenn diese auf verschie­denen Märkten auswertbar sind.

Auf der anderen Seite sträuben sich euro­päi­sche Medi­enkon­zerne, diesen Weg zu gehen. Ein Beispiel ist ProSiebenSat.1 mit "Joyn". Die Münchener schei­terten sogar bislang mit einem Expan­sions­ver­such inner­halb Europas, so wurde vor einiger Zeit der groß ange­kün­digte Start im Nach­bar­land Öster­reich kurzer­hand abge­blasen. Auch RTL hat seine euro­päi­schen Ambi­tionen mehr oder weniger einge­stampft, der Strea­ming-Relaunch von "RTL+" dürfte die Kräf­tever­hält­nisse auf dem deut­schen Strea­ming-Markt eben­falls nicht wesent­lich verschieben.

Ambi­tionen bei Mediaset

Im Medi­enge­schäft zählt letzt­end­lich eine kriti­sche Größe, um im Wett­bewerb mit der US-Konkur­renz mithalten zu können. Mediaset-Chef Pier Silvio Berlus­coni hat erkannt, dass nur starke euro­päi­sche Konzerne den Ameri­kanern Paroli bieten können. Hier liegt auch bereits der grund­sätz­liche Unter­schied in der Denk­weise von Beau­jean und Berlus­coni. Während der deut­sche Medi­enma­nager eher die Diffe­renzen zwischen den Werbe­märkten und Zuschau­erinter­essen sieht, ist Berlus­coni dies offenbar egal. Er sieht den Zusam­men­schluss als ökono­misches Zweck­bündnis, denn die klas­sischen TV-Konzerne sind zu klein und haben ihr Wachs­tums­poten­zial auf natio­naler Ebene ausge­schöpft.

In Italien sieht dies grund­sätz­lich ähnlich wie in Deutsch­land aus, wenn­gleich Mediaset zumin­dest im Inland eine andere Wett­bewerbs­posi­tion hält. Beispiels­weise steht den Italie­nern auf ihrem heimi­schen Werbe­markt kein vergleichbar großer Mitbe­werber wie RTL in Deutsch­land gegen­über, außerdem hat Mediaset selbst auch in Spanien über seine Tochter Mediaset Espana ein zweites und starkes Stand­bein. Trotz allem ist Mediaset (die sich mitt­ler­weile in Media For Europe umbe­nannt hat) immer noch zu schwach, um einen größerem euro­päi­schen Mitbe­werber voll­ständig zu über­nehmen. Darin spie­gelt sich offenbar auch die Zurück­hal­tung bei der ProSiebenSat.1-Betei­ligung wider.

Euro­päi­sche Medi­enkon­zerne in US-Hände?

RTL, ProSiebenSat.1 und Co. laufen Gefahr, mittel­fristig in die Hände großer US-Medi­enkon­zerne zu fallen, wenn sie sich inter­national nicht stärker aufstellen. Passiert ist dies zum Beispiel bereits bei Tele 5. Der Sender gehörte einst zum Port­folio des Film­rech­tehänd­lers Herbert Kloiber, mitt­ler­weile ist Tele 5 jedoch Teil des US-Medi­enkon­zerns Disco­very Networks. Auch ProSiebenSat.1 war zumin­dest in der Vergan­gen­heit nach dem Zusam­men­bruch der KirchGruppe bereits Teil des Impe­riums von US-Milli­ardär Haim Saban. NBCUniversal (Comcast) hatte sich 2005 mit dem geschei­terten Free TV-Sender "Das Vierte" in Deutsch­land versucht.

Vor allem WarnerMedia und Disco­very könnten nach einem erfolg­rei­chen Zusam­men­schluss erheb­lichen Druck auf den euro­päi­schen bzw. deut­schen TV-Markt ausüben. Die beiden Unter­nehmen haben großes Poten­zial, die Branche noch­mals deut­lich aufzu­wir­beln. Bislang ist nicht erkennbar, wie sich ProSiebenSat.1 und RTL bei einer solchen Entwick­lung aufstellen wollen.

Eine letzte Option wäre womög­lich noch der bereits disku­tierte Zusam­men­schluss von RTL und ProSiebenSat.1. Doch diese Option schei­tert womög­lich an den Kartell­wäch­tern, welche weniger die inter­natio­nale Wett­bewerbs­fähig­keit deut­scher TV-Konzerne, als viel­mehr die Sorge um Mono­pole auf dem natio­nalen Werbe­markt umtreibt.

WarnerMedia-CEO Jason Kilar sieht Strea­ming als globales Geschäft.

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