Widerspruch

So verbieten Sie Telefónica die Nutzung der Bewegungsdaten

Bewegungsdaten in Mobilfunknetzen werden nicht nur für die Netzplanung und die Steuerung von Verkehrsströmen genutzt, sondern auch an Werbetreibende weitergegeben. Telefónica erlaubt den Kunden, dem zu widersprechen.
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So verbieten Sie Telefonica die Nutzung der Bewegungsdaten So verbieten Sie Telefónica die Nutzung der Bewegungsdaten
Bild: o2
Viele Handy-Nutzer ahnen es, doch kaum jemand weiß es so ganz genau: Welche Daten außer meiner Adresse und meinem Telefonie- und Surfverhalten erfasst und nutzt mein Mobilfunk-Provider denn noch? Im Sinne der Transparenz hat beispielsweise Telefónica Anfang März veröffentlicht, wie die Auswertung von Bewegungsströmen Netz-Anpassungen in Echtzeit ermöglicht. In die anonymisierte Nutzung dieser Daten hat jeder Kunde mit Abschluss des Vertrags oder mit dem Kauf der Prepaid-Karte grundsätzlich eingewilligt - doch wie kann der Nutzer diese Einwilligung widerrufen?

Bewegungsströme von Menschen müssen laut Telefónica präzise erfasst werden können. "Mobility Insights" nennt der Netzbetreiber sein eigenes B2B-Produkt, mit dem beispielsweise "Bewegungsströme vor Geschäften und in Innenstadtlagen erstmals exakt gemessen werden" können. Der Einzelhandel könne damit "Immobilien viel besser bewerten und Werbemaßnahmen zielgerichteter steuern".

Basis für die statistische Erhebung sind die Handy-Signale der mehr als 43 Millionen Mobilfunkkunden von Telefónica. Jeder An- und Abmeldevorgang eines Nutzer-Handys in einer Funkzelle wird erfasst, gespeichert, anonymisiert und schließlich ausgewertet. Telefónica rechnet damit, dass zukünftig "eine Vielzahl neuer Lösungen und Dienste" auf Basis dieser Bewegungsdaten entstehen könnte. Der Straßenverkehr und das Schadstoffaufkommen könnten beispielsweise besser geplant werden. Insbesondere relevant seien die Bewegungsströme aber für die Werbewirtschaft. Telefónica kann Werbekunden zum Beispiel jetzt schon anonymisiert mitteilen, "wie viele Menschen einer bestimmten Altersgruppe an einem Werbeplakat vorbeigehen." Aber was ist, wenn der Nutzer das gar nicht möchte?

"Selbst entscheiden": Kunden können sich austragen

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Wer der Nutzung seiner Daten widersprechen möchte kann dies auf der speziell hierfür eingerichteten Seite Selbst entscheiden machen. Der Service steht für Kunden aller Marken in den Netzen von o2 und E-Plus bereit.

Vor einer endgültigen Entscheidung kann der Kunde zuerst einmal den Status seiner Datennutzung abfragen. Hierzu muss er auf der Seite seine Handynummer in das Feld eintragen und auf "Ok" klicken. Für diese Statusabfrage wird ein SMS-fähiger Mobilfunktarif benötigt. Es ist selbstverständlich nicht möglich, die Statusprüfung mit einem Tablet ohne SIM-Karte durchzuführen - darauf weist Telefónica hin. Für die Abfrage des Status empfiehlt Telefónica die Verwendung einer aktuellen Version der Browser Mozilla Firefox oder Google Chrome, bei uns hat es allerdings auch mit dem Internet Explorer funktioniert.

Dem Nutzer wird nun ein Einmalpasswort per SMS zugeschickt, mit dem er seinen Status abfragen kann. Bei Bedarf kann der Status nun geändert werden. In einem kurzen Test haben wir dies mit einer SIM-Karte von Blau ausprobiert. Nach der Eingabe unserer Rufnummer dauerte es nur wenige Sekunden, bis die SMS mit dem sechsstelligen Code eintraf. Auf der folgenden Seite hieß es dann: "Ihr Status: Teilnahme aktiviert! Telefónica kann Ihre Daten, nachdem sie anonymisiert und jeder Personenbezug entfernt wurde, in statistische Anwendungen einbeziehen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung!"

Unter diesem Hinweis gibt es einen Button "Einstellungen ändern". Klickt man diesen an, erscheint die Meldung: "Vielen Dank für Ihren Auftrag. Ihr Status wird geändert. Bitte beachten Sie, dass dieser Vorgang bis zu 24 Stunden in Anspruch nehmen kann."

Bewertung: Datenerhebung kann dem Kunden auch nutzen

Neurotische Datenschutz-Fetischisten werden nun sicherlich sofort alle Rufnummern ihrer Telefónica-SIM-Karten in das Formular eingeben und dem Netzbetreiber jegliche Nutzung und vor allem Koppelung der Daten verbieten. Denn obwohl der Werbetreibende natürlich nicht Name, Adresse und Telefonnummer des Kunden erhält, koppelt Telefónica beispielsweise die Bewegungsdaten mit dem Geburtsjahr und dem Geschlecht aus den Kundendaten und gibt diesen Datensatz gesammelt mit anderen weiter.

Die Frage ist allerdings: Was würde passieren, wenn wirklich alle 43 Millionen Mobilfunkkunden von Telefónica die Einwilligung zur Datennutzung widerrufen würden? Hätte Telefónica dann bei der Netzplanung ein Problem? Denn auch dafür werden die Daten verwendet. Telefónica schreibt:

"Statistische Analysen könnten aber auch helfen, das Angebot beim Mobilfunk optimal auf die Nachfrage der Kunden abzustimmen. Wie viele Nutzer werden demnächst an einem bestimmten Standort telefonieren? Und wie viel Datenkapazität benötigen sie, wenn sie dort ins Internet gehen? Das lässt sich berechnen, indem man langfristige Trends erkennt, die sich aus der aktuellen Nutzung ablesen lassen. Die Statistik macht es möglich. Man braucht lediglich anonyme Daten einer ausreichend großen Menge von Mobilfunknutzern. Damit lassen sich dann präzise Entscheidungen über den weiteren Ausbau der Netze treffen.

Dies ist außer der Lenkung von Verkehrsströmen der wichtigste Aspekt, den Telefónica nennt. Und dass Abläufe bei der Netzplanung und im Straßenverkehr optimiert werden, daran hat wohl die Mehrheit der Nutzer ein Interesse. Eine sinnvolle Erweiterung der "Selbst entscheiden"-Seite wäre also ein Modul, bei dem der Nutzer entscheiden kann, dass er der Datennutzung für logistische Zwecke (Netzausbau, Straßenverkehr...) zustimmt, aber der Datenweitergabe an Werbetreibende widerspricht. Diese Unterscheidung ist aktuell nicht möglich.

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