Arztbesuch

E-Patientenakte: Wird sie sich 2022 durchsetzen?

Nach langem Gezerre soll das Gesund­heits­wesen digi­taler werden, und zwar ganz prak­tisch. Vor einem Jahr star­tete eine elek­tro­nische Akte fürs Handy. Kommt sie 2022 mit einigen Neue­rungen stärker auf Touren?
Von dpa /

Mehr Funktionen für elektronische Patientenakte Mehr Funktionen für elektronische Patientenakte
picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Rönt­gen­bilder, Arzt­befunde, Medi­kamen­ten­listen: Seit einem Jahr können Versi­cherte Gesund­heits­daten digital parat haben - auf elek­tro­nischen Pati­enten­akten (ePA), abrufbar per Smart­phone.

Sie sollen 2022 mehr Funk­tionen dazu­bekommen. Verbrau­cher­schützer und Kran­ken­kassen setzen über­haupt auf noch deut­lich mehr digi­talen Schub. Darauf zielen auch Pläne der neuen Bundes­regie­rung aus SPD, FDP und Grünen. Für die frei­wil­lige Nutzung der E-Akten soll laut Koali­tions­ver­trag künftig das Prinzip "Opt out" gelten - also dass man aktiv wider­spre­chen muss, wenn man sie nicht verwenden möchte.

"Opt-in"-Prinzip zu kompli­ziert

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Der Chef der Tech­niker Kran­ken­kasse, Jens Baas, sagte der Deut­schen Presse-Agentur: "Um die Akzep­tanz zu stei­gern, ist es ein rich­tiger Schritt, dass jeder Versi­cherte die Akte künftig auto­matisch bei der Geburt bekommt und sich eine lebens­lange Gesund­heits­his­torie aufbaut. Wer das nicht möchte, kann jeder­zeit wider­spre­chen." Das jetzige "Opt-in"-Prinzip lege Nutzern durch mehr­stu­fige Zustim­mungs­ver­fahren unnötig Steine in den Weg. "Entschei­dend ist dann aber, dass die Ärzte die Akte auch befüllen", sagte Baas. Und Voraus­set­zung dafür sei, dass alle Praxen und Kliniken tech­nisch dazu in der Lage seien.

Noch gibt es bei der vorge­sehenen flächen­deckenden Vernet­zung der ePA aber Verzö­gerungen wegen teils fehlender Ausstat­tung. So brau­chen Praxen Updates für ein Verbin­dungs­gerät (Konnektor) zur geschützten Daten­auto­bahn des Gesund­heits­wesens, wie das Bundes­minis­terium erläu­tert. Die seien nach Herstel­ler­angaben nunmehr "zum großen Teil" erfolgt. Für nötige Updates der Praxis­ver­wal­tungs­sys­teme hätten aber einige Hersteller die Entwick­lung "nicht zeit­gerecht abge­schlossen".

Nutzer­zahlen haben noch Luft nach oben

Die E-Akte als frei­wil­liges Angebot für die 73 Millionen gesetz­lich Versi­cherten war am 1. Januar 2021 mit einer Test­phase gestartet. "Die bishe­rigen Nutzer­zahlen haben noch ganz viel Luft nach oben", sagte der Chef des Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­bands (vzbv), Klaus Müller, der dpa. Viele Anwen­dungen seien damit effi­zienter auf den Weg zu bringen, im Inter­esse der Pati­enten, aber auch des Gesund­heits­wesens - etwa welche Medi­kamente zusam­men­passen. Das von SPD, Grünen und FDP geplante "Opt-out"-Prinzip sei in dieser Konstel­lation in Ordnung, da es die Möglich­keit gebe, selbst­bestimmt zu entscheiden.

Bei der Tech­niker Kran­ken­kasse nutzen ein Jahr nach dem Start 230.000 Versi­cherte die E-Akte, wie das Unter­nehmen mitteilte. Am stärksten ist die Verwen­dung demnach unter 26- bis 35-Jährigen mit 28 Prozent. Beson­ders beliebt seien Erin­nerungen etwa an Vorsor­geun­ter­suchungen oder das Herun­ter­laden vorhan­dener Daten über Impfungen, verord­nete Medi­kamente und Arzt­besuche, um nicht mit leerer Akte zu starten.

System muss sicher sein

Verbrau­cher­schützer Müller betonte gene­rell, die Pati­enten müssten Herren ihrer Daten bleiben. Zudem müsse das System sicher sein. "Niemandem geht etwas an, unter welchen Aller­gien ich leide, welche Kran­ken­geschichte ich habe." Wichtig sei, dass man entscheiden könne, welche Daten man welchem Arzt zur Verfü­gung stelle. Ab dem neuen Jahr sollen Pati­enten das nun auch in verfei­nerter Form für jedes einzelne Doku­ment fest­legen können. Daten­schützer hatten dies ange­mahnt.

"Der Nutzen für die Pati­enten muss jetzt endlich in den Vorder­grund rücken", sagte Müller. Kommen sollen dafür 2022 auch neue Funk­tionen der ePA: der Mutter­pass, das gelbe Unter­suchungs­heft für Kinder, das Zahn-Bonus­heft, der Impf­pass. Die vorge­sehene zweite Ausbau­stufe der App soll ab 1. Januar an den Start gehen, erläu­terte das Minis­terium. Auch dafür müssen Praxen aber tech­nische Voraus­set­zungen erfüllen.

Die bishe­rige Einfüh­rung sei kein Ruhmes­blatt, und daran hätten viele mitge­wirkt, sagte vzbv-Chef Müller. "Der Wider­stand aus der Ärzte­schaft ist einer, über den der Berufs­stand sehr selbst­kri­tisch nach­denken sollte." Unter Ärzten gibt es Frust, nachdem der frühere Minister Jens Spahn (CDU) nach jahre­langem Gezerre mehrere digi­tale Anwen­dungen forciert hatte. Ärzte­prä­sident Klaus Rein­hardt beklagte kürz­lich häufige Störungen sowie teils fehlende Technik und forderte: "Tempo raus aus der über­has­teten Digi­tali­sie­rung". Vorerst sollte man sich darauf konzen­trieren, Anwen­dungen ausgiebig auf Praxis­taug­lich­keit und tatsäch­lichen Versor­gungs­nutzen zu testen.

Gesetz­lich Versi­cherte bekommen jedes Jahr Hunderte Millionen Rezepte auf Papier. Die Umstel­lung auf Digi­tal­ver­schrei­bungen begann schon in diesem Jahr, ab Januar sollte Tempo gemacht werden bei dem Projekt. Doch daraus wird vorerst nichts.

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