pay-and-go

Vorerst keine anonymen Prepaidkarten in Deutschland

Mobilfunkanbieter reagieren nicht auf Leipziger Urteil
Von Marie-Anne Winter

Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Seit 1997 gab Vodafone D2 den Gerichten anhand einer Musterklage auf, zu klären, ob Mobilfunkanbieter in Deutschland Daten von Prepaid-Kunden erheben müssen oder nicht. Am 22. Oktober entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass die Anbieter nicht verpflichtet sind, persönliche Daten von Prepaid-Kunden zu erheben. Die Käufer von Prepaid-Karten könnten damit eine Guthabenkarte benutzen, ohne dass ihre persönlichen Daten bei den Anbietern gespeichert sind und an Behörden weitergegeben werden können.(Az.: BVerwG 6 23.02)

Mit diesem Urteil haben die Mobilfunkbetreiber also durchgesetzt, dass sie bei Prepaid-Kunden, die einfach nur eine SIM-Kare kaufen und die Telefonminuten, die sie verbrauchen wollen, vorab bezahlen, keine Daten erheben müssen. Als Folge davon entfällt dann auch die Speicherung und Pflege dieser Daten. Das bedeutet weniger Verwaltungsaufwand bei den Anbietern und mehr Diskretion für die Kunden. Insgesamt eine gute Sache für alle. Trotzdem sind nun keine Begeisterungsausbrüche zu vernehmen.

Reaktionen der Netzbetreiber

Überraschenderweise halten sich die Netzbetreiber mit ihren Kommentaren sehr zurück. Selbst beim Mobilfunker Vodafone, der jahrelang auf dieses Urteil hingewirkt hat, heißt es nun, dass man jetzt erst einmal das Urteil genau prüfen müsse. Denn das Urteil habe ja beträchtliche Konsequenzen und nicht zuletzt sei die Klage ja zu Zeiten angestrengt angestrengt worden, als ohnehin noch alles anders war.

Auch bei T-Mobile gibt es nichts Konkretes, auch hier hieß es, dass man das Urteil gründlich prüfen müsse. Es sei noch zu früh für eine Stellungnahme, schließlich wolle man die Kunden nicht durch unvollständige Informationen verunsichern. Und auch bei den E-Netzbetreibern warb man um Verständnis, dass es Zeit brauche, die neue Situation zu überdenken. E-Plus teilte mit, dass entsprechende Überlegungen "noch nicht so weit fortgeschritten seien, um Angaben zu machen". Und bei o2 antwortete man uns auf die Frage, ob es Überlegungen gäbe, anonyme Prepaid-Produkte anzubieten mit "dazu gibt es natürlich auch Überlegungen, so wie es zu allem Überlegungen gibt", aber auch hier verwies man uns auf eine unbestimmte spätere Zeit. Erstes Fazit also: Es passiert vorerst gar nichts.

Prüfen und warten

Die Bedenken der Anbieter sind auch nicht völlig von der Hand zu weisen. Erfahrungen aus anderen Ländern belegen, dass es ein gewisses Missbrauchsrisiko gibt. In der Schweiz etwa ist es schon immer so, dass Prepaid-Telefonkarten anonym gekauft werden können. Diese Karten lassen sich sogar international nutzen. Anonyme schweizer SIM-Karten sind in einschlägigen Kreisen bereits sehr beliebt. Im vergangenen Jahr bestätigte das schweizer Bundesamt für Polizei, dass Terroristen im Umfeld der Anschläge vom 11. September 2001 mit solchen Karten telefoniert hätten. Fazit: Wer also anonym mobil telefonieren will, kann das auch jetzt schon tun.

Die Frage ist nun, ob der befürchtete Missbrauch solcher Karten rapide zunehmen wird, wenn man auch hierzulande einfach und bequem SIM-Karten erwerben kann, ohne persönlich Daten zu hinterlassen. Hier geht es wieder um eine Abwägung zwischen den berühmten zwei Seiten der Medaille: Es ist durchaus attraktiv für Kunden, spontan in den nächsten Handyladen zu gehen, ein Prepaid-Paket aus dem Regal zu nehmen, einfach an der Kasse zu zahlen und beispielsweise den neuen Freund oder die Oma damit zu beglücken, ohne dass Name, Anschrift oder sonstige Angaben hinterlassen werden müssen. Keine Frage, dass es sich bei der Mehrzahl der Spontankäufer weder um Top-, noch um Telefonterroristen handeln wird.

Über solche Spontankäufe freuen sich natürlich auch die Verkäufer. Trotzdem halten sich die Anbieter bei der Frage, ob es künftig anonyme Prepaid-Produkte geben wird, auffällig zurück. Unisono hört man von den Netzbetreibern, dass man das Leipziger Urteil zur Kenntnis nehme und nun erst einmal gründlich darüber nachdenken müsse. Das wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Denn wie in unserem Editorial zum Thema bereits beschrieben, gibt es eine Reihe juristischer Spitzfindigkeiten, die im einzelnen überdacht und geprüft werden müssen.

Außerdem bahnt sich mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes ohnehin eine grundlegende Gesetzesänderung an, mit der nicht nur die Speicherung, sondern auch die Erhebung von Kundendaten vorgeschrieben wird. Diese wird gleichzeitig ausgeweitet: Mussten bisher nur Name und Anschrift gespeichert werden, müssen künftig auch das Geburtsdatum sowie Beginn und Ende des Vertrages erfasst und gespeichert werden. Immerhin ist keine rückwirkende Erfassung der Daten bereits bestehender Verträge ist vorgesehen.

Hier wäre dann allerdings wieder die Frage, was bei einer Prepaid-Karte als Vertragsanfang und -ende zu definieren ist, oder ob für diese Produkte nicht doch wieder eine Ausnahmeregelung getroffen werden könnte. Zur Zeit scheint jedoch das Interesse der Mobilfunkanbieter eher gering, die derzeitige Lücke auszunutzen, um "pay-and-go"-Prepaid-Karten auf den Markt zu bringen.