moderne Scouts

Der Volksnavigator kommt

Mobile Navigationssysteme können vielseitiger eingesetzt werden als stationäre Systeme
Von dpa / Marie-Anne Winter

Für Autofahrer mit wenig Orientierungsvermögen sind Navigationssysteme die segensreichste Neuentwicklung der vergangenen Jahre. Doch trotz gesunkener Preise und gestiegener Verkaufszahlen lässt die Verbreitung aus Sicht der Industrie noch zu wünschen übrig. Gegenwärtig sind etwa acht Prozent aller in Westeuropa neu zugelassenen Personenwagen ab Werk mit einem Navigationssystem bestückt. Anders ist das bei Edelkarossen: In den Fahrzeugen wie der Mercedes E-Klasse, dem Audi A6 oder dem 5er von BMW werden Ausrüstungsraten von 50 Prozent erreicht, in der Kompaktklasse sind es gerade fünf Prozent. Diesen Wert in den kommenden Jahren wenigstens zu verdoppeln, hat sich Blaupunkt aus Hildesheim zum Ziel gesetzt.

Während der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin (noch bis 3. September) wurde mit dem TravelPilot E1 ein Gerät vorgestellt, das nach Vorstellungen des Herstellers die "Volksnavigation" bringen soll - Anklänge an Volkswagen oder Volksempfänger sind sicher kein Zufall. Für den Preis von 699 Euro waren bisher höchstens Aktions- oder Auslaufmodelle zu haben. Abstriche bei der Ausstattung müssen laut Blaupunkt nicht hingenommen werden, im Gegenteil: Auch beim E1 können parallel zur Wegweisung Audio-CDs abgespielt werden. Gegenüber dem Vorgänger wurde der Funktionsumfang um die Option "bester Weg" erweitert. Sie soll zwischen den Funktionen schnellster und kürzester Weg vermitteln.

Der günstige Preis erklärt sich auch durch ein hohes Maß an integrierten Bauteilen. So kommt der E1 mit einem einzigen Mikroprozessor für die Navigationsfunktionen, die Fahrzeugortung über das satellitengestützte Ortungssystem GPS und die grafischen Darstellungen aus. Bisher waren dafür vier Prozessoren erforderlich. Insgesamt ist die Zahl der Bauteile laut Blaupunkt gegenüber der ersten Gerätegeneration von 1 950 auf 1 170 gesunken.

Den Rückgang der Preise bei Navigationsgeräten macht ein Vergleich mit dem Einstiegsmodell des Konkurrenten Becker aus Karlsbad deutlich. Als das 1 299 Euro teure Gerät DTM vor rund zwei Jahren vorgestellt wurde, war ihm die Rolle des Preisbrechers zugedacht - jetzt unterbietet es der E1 um fast die Hälfte. Um dem Gerät die Attraktivität zu erhalten, hat Becker ihm jetzt einen schnelleren Prozessor und einen größeren Arbeitsspeicher spendiert. So soll die Berechnung der Wegstrecke Hamburg - München nun doppelt so schnell vonstatten gehen. Neu ist auch die Funktion "Speed Limits", mit der sich Tempo-Beschränkungen auf 100 000 europäischen Autobahn-Kilometern anzeigen lassen. Die Modellpflege macht sich im neuen Namen DTM High Speed bemerkbar.

Doch die 1-DIN-Geräte für den Radioschacht sind nicht die einzigen Systeme, die sich die Volksnavigation auf die Fahnen geschrieben haben. Zunehmend werden auch Handys und Personal Digital Assistants (PDAs) für die Orientierung im Auto eingesetzt. Marktbeobachter erwarten, dass diese Systeme auf mittlere Sicht "die Einstiegskategorie im Bereich Auto-Navigation definieren werden", heißt es bei den IFA-Veranstaltern. Die festinstallierten Systeme im Radioformat gelten nach dieser Abstufung als Mittelklasse, die Anlagen mit Farbbildschirmen als High-End-Lösung. Vorteil der Handys und PDAs: Sie liegen nach dem Verlassen des Autos nicht brach, sondern können in ihrer ursprünglichen Funktion verwendet werden.

Bei diesen mobilen Systemen muss lediglich ein Empfänger für das GPS-Ortungssystem am Armaturenbrett angebracht werden. Die Kosten dafür liegen bei wenigen hundert Euro. Eine Anbindung an den Tachometer ist in den meisten Fällen nicht vorgesehen, was man bei Becker für einen funktionalen Nachteil dieser Lösungen hält: "Die Ortung ist vor allem in Städten weniger genau", so Unternehmenssprecher Volker Weber.

Handys arbeiten meist nach dem Prinzip der Offboard-Navigation: Die Straßenkarten sind nicht im Endgerät, sondern in einem Zentralcomputer gespeichert, der seine Berechnungen dann ins Auto schickt. Bei PDA-gestützten Navigationssystemen gibt es auch Onboard-Lösungen: Das digitale Kartenmaterial wird mitliefert, die Routenberechnung findet an Ort und Stelle statt. Die Sprachausgabe der Richtungsanweisungen ist bei beiden Systemen möglich.

Heftig beworben wird derzeit der neue Navigationsdienst NaviGate der Telekomtochter T-Mobile. Auch hierbei handelt es sich um eine Offboard-Navigation, die zunächst nur mit zwei bestimmten Modellen des Handyherstellers Nokia funktioniert. Das gesuchte Ziel wird auf dem Handy eingetippt, wenige Sekunden später soll die berechnete Route per Pfeilsymbolik und Sprachausgabe verfügbar sein. Auf Wunsch werden nach Angaben von T-Mobile auch Staus berücksichtigt. Der GPS-Empfänger nimmt über eine kabellose Bluetooth-Verbindung Kontakt mit dem Handy auf, was einen unkomplizierten Einsatz auch für Fahrradfahrer oder Fußgänger ermöglichen soll.

Das entsprechende Set kostet einschließlich des Nokia-Handys 3650 bei T-Mobile 349,95 Euro. Allerdings werden für jede Routenberechnung unabhängig von der Länge zusätzlich 1,99 Euro fällig. Der Mehrpreis für den genau doppelt so teuren Blaupunkt TravelPilot E1 würde sich also nach 175 Fahrten amortisieren - auf das schmucke Handy mit Farbdisplay müsste man dann aber verzichten.

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