Existenzfrage

Call-by-Call-Anbieter fordern Abrechnung über Telekom

Andernfalls drohe vielen Wettberbern das Aus
Von Marie-Anne Winter

Zur Erhaltung des kundenfreundlichen Call by Call heben sich Anbieter von Call-by-Call-Gesprächen, Internet-by-Call-Zugängen und von Auskunftsdiensten in einer Brancheninitiative zusammengeschlossen - unter anderem 01051 Telecom, Telegate, AOL, Freenet und Talkline. Die Unternehmen sehen für die erfolgreichen by-Call-Angebote keine Überlebenschance, falls sich die bestehende Abrechnungspraxis weiter zu ihrem Nachteil ändern würde. Schon jetzt sei durch Regulierungs- und Gerichtsentscheidungen die ursprünglich umfassende Sichtweise der Fakturierungs- und Inkassoverpflichtung der Deutschen Telekom schrittweise so eingeengt worden, dass sich für viele der neuen Anbieter mittlerweile die Existenzfrage stelle. Regelungen zur Netzzusammenschaltung seien ohne eine parallele Bereitstellung von Fakturierung (Rechnungsstellung) und Inkasso (Eintreibung der Rechnungsbeträge und Durchführung der kaufmännischen Mahnung) durch die Telekom praktisch wertlos, das die einhellige Meinung der Wettbewerber.

Inzwischen gebe es Studien, die bestätigen, dass es zu einer verstärkten Remonopolisierung im deutschen Telekommunikations-Markt kommen kann, wenn Fakturierung und Inkasso für Call-by-Call-Anbieter nicht mehr von der Deutschen Telekom angeboten werden. Das Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste (WIK) und Dialog Consult haben entsprechende Studien vorgestellt. Bereits seit 2001 ist die Telekom nicht mehr verpflichtet, Mahnwesen und gerichtliche Eintreibung für die Wettbewerber zu übernehmen. Schon die Änderung des Mahnverfahrens habe die Wechselkosten für den Verbraucher erhöht und sich unmittelbar negativ auf die Geschäftslage der neuen Wettbewerber ausgewirkt. Zur Sicherung des Wettbewerbsbeitrags des Call-by-Call müsse die Telekom sowohl die Fakturierung als auch das Inkasso inklusive der Mahnung durchführen. Alles andere sei volkswirtschaftlich ineffizient und wettbewerbshemmend, ist der Schluss der WIK-Studie.

Beispielrechnungen in der Studie des Duisburger Professors Torsten J. Gerpott von Dialog Consult zeigen, dass der Aufbau eigener Rechnungssysteme die Fakturierungskosten eines Call-by-Call-Anbieters um den Faktor 6 bis 11 erhöhen würde. Diese enormen Kostensteigerungen würden dazu führen, dass keiner dieser Anbieter mehr ein positives Betriebsergebnis erzielen könnte.

Als noch schlimmer empfinden die Unternehmen, dass das Verwaltungsgericht Köln die Telekom nicht in der Verpflichtung sieht, einen erheblichen Teil der Servicerufnummern sowie die Nummern fürs Internet by Call über die Telekom-Rechnung einzuziehen. Lediglich Call by Call für Sprachtelefonie und Auskunftsdienste sollen noch über die Telekom-Rechnung laufen. Nach Ansicht des Gerichts liegt der Schwerpunkt bei den aus der Fakturierungspflicht herausgenommenen Angeboten nicht auf Telekomleistungen, sondern auf dahinterliegenden Inhalten. Dies sei eine Fehlentscheidung, wie der VATM und die auch Regulierungsbehörde für Telekommunikations und Post (RegTP) meinen. Der Regulierer ist denn auch gegen die Entscheidung des VG in Berufung gegangen.

Das WIK und Dialog Consult zeigen nun in ihren Studien, dass Fakturierung und Inkasso wesentliche Leistungen sind - praktisch Anhängsel der Vorleistung Teilnehmeranschlussleitung - die die Telekom den Wettbewerbern anbieten muss, da diesen anderenfalls unverhältnismäßig hohe Kosten und Forderungsausfälle entstehen. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Umsatz von gut sechs Euro im offenen Call by Call, Interconnection-Kosten von circa vier Euro und Rechnungskosten im Falle einer eigenen Rechnung von etwa zwei Euro bliebe den Wettbewerbern auf Dauer keine Marge zum Leben übrig.

Die Einführung von Grundgebühren wie bei der Telekom oder das Durchsetzen höherer Verbindungspreise ist für die alternativen Anbieter keine Lösung. Die Telekom versuche ihrerseits, die Verbindungspreise weiter runterzudrücken und im Quasi-Monopol bei den Grundgebühren höhere Preise durchzusetzen. Für den Kunden würde damit das Call-by-Call-Verfahren bedeutend unattraktiver, weil Preise steigen und es mehrere Rechnungen gibt. Insgesamt verschlechtere sich die wirtschaftliche Lage der betroffenen Wettbewerber im Falle hoher Fakturierungskosten bei geringen Rechnungsbeträgen und es käme zu weiteren Marktaustritten - man denke nur an die Pleitewelle im Jahr 2001, als die Insolvenzmeldungen von Unternehmen wie Callino, Teldafax, Herzog Telecom oder Telebridge schon mit dem makaberen "der nächste, bitte!" überschrieben wurden. Lachender Dritter wäre wieder der Ex-Monopolist Deutsche Telekom.

Die Wettbewerber betonen, dass der Wettbewerb einen klaren Rechtsrahmen benötige, der ihm Fakturierungs- und Inkassoleistungen des Ex-Monopolisten garantiere. Dafür müsse die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) genutzt werden. Die Wettbewerber bräuchten die Dienstleistungen der Telekom, die entsprechend der geringen Mehrkosten durchaus auch Geld mit ihren Leistungen verdienen soll. Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM: "Planungssicherheit ist bei Fakturierung und Inkasso unverzichtbar, sonst haben die Geschäftsmodelle der Call-by-Call-Anbieter auf Dauer keine Chance mehr, und die für den Kunden schädliche Remonopolisierung des deutschen TK-Markts nimmt weiter ihren Lauf."