Telekom und Ericsson: Das Netz im Netz
Technisch interessierte Leser fragen sich schon länger, wann die Telekom "endlich" die 5G-SA-Technologie in ihrem Netz einführt.
Die Antwort ist zweischneidig: 5G-SA gibt es bereits im Netz der Telekom, überall da, wo das Band n78 (3,6 GHz) verwendet wird. Künftig sollen auch 700 MHz dafür genutzt werden.
Aber: 5G-SA gibt es derzeit nur für Geschäftskunden und in speziellen Campus-Netzen, die in Deutschland zwischen 3,7 und 3,8 GHz funken dürfen, von der Außenwelt des Mobilfunks aber abgeschottet sind.
Hoffnungen auf Network Slicing
Ein Netz im Netz kann per Software weltweit geschaltet werden, mit garantierter Qualität.
Grafik: Deutsche Telekom
Viel versprechen sich die Netzbetreiber vom Network Slicing, also von Netzen im Netz, die selbst dann frei von Störungen bleiben sollen, wenn auf dem Nachbar-Slice "die Hölle los" sein sollte, z.B. in einem Fußballstadion oder bei einem Rockkonzert.
Der Netzwerkausrüster Ericsson hat nun mit der Deutschen Telekom "globales 5G Network Slicing mit garantierter Service-Qualität" vorgestellt.
Netzübergreifende Netzqualität
Dabei wollen Telekom und Ericsson eine "garantierte Service-Qualität für latenzkritische Anwendungen über internationale Datenverbindungen" garantieren. Das funktioniert über ein SD-WAN (Software Defined Wide Area Network). Weitere Zauberformeln sind Radio Resource Partitioning (RRP) und Servicequalität (QoS).
Praktische Machbarkeitsstudie
In einer Machbarkeitsstudie wurde 5G Ende-zu-Ende Network-Slicing mit einer garantierten Service-Qualität (QoS) über Ländergrenzen hinweg umgesetzt. Die beiden Unternehmen konnten eine internationale Datenverbindung für latenzkritische Anwendungen herstellen.
Das sei eine "Weltneuheit". Es komme eine sehr flexible und zentral verwaltete, internationale Datenverbindung für latenzkritische Anwendungen zum Einsatz. Das interessiert besonders globale Unternehmen von Vorteil, die latenzkritische Anwendungen an unterschiedlichen, internationalen Standorten betreiben.
Neue Geschäftsmodelle
5G Network Slicing soll das neue Geschäftsmodell für Anwendungen in der Industrie werden. Damit sollen spezifische Netz-Ressourcen und unterschiedlicher Service-Parameter über Ländergrenzen hinweg flexibel zugeteilt werden. Sprich, wenn der Techniker in Düsseldorf einen Knopf drückt, soll die Maschine in Buenos Aires sofort anlaufen und möglichst in Echtzeit auf die Befehle reagieren ("Auf - ab" , "links - rechts" etc.).
Die Technik könnte Grundlage für neue innovative und latenzkritische Anwendungen sein, zum Beispiel aus den Bereichen Rundfunk, Logistik oder Fahrzeug-Telematik.
Qualitätsgesicherte Datenverbindung
In der Machbarkeitsstudie wurde zum Beispiel die qualitätsgesicherte Datenverbindung zwischen Deutschland und Polen hergestellt. Der 5G-Slicing-Aufbau basierte auf einer 5G-Standalone (5G-SA) Funk- und Kernnetzinfrastruktur von Ericsson und einer kommerziellen SD-WAN-Lösung der Deutschen Telekom.
Die SD-WAN-Lösung wird von einem "Ericsson-Orchestrator" verwaltet, der über offene Schnittstellen, sogenannte APIs (Application Program Interfaces), in ein Kundenportal der Deutschen Telekom integriert wurde. Die Kombination von 5G-Slicing und SD-WAN-Technologie ermöglicht eine flexible Verbindungsherstellung und -steuerung. Die lokale Übergabe des Datenverkehrs an den Anwendungsserver ermöglicht niedrige Latenzzeiten.
Radio Resource Partitioning (RRP) für verbessertes RAN-Slicing
Unterschiedliche Nutzer benötigen unterschiedliche Service-Parameter für ihre Anwendungen. Durch Ende-zu-Ende Network-Slicing in Kombination mit SD-WAN können zum einen die Service-Ansprüche der Kunden erfüllt werden, und zum anderen lassen sich die Netz-Ressourcen flexibel und effizient nutzen.
In der Machbarkeitsstudie wurde auch die Fähigkeit der Radio Resource Partitioning (RRP)-Funktion für RAN-Slicing überprüft. Hierbei werden Funk-Ressourcen in Partitionen aufgeteilt und dynamisch pro Netzwerkslice zugeordnet. Dadurch wird eine effiziente Abgrenzung, aber auch gemeinsame Nutzung von Funk-Ressourcen zwischen Netzwerkslices ermöglicht.
Jeder Netzwerkslice bekommt bestimmte Funk-Ressourcen zugeteilt, die jeweils bestimmten Mindestanforderung genügt. Ungenutzte Kapazität kann gleichzeitig anderen Netzwerkslices dynamisch zur Verfügung gestellt werden. Das maximiert die Gesamtkapazität des Systems. Mit dieser Technologie können hochwertige Dienste mit einer garantierten Service-Qualität bereitgestellt und gleichzeitige wertvolle Frequenzen effizient genutzt werden.
Man kann sich das wie einen Güterzug der Eisenbahn vorstellen, der aus lauter offenen Güterwägen besteht. Die Software weiß, wer gerade wie viele Wägen braucht und weist die Wägen dem Nutzer zu. Sind noch leere Wägen übrig, bekommt die derjenige, der sie gerade braucht, mehr davon. Braucht der sie nicht mehr, bekommt sie jemand anders. Im Gegensatz zur Wirklichkeit müssen keine Wägen umrangiert oder umgehängt werden (also Baugruppen getauscht oder eingebaut oder umgebaut werden), sondern das passiert alles im laufenden Betrieb per Software, quasi auf Knopfdruck.
Netzübergreifende Qualität
Die Machbarkeitsstudie zeigt, dass durch die Kombination von 5G-Netz-Slicing mit SD-WAN eine Ende-zu-Ende Dienstqualität auch in einem internationalen Szenario sichergestellt werden kann, wo unterschiedliche Netzbetreiber beteiligt sind.
Die Datenverbindung kann flexibel und automatisiert bereitgestellt und gesteuert werden. Dazu gibt es niedrige Latenzzeiten und eine garantierte Verbindungsqualität. Alle Beteiligten benutzen die gleichen Funksender bzw. einen Teil davon, wissen aber, dass sie zu jeder Zeit eine Verbindung bekommen können.
Für weltweit aktive Unternehmen können dadurch weltweit einheitlichen Dienste und Angebote bereit gestellt werden. Ein Netzbetreiber kann dabei mit lokalen Partnern zusammenarbeiten, die sich vor Ort auskennen.
Maßgeschneiderte Angebote
Alex Jinsung Choi, Senior Vice President Research and Technology Innovation, Deutsche Telekom
Foto: Deutsche Telekom
Alex Choi, bei der Deutschen Telekom für Technologie Strategie und Erneuerung zuständig, erklärt, was das für ihn bedeutet: "Network Slicing ist eine wichtige Voraussetzung für 5G, um maßgeschneiderte Datenanbindungen für Unternehmen bereitzustellen. Das ermöglicht die flexible Kombination von 5G-Slicing mit SD-WAN in einem internationalen Setup. So können wir den wachsenden Bedarf von Unternehmen an einer Datenverbindung mit garantierter Servicequalität über Ländergrenzen hinweg erfüllen."
Erik Ekudden, Senior Vice President, CTO und Head of Group Function Technology, Ericsson Networks
Foto: Ericsson / per@myrehed.com
Erik Ekudden, Technik Chef bei Ericsson, erklärt: "Die intelligente und flexible Kombination verschiedener Technologien über Ländergrenzen hinweg, ist ein weiterer Beweis dafür, wie vielversprechend ein globales 5G-Ökosystem sein kann. Auf diesem Weg werden wir den neuen Anforderungen global agierender Unternehmen gerecht."
Wer ist Ericsson?
Das Unternehmen Ericsson sieht sich als "Weltmarktführer auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie und -dienstleistungen" und hat seine Zentrale in Stockholm, Schweden. Das Kerngeschäft ist das Ausrüsten von Mobilfunknetzen mit Technik und der dafür notwendigen Software. Auf Wunsch kann Ericsson auch im Auftrag des jeweiligen örtlichen Netzanbieters das Netz betreiben und verwalten.
Ericsson wurde 1876 von L.M. Ericsson in Schweden gegründet. Heute arbeiten dort etwa 101.000 Mitarbeiter weltweit und beliefern Kunden in 180 Ländern. Der Nettoumsatz betrug 2021 etwa 21,8 Milliarden Euro (232,3 Milliarden SEK).
Aktuell hält Ericsson 170 kommerzielle Vereinbarungen und Verträge mit Mobilfunknetzbetreibern weltweit. Darüber hinaus ist Ericsson an einem Großteil aller kommerziell laufenden 5G-Livenetze beteiligt. Zu den 109 durch Ericsson unterstützten 5G-Livenetzen weltweit zählen unter anderem auch Netze in Deutschland und der Schweiz.
In Deutschland beschäftigt Ericsson rund 2700 Mitarbeiter an 12 Standorten – darunter rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung (F&E). Der Hauptsitz ist Düsseldorf.
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