Fortschritt

Kommentar: Neil Young attackiert Streaming und trifft die Falschen

Neil Young kritisiert die schlechte Audio-Qualität von Musik-Streaming. Dabei leidet die Musik von heute unter einem ganz anderen Dilemma: Wo bleibt der Raumklang?
Von Hans-Georg Kluge

Neil Young hat ganz eigene Vorstellungen vom Musik-Streaming. Neil Young hat ganz eigene Vorstellungen vom Musik-Streaming.
Bild: dpa
Neil Young hat via Facebook ordentlich gegen Streaming-Dienste vom Leder gezogen. "Streaming ist für mich zu Ende", schreibt er auf seiner Fan-Page [Link entfernt] - und verkündete so den Abzug seiner Musik von diversen Streaming-Portalen wie Spotify. Es gehe ihm nicht ums Geld, sondern um die Audioqualität - die sei bei aktuellen Streaming-Diensten die "schlimmste in der Geschichte des Broad­castings oder anderen Musik-Ver­breitungs­formen".

Ob es ihm wirklich nicht um sein Bankkonto geht? Neil Young veröffentlichte erst vor drei Wochen ein neues Album, das zum Beispiel bei Spotify verfügbar ist (in Deutschland noch immer!). Ist er unzufrieden mit den Album-Verkäufen? Wer weiß. Außerdem ist Neil Young an dem Musik-Streaming-Dienst Pono beteiligt, der qualitativ hochwertige Codecs und Digitalisierungs­techniken verwendet und mit dem PonoPlayer ein teures Stück Abspiel-Hardware an Enthusiasten verkauft.

Musikhören: Seit 30 Jahren kaum Fortschritt

Neil Young hat ganz eigene Vorstellungen vom Musik-Streaming. Neil Young hat ganz eigene Vorstellungen vom Musik-Streaming.
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Die von Neil Young angerissene Debatte um die Qualität von Audio-Codecs ist alt, aber eigentlich längst überholt. Klar, ein 128er-MP3 aus der Gruft des 20. Jahrhunderts ist hörbar schlechter als die dazugehörige Audio-CD. Aber ich wette, dass kaum ein Hörer (selbst bei gutem Equipment) Unterschiede zwischen einer CD und einer Audio-Datei hören kann, die mit einem aktuellen Codec (MP3, Ogg Vorbis oder AAC) und hoher Bitrate (256 kBit/s und aufwärts) erstellt wurde. Spotify streamt in der besten Qualität übrigens im Ogg-Vorbis-Format mit rund 320 kBit/s - in der niedrigsten Einstellung aber nur mit rund 96 kBit/s, das ist dann tatsächlich sehr wenig.

Digitale Distribution von Musik ist eine "disrupting technology", wie es neudeutsch über revolutionäre Erfindungen heißt. Musik-Downloads und -Streaming haben den Kauf von CDs massiv zurückgedrängt. Von illegalen Möglichkeiten ganz zu schweigen.

Sicher hat die digitale Verfügbarkeit bei vielen die Hörgewohnheiten geändert - aber Stereoton ist noch immer Standard. Neil Young hätte hier ein Thema, mit dem er bleibenden Eindruck hinterlassen könnte: Seit mehr als 30 Jahren sind Hörer weitgehend auf den klassischen Stereoton beschränkt. Dabei haben viele Verbraucher längst 5.1- oder 7.1-Lautsprecher-Syteme im Wohnzimmer stehen. Doch wie viele Musik-Alben gibt es, die das ausnutzen? Eine wenige Blu-Rays oder Musik-DVDs gibt es, es sind aber überschaubar wenige. Schade, dass sich mangels Elan der Industrie und der Künstler Mehrkanalformate nicht durchsetzen. Stattdessen gibt es jetzt selbst in großen Elektro-Märkten wieder Plattenspieler und Vinyl-Scheiben und Musik-Fans feiern sich auch noch dafür.

Heute gibt es viele Situationen, in denen musikalische Untermalung gewünscht ist. Unterwegs mit dem Smart­phone hören, zu Hause im Wohnzimmer oder im Restaurant oder der Bar im Hintergrund: Für all diese Situationen braucht es unter­schied­liche Abmischungen - heute fehlt vor allem der Mehrkanal-Ton.

Auf unserer Infoseite stellen wir Ihnen einige Streaming-Dienste vor.

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