Technik

Hintergrund: So funktioniert ein Kabelnetz

TV-Kabel-Netze wurden eigent­lich für die Über­tra­gung von Fern­seh­bil­dern geschaffen, inzwi­schen ist auch die Inter­net­nut­zung möglich. Wir zeigen Ihnen, welche Technik hinter einem Kabel­netz steckt.
Von Thorsten Neuhetzki / Julian Ruecker

Als das Internet aufkam, gingen die Nutzer zunächst per Modem oder ISDN-Karte ins Internet. Einige Jahre später war es dann der DSL-Zugang. Inzwi­schen gibt es zahl­reiche andere Anschluss­formen, die das Breit­band-Internet ins Haus bringen. Eine davon ist das TV-Kabel­netz. Noch immer wissen einige Kunden nicht, dass sich die Kabel­dose mit ein wenig tech­nischer Verän­derung auch für einen Inter­net­zugang nutzen lässt, der schneller ist als der klas­sische DSL-Zugang.

Die notwen­digen Voraus­set­zungen schaffen dabei die Anbieter selbst. Doch wie funk­tio­niert diese Technik eigent­lich und warum kann man über ein TV-Kabel­netz surfen? Wir nehmen Sie mit auf die Reise Ihrer Daten von Ihrer Wohnung ins Internet und erklären Ihnen auch, warum es sein kann, dass Sie im Versorgungs­bereich eines Anbie­ters wohnen, aber dennoch kein Kunde werden können.

Die Geschichte des Kabel-Netzes

Kabelnetz-Schema Schema: So funktioniert ein Kabelnetz.
Eine bebilderte Übersicht, wie ein Kabelnetz funktioniert und wie die Netzelemente aussehen, bekommen Sie mit einem Klick auf dieses Bild.
Grafik: Kabel Deutschland
Damit Sie über das Kabel­netz surfen können, haben die Kabel­netz­betreiber hohe tech­nische Inves­titionen in das Netz gesteckt. Denn als die Deut­sche Bundes­post, später Telekom, das Netz in den 1980er Jahren baute, hatte es nur einen Zweck: ein Fern­seh­signal von einem zentralen Anlie­ferungs­punkt aus über die ganze Stadt in die Haus­halte zu verbreiten. An einen Rück­kanal vom Kunden zum An­bie­ter, der für Internet und Tele­fonie nötig ist, hatte damals niemand gedacht, ent­spre­chend waren die Netze in den Straßen, aber auch in den Haus­halten, nicht dafür vorbe­reitet. Deshalb hat beispiels­weise Voda­fone (ehemals Kabel Deutsch­land), die das Breitband­kabelnetz der Deut­schen Telekom in 13 Bundes­län­dern in Deutsch­land über­nommen hat, nach eigenen Angaben bis heute mehr als eine Milli­arde Euro inves­tiert.

Aus der Historie heraus gibt es eine Beson­der­heit im deut­schen Netz: Es ist unter­teilt in Netz­ebenen. Und obwohl beispiels­weise Voda­fone das Kabel­netz in den Straßen (Netz­ebene 3) betreibt, kann der Kabel­netz­anbieter zu Hause (Netz­ebene 4) doch ein anderer sein.

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Die Infra­struktur des Kabel­netzes bis zum Nutzer nach Hause

Hat an Ihrer Adresse der zustän­dige Kabel­netz­betreiber die eigene Infra­struktur mit Kabel­kopf­stellen, Verstär­kern und Glas­faser­netzen rückkanal­fähig gemacht, ist eine wich­tige Voraus­set­zung für Kabel-Internet erfüllt. Im nächsten Schritt muss auch das Kabel­netz inner­halb des Wohn­hauses moder­nisiert werden. Dies erle­digen Service­tech­niker. Inter­essant ist in diesem Zusam­men­hang, wie die einzelnen Wohnungen im Haus mitein­ander verbunden sind. Oftmals handelt es sich um eine Baum­struktur. Das heißt, das Kabel­netz kommt vom Über­gabe­punkt im Keller in der ersten Wohnung an, geht von dort in die zweite und von dort in die dritte. Im Umkehr­schluss würde das bedeuten, dass ein Kunde im fünften Stock sein Inter­net­signal erst durch vier weitere Stock­werke senden muss, bevor es ins eigent­liche Kabel­netz geht. Das ist tech­nisch jedoch nicht immer möglich.

Die vorhan­dene Baum­struktur wird über­prüft, um die tech­nischen Para­meter einzu­halten. Bei Bedarf wird das Netz mögli­cher­weise umge­baut. Inter­essiert sich ein Kunde im fünften Stock für Kabel-Internet, so wird in diesem Szenario ein eigenes Kabel durch die in der Regel im Trep­pen­haus befind­lichen Kabel­züge gezogen, das seine Wohnung direkt mit der Netz­technik im Keller verbindet. Dies ist ein einfa­cher und etablierter Vorgang mit geringem Arbeits­auf­wand. Alter­nativ ist in Wohn­häu­sern eine Stern-Struktur ange­legt worden. In diesem Fall ist bereits jede Wohnung direkt mit dem Keller verbunden.

Andere Anbieter können eigenes Signal einlie­fern

Kabeltechnik im Keller Die im Keller des Wohnhauses verbaute Technik: Von der Wohnung zum Übergabepunkt.
Foto: teltarif.de
Hat der Service­tech­niker die Arbeiten im Haus­netz erle­digt und den Kabel­ver­stärker im Keller gegen einen Rück­kanal-Haus­ver­stärker ausge­tauscht, erhält der neue Kabel-Internet-Kunde eine neue Kabel­buchse (Multi­media­dose) in seiner Wohnung. Statt zwei Anschlüssen für TV- und Radio-Signal hat er nun drei Anschlüsse - an den dritten wird das Kabel-Modem gesteckt, das dann das Tele­fonieren und das Surfen im Internet ermög­licht.

Die Schnitt­stelle zwischen NE3 und NE4 ist der Haus­über­gabe­punkt (HÜP). An diesen Punkt liefert beispiels­weise Voda­fone dem Anschluss­bereich entspre­chend ein fest­gelegtes Signal. Netz­betreiber der Netz­ebene 4 können das von der NE3 ange­lie­ferte Signal auch mit eigenen Infor­mationen anrei­chern. So kann es durchaus sein, dass in einigen Haus­halten mehr Fern­seh­pro­gramme zu empfangen sind als in anderen. Auch wenn der NE4-Betreiber ein Internet-Angebot bereit­hält, muss dieses nicht zwin­gend vom NE3-Betreiber stammen. Eigene Produkte fremder NE4-Betreiber müssen nach dem HÜP reali­siert werden und können dort dann nach Bedarf einge­speist werden. Die Schnitt­stelle (ob Tech­nik­raum, Haus­anschluss­keller, intern oder extern eines zu versor­genden Objektes) legt der Anbieter selbst fest. Häufig ist es heute aber so, dass die NE4-Vermark­tung vom eigent­lichen Kabelnetz­betreiber durch­geführt wird, die TV-Signale aber durch einen Rahmen­vertrag über die Wohn­neben­kosten abge­rechnet werden.

134.000 Voda­fone-Verstärker im Bundes­gebiet

Verstärkerpunkt Verstärkerpunkt von Kabel Deutschland / Vodafone
Foto: teltarif.de
Das aus dem Haus­über­gabe­punkt versor­gende Kabel verläuft dann weiter unter dem Bürger­steig. Hier spricht man von der D-Linie, die in einen kleinen Vertei­ler­kasten unter dem Bürger­steig mündet. Hier kommen auch noch andere Haus­ein­mün­dungen an und das Signal wird auf die C-Linien gelegt, die entlang der Straße verlaufen. Sie enden in Verstär­ker­punkten. Diese Verstär­ker­punkte sehen aus wie die Kabel­ver­zweiger der Deut­schen Telekom, die wir Ihnen in einem anderen Hinter­grund­artikel vorstellen. Im Versor­gungs­gebiet von Voda­fone, die uns einen Einblick in ihre Technik gewährte, hat das Unter­nehmen 134 000 Verstärker instal­liert. Hinzu kommen die Verstärker anderer Unter­nehmen.

Die Verstärker verstärken sowohl das TV- und Internet-Signal aus der Kabel­kopf­stelle in Rich­tung des Kunden als auch das Inter­net­signal vom Kunden zur Breit­band-Kabel­ver­stär­ker­stelle. Eine Ener­gie­ver­sor­gung für die Verstär­ker­punkte wird entweder vor Ort reali­siert oder als Nied­rig­span­nungs-Signal über die ohnehin liegenden Kabel von anderen Verstär­ker­punkten zuge­führt. So muss der örtliche Ener­gie­ver­sorger nicht an allen Verstär­ker­punkten eine Strom­lei­tung zur Verfü­gung stellen.

Von den Koax-Verstär­ker­punkten aus wird das Signal dann durch weitere Verstärker zu den Fibre Nodes (Glas­faser­ver­stär­ker­punkte) trans­por­tiert, also so etwas wie den Einwahl­punkten der Kabel-Internet-Kunden. Der Fibre Node ist für eine gewisse Zahl an Nutzern und Band­breite ausge­legt. Sind in einem Gebiet beson­ders viele Kunden auf dem Breit­band­netz aktiv, so wird das Netz fein­maschiger aufge­baut, um den Kunden die bestellte Band­breite liefern zu können. So wird das Netz immer weiter stern­förmig aufge­baut und der Anbieter hat die Möglich­keit, die Perfor­mance der Kunden auf den Fibre Nodes zu beein­flussen. Dadurch rückt die Glas­faser­lei­tung über die Jahre auch immer näher an den Kunden heran.

Vom Fibre Node aus werden die Daten dann in die Breitband­kabel­verstärker­stelle (BK) geschickt. Das ist der Punkt, der allge­mein als Kabel­kopf­sta­tion bekannt ist. Voda­fone unter­hält in ganz Deutsch­land 2100 üBK (ü = über­geord­nete BK). Hinzu kommen jene Kabel­kopf­sta­tionen von Unity­media (gehört seit 2019 zu Voda­fone) und Tele Columbus. Zudem gibt es auch kleine Kabel­kopf­sta­tionen, die in Wohn­anlagen statio­niert sind und direkt die NE4 versorgen.

Über­tra­gungs­stan­dards im Kabel­netz

Im Kabel­netz wird in der Regel der Stan­dard DOCSIS 3.1 (DOCSIS = Data Over Cable System Inter­face Speci­fica­tion) einge­setzt. Dieser Stan­dard zeichnet sich dadurch aus, dass er auf die Distanz kaum an Band­breite verliert. Mit DOCSIS 3.1 sind durch die Bünde­lung von Kanälen Band­breiten im Gigabit-Bereich möglich. Mit DOCSIS 4.0 werden die Entwick­lungen weiter­gehen und u. a. durch mehrere Über­tra­gungen im glei­chen Frequenz­spek­trum symme­tri­sche Band­breiten bereit­gestellt. Durch die Nutzung eines erwei­terten Frequenz­spek­trums (bis 1,8 GHz) werden aber­mals höhere Über­tra­gungs-Geschwin­dig­keiten von bis zu 10 GBit/s im Down- und 6 GBit/s im Upstream erreicht.

Signal­wand­lung von analog nach digital - und umge­kehrt

Cable Modem Termination System (CMTS) Cable Modem Termination System (CMTS)
Foto: teltarif.de
In der über­geord­neten Kabel­kopf­sta­tion (üBK) wird aus einem HF-Signal, also einem Anten­nen­signal, das eigent­liche IP-Signal, das von hier aus auf IP-Basis weiter­geleitet wird.

Das Internet-Signal wird zunächst über einen regio­nalen Back­bone geleitet. Das sind Glas­faser­kabel, die die einzelnen Kabel­kopf­sta­tionen einer Region mitein­ander verbinden. Wie bei der klas­sischen Fest­netz­struktur werden die Daten von diesem Ring-Netz dann zum entspre­chenden Breit­band-Point-of-Presence (PoP) geleitet. Hier findet dann das eigent­liche Routing statt. Die IP-Daten werden entweder über das eigene Netz durch Deutsch­land geschickt und an andere Carrier, in deren Netz der Ziel­server liegt, über­geben oder aber bereits im PoP an andere Anbieter geleitet.

Eben­falls in der Kabel­kopf­sta­tion (üBK) wird das TV-Signal aufbe­reitet.

TV-Signal im Kabel kommt auch per Satellit

Satellitenschüsseln von Kabel Deutschland Das TV-Signal wird von zahlreichen Satelliten abgegriffen.
Foto: teltarif.de
Die eigent­lichen TV-Signale kommen entweder per direkter Glas­faser­lei­tung aus dem Fernseh-Sende­studio zur Kabelkopf­station oder werden vom Satel­liten abge­griffen. Voda­fone hat dabei mitt­ler­weile komplett auf ein zentrales Playout-Center umge­stellt, das per Glas­faser­lei­tung mit TV-Signalen versorgt wird. Andere Anbieter wie Tele Columbus empfangen die TV-Sender wiederum in Teilen per Satellit. Die TV-Signale werden in der Kabel­kopf­stelle aufbe­reitet und in ein HF-Signal, das zu den Kabel­netzen kompa­tibel ist, umge­wan­delt. Anschlie­ßend wird das TV-Signal bild­lich gespro­chen mit dem IP-Signal gekop­pelt und auf die Reise zum Kunden geschickt.

Auch die Tele­fonie reali­sieren die Kabel­anbieter über IP, also über die Leitungen, die auch das Inter­net­signal zum Kunden bringen. Der Fach­begriff lautet "Voice over Cable" (VoC) und meint eine Misch­form aus NGN und klas­sischem VoIP. Voice over Cable wird nach Anbie­ter­angaben mittels des Signalisierungs­protokolls Media Gateway Control-Proto­koll (MGCP) und dem Quality-of-Service-Mecha­nismus Paket Cable reali­siert. Die Sprach­kanäle für Tele­fonie stehen damit auch unter hoher Internet-Auslas­tung zuver­lässig zur Verfü­gung. Voda­fone unter­hält beispiels­weise eigene Vermitt­lungs­technik für die Sprach­ver­mitt­lung. Diese ist im Prinzip in weiteren Teilen iden­tisch mit der klas­sischen Fest­netz­ver­mitt­lung im NGN-Gebiet. Da bei Kabel­anbie­tern auf IP-Basis tele­foniert wird, werden keine PSTN-Voice-Switche (PSTN = Public Swit­ched Tele­phone Network, klas­sisches Fest­netz) mehr benö­tigt, es werden ledig­lich Softs­witche verbaut, die leichter zu warten sind.

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