Sterbeglöckchen

Kleine Läden sterben: Ist das Internet wirklich schuld?

Kleidung oder Bücher, Unterhaltungs­elektronik oder Schuhe - Kunden in Deutschland lassen gern nach Hause liefern. Das Internet stellt den Handel auf den Kopf. Verlierer sind die kleinen und mittelgroßen Läden.
Von dpa / Paulina Heinze

Frau vor Schaufenster Kleine Mode­händlern geben auf
Bild: dpa
Das Internet krempelt die deutsche Einzelhandels­branche um. Während Online­händler über steigende Umsätze jubeln, kämpfen viele kleine Läden um die Existenz. "Wir stehen mitten in einem Umbruch der gesamten Einzel­handels­branche", sagte Christoph Wenk-Fischer, Haupt­geschäfts­führer der Bundes­verbandes des Deutschen Versand­handels (BVH), in Hamburg. Milliarden­umsätze wandern Jahr für Jahr über das Internet in den Handel.

In Köln warnte der Bundes­verband des Deutschen Textil­einzel­handels (BTE) vor einem Laden­sterben. Betroffen seien vor allem die Randlagen der Großstädte, aber auch kleine und mittlere Kommunen. Seit der Jahrtausend­wende sei die Zahl der Bekleidungs­fachhändler jährlich um rund 1 000 Unternehmen gesunken. Während es im Jahr 2000 noch mehr als 35 000 Textil­händler in Deutschland gab, sei diese Zahl aktuell auf nur noch 20 000 gesunken, sagte BTE-Präsident Steffen Jost.

"Online boomt, während dem mittel­ständischen Einzel­handel ja schon fast das Sterbe­glöckchen geläutet wird. Tatsächlich ist der Onlinehandel derzeit sicherlich der größte Gewinner im Wettbewerb", sagte Jost. Probleme bereite etwa den mittel­ständischen Mode­händlern eine zurückgehende Zahl von Einkaufs­willigen in den Städten. "Da die Menschen ihr Leben zunehmend vom heimischen Computer aus organisieren, verringern sich die Chancen für Impuls- und Lustkäufe", sagte er.

Technische Ausstattung, Internet-Flatrates und LTE

Frau vor Schaufenster Kleine Mode­händlern geben auf
Bild: dpa
Im laufenden Jahr soll der Online­handel nach Angaben des BVH um knapp 25 Prozent auf 48,8 Milliarden Euro wachsen. Im vergangenen Jahr lag die Wachs­tums­rate bei knapp 42 Prozent auf 39,1 Milliarden Euro. Darin noch gar nicht enthalten sind digitale Güter wie E-Books, Musik oder Software und Dienst­leistungen wie Fahrscheine, Flugtickets, Reisen und Konzertkarten. Damit wurden noch einmal 10,6 Milliarden Euro Umsatz gemacht.

Anders gesagt: In nur zwei Jahren gewann der Online­handel mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz dazu. Der Anteil des Versandhandels am gesamten Einzel­handel (ohne Lebensmittel, steuer­bereinigt) stieg allein im vergangenen Jahr von 9,4 Prozent auf 11,2 Prozent. Schon in wenigen Jahren könnten es nach Einschätzung von Experten 25 Prozent werden.

Längst ist das Internet zum dominierenden Bestellweg geworden. Brief, Postkarte, E-Mail oder Telefon verlieren rasant an Bedeutung. Immer mehr Kunden bestellen von unterwegs, mit dem Smartphone oder dem Tablet. Jeder zehnte Umsatzeuro kommt schon mobil zustande; mit 4,9 Milliarden Euro haben sich die Einnahmen hier vervierfacht.

"Vor allem das junge Ziel­publikum ist längst bereit, technisch gerüstet und mit leistungs­starken Daten-Flatrates ausgestattet", sagte BVH-Verbands­präsident Thomas Lipke. Passende Apps des Handels und das schnelle Übertragungs­protokoll LTE sollen zusätzlichen Schub für das mobile Einkaufen bringen.

Für den stationären wie auch für den Versand­handel wächst die Vielfalt von Handels­formen und Anbietern. Es gibt Kunden, die sich im Internet informieren und dann im Laden kaufen. Oder umgekehrt. Oder einen Katalog lesen und dann im Internet bestellen. Der Händler muss überall präsent sein, auf allen Kanälen. "Wir müssen die sogenannte 'Customer Journey', den Weg des Kunden vom ersten Werbe­kontakt bis hin zur Betreuung nach dem Kauf, virtuos managen", sagte Lipke.

Mehr zum Thema Kaufen