Entwurf

Zypries: Telefonüberwachung künftig nur bei schweren Straftaten

Innenminister: T-Mobile behindert Strafverfolgung
Von dpa / Thorsten Neuhetzki

Telefonüberwachung soll künftig auf schwere Straftaten begrenzt werden. Eine Überwachung sei dann grundsätzlich nur noch bei Delikten erlaubt, deren Strafmaß bei mindestens fünf Jahren Haft liegt, erläuterte Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) in Berlin. Neu in den Katalog kommen sollen schwere Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität wie Korruption, gewerbs- und bandenmäßiger Betrug oder schwere Steuerdelikte (bandenmäßiger Schmuggel).

Zudem ist nach dem Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Neuregelung verdeckter Ermittlungsmaßnahmen eine Telefonüberwachung künftig möglich zur Aufklärung aller Menschenhandelsdelikte und "bei jeder Form der Verbreitung von Kinderpornografie". Allerdings darf die Telefonüberwachung nur dann eingesetzt werden, wenn alle anderen Möglichkeiten der Ermittlung nicht mehr greifen. Die so genannte Vorratsdatenspeicherung soll entsprechend einer EU-Richtlinie von drei auf sechs Monate ausgeweitet und deren Verwendung auf Strafverfolgungszwecke eingegrenzt werden. Von der Opposition kam heftige Kritik an der Neurregelung.

Betroffene sollen nachträglich benachrichtig werden

Verdeckte Ermittlungen können den Angaben zufolge künftig nur vom Ermittlungsrichter am Sitz der Staatsanwaltschaft angeordnet werden. Das solle den Richtervorbehalt stärken und den Grundrechtsschutz des Betroffenen verbessern. Die Ermittlungsbehörden werden verpflichtet, bei allen verdeckten Ermittlungsmaßnahmen den Betroffenen nachträglich umgehend zu benachrichtigen. Sollte die Staatsanwaltschaft - etwa aus Gründen der Ermittlungen - die Benachrichtigung länger als ein Jahr hinauszögern, müsse sie das Gericht einschalten. Der Betroffene kann in jedem Fall im Nachhinein gerichtlich prüfen lassen, ob die Maßnahmen gegen ihn rechtens waren.

Alle Erkenntnisse aus verdeckten Ermittlungen müssen laut Zypries künftig "unverzüglich" gelöscht werden, wenn sie weder zur Strafverfolgung noch zur gerichtlichen Überprüfung der Maßnahme erforderlich sind. Besonderen Schutz genössen weiterhin - wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt - Seelsorger, Verteidiger sowie - vom Grundgesetz vorgegeben - auch Abgeordnete. Verbessert werden solle auch der Schutz für Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten und andere Berufsgeheimnisträger.

Mörder erzählen ihre Tat nicht am Telefon

Die Telefonüberwachung betreffe zu 64 Prozent Drogendelikte, sagte Zypries. Sie werde auch besonders bei Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität eingesetzt. Bei Mord könne sie dagegen kaum ein adäquates Ermittlungsinstrument sein, da der Mörder seine Tat mit großer Wahrscheinlichkeit nicht am Telefon erzählt. Der Entwurf soll im Frühjahr 2007 verabschiedet werden. Er ist laut Zypries im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig.

Der Branchenverband BITKOM begrüßte, dass der Referentenentwurf des Ministeriums keine strengeren Speicherpflichten vorsieht als die EU-Richtlinie. Zugleich beklagte er, dass die Unternehmen, die bei den verdeckten Ermittlungen mit Technik und Personal helfen, "leider immer noch nicht entschädigt" würden.

T-Mobile behindert Strafverfolgung

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat dem Handyprovider T-Mobile unterdessen eine massive Behinderung der Strafverfolgung vorgeworfen. Das Unternehmen missachte regelmäßig richterliche Beschlüsse und Anordnungen der Polizei, die Handys von Straftätern oder gefährdeten Personen zu überwachen, um deren Standort zu ermitteln. Der Mobilfunkbetreiber verstoße damit gegen das niedersächsische Gesetz zur Gefahrenabwehr, schrieb Schünemann in einem Beschwerdebrief an das Bonner Unternehmen und an die Bundesnetzagentur, der heute in Hannover veröffentlicht wurde.

Anlass der aktuellen Beschwerde ist eine Fahndung nach zwei verurteilten Gewalttätern, die am vergangenen Wochenende aus einem Landeskrankenhaus bei Uelzen geflohen sind. Nach Angaben des Ministers widersetzte sich T-Mobile stundenlang der richterlichen Anordnung, die Handys der Ausbrecher zu überwachen. Zwar seien die Männer heute gefasst worden, sagte ein Ministeriumssprecher, aber solche Fälle könnten ohne die angeordnete Handyüberwachung auch weniger glimpflich ausgehen.

Ferner kritisierte der Minister, dass T-Mobile Anordnungen zur Standortermittlung eines Handynutzers nur über eine kostenpflichtige 0900-Nummer annehme. Der Versand eines Faxes an die Nummer koste 30 Euro. Das Unternehmen verstoße gegen die gesetzliche Pflicht, die Anordnungen jederzeit zum gewöhnlichen Entgelt entgegenzunehmen. T-Mobile sei der einzige deutsche Netzbetreiber, der bei der Zusammenarbeit mit der Polizei Probleme verursache.