Themenspecial VoIP Ablösung?

Taugt Voice over IP als Festnetzersatz?

Viele Festnetz-Features fehlen bei der Internettelefonie noch
Von Thorsten Neuhetzki

Ein weiteres oft genanntes Argument gegen VoIP ist die vermeintlich schlechte Sprachqualität. Gerade bei den Nutzern, die Breitbandleitungen mit nur 1 oder 2 MBit/s im Downstream nutzen, kann bei geringen Standard-Upstream-Geschwindigkeiten zu Problemen führen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn kein VoIP-Router genutzt wird, der Traffic-Shaping unterstützt. Werden Sprach-Daten bei gleichzeitigem Surfen nicht priorisiert behandelt, kann es schnell zu Störungen in der Leitung kommen. Das trifft insbesondere auf Softphones und auf VoIP-Telefone etwa auf WLAN-Basis zu. Wer hingegen entsprechende Hardware verwendet oder Leitungen mit höherem Upstream verwendet, hat hier in aller Regel kein Problem.

Verzichten muss der VoIP-Nutzer bei vielen Anbietern auf die Möglichkeit, Faxe verschicken zu können. Ob ein solches Dokument per VoIP übertragen wird oder nicht, ist eher Glückssache. Bei mehreren Anwahlversuchen über einen Anbieter kann der Versand eines Faxes innerhalb weniger Minuten funktionieren oder nicht. Nur mit entsprechendem Fax-Codec ist ein solcher Versand gesichert. Solche Codecs werden in Deutschland von den Anbieter aber derzeit nicht verwendet.

Doch nicht nur die Möglichkeit, Faxe versenden zu können, ist vielen Nutzern wichtig. Auch andere aus dem Festnetz bekannte Funktionen werden oftmals nachgefragt. Diese sind teils verfügbar, teilweise bietet VoIP aber sogar Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Festnetz, in dem Features kostenlos geboten werden, die beim Festnetzanschluss nicht oder nur gegen Aufpreis möglich sind. sipgate beispielsweise bietet seinen Nutzern mit einem Anrufbeantworter im Netz und anderen netzseitigen Features solche Dienstleistungen an. Auch 1&1 bietet mit Parallelruf und Anrufbeantworter praktische Feature an. Interessant sind auch die Möglichkeiten bei bellshare, mehrere Anbieter in einem Stay-Connect-Service einzutragen sowie den VoIP-Tarif auch im Callback-Verfahren nutzen zu können. Einen Überblick über die Dienste verschiedener VoIP-Anbieter erhalten Sie in einem früheren Artikel.

Fazit: Nur wo Festnetz draufsteht, ist auch Festnetz drin

Wer nur telefonieren will, kann das mit VoIP-Routern wie mit dem Festnetz. Unterm Strich bleibt also auf die Frage "Kann VoIP den Festnetzanschluss ablösen?" die Antwort, dass es auf den Einzelfall ankommt. Wer nur telefonieren möchte, dem reicht sicherlich auch die Möglichkeit, per Internet zu telefonieren. Wer hingegen bestimmte Netzfeatures benötigt, sollte entweder schauen, ob sein VoIP-Provider diese unterstützt oder überlegen, ob sich Festnetz und VoIP kombinieren lassen. Eine echte Ablösung des Festnetzes ist ohnehin nur möglich, wenn man einen Anbieter findet, der eine Breitbandleitung ohne einen Festnetzanschluss schaltet. Das ist vor allem bei Kabelanbietern der Fall, aber auch immer mehr klassische Telefonanbieter setzen auf DSL ohne Telefonanschluss. Preislich liegen diese jedoch oftmals auf dem Niveau jener Mitbewerber, die Festnetz und DSL kombiniert anbieten.

Ein wirklicher Ersatz für das Festnetz ist die Internettelefonie aber nicht. Als Endkunde kann aber man auf diesem Weg, alternativ zu einer Pre-Selection oder einem Vollanschluss, viel Geld sparen. Insofern ist die Internettelefonie in den allermeisten Fällen eher als Ergänzung zu sehen und weniger als Ersatz des Festnetzanschluss. In einigen Jahren, wenn es mehr entbündelte Breitbandanschlüsse gibt und die VoIP-Anbieter ihre Möglichkeiten ausgebaut haben, mag dieses dann anders aussehen.