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Editorial: Netzbetreiber haften für 0190

Verbraucherfreundliches BGH-Urteil in Sachen Dialer
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Gute Nachrichten für Opfer von Dialern: Wenn sich die Software, die die Telefonverbindung ändert, unbemerkt installiert hat, braucht man die zugehörige Telefonrechnung nicht zu bezahlen. So entschied der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) Ende dieser Woche.

Besonders günstig für die Telefonkunden ist, dass der BGH mit diesem Urteil von der bisherigen Linie abrückt, die 0190-Nummern als "wertneutrales Hilfsgeschäft" zu sehen. Damit korrigiert der BGH einen Fehler, den er meiner Ansicht nach im Jahr 2001 in einem Urteil rund um das Thema 0190 und Telefonsex gemacht hatte. 1998 hatte nämlich der BGH Telefonsex grundsätzlich als sittenwidrig eingestuft. Das hätte aber bedeutet, dass Entgelte für Telefonsex nicht bezahlt werden mussten, denn sittenwidrige Verträge kann man nicht durchsetzen.

Als 2001 das Thema "Telefonsex" wieder in Karlsruhe zur Entscheidung anstand, entschied der BGH jedoch überraschend, dass der "Kunde" dennoch bezahlen muss. Jedoch wurde nicht die Sittenwidrigkeit der Telefonsexverträge vom BGH neu bewertet. Vielmehr erklärte der BGH kurzerhand das Bereitstellen der 0190er Nummern zum "wertneutralen Hilfsgeschäft". Der Tk-Anbieter würde alleine die Verbindung herstellen, und könne oder dürfe gar nicht wissen, was über seine Mehrwertdienstenummern passiere. Damit war der Kunde, der solche Nummern anrief, am Ende der Dumme.

Leider spielte dieses Urteil den Dialer-Anbietern zu. Denn viele der niedrigeren Gerichte orientierten sich bei ihren Urteilen zu 0190 in der Folge rein an technischen Gesichtspunkten, nämlich, ob es eine Verbindung gab oder nicht. Wenn eine Verbindung zustande gekommen war, sollte diese auch bezahlt werden, egal, wie diese zustande gekommen war, und was darüber gelaufen war. So verurteilte dann auch das Landgericht Berlin in erster Instanz eine Berlikomm-Kundin zur Zahlung von 9 000 Euro, weil ihr Sohn sich einen Dialer auf dem PC eingefangen hatte.

Tk-Anbieter verdient mit

Das jetzige Urteil des BGH zielt hingegen darauf ab, dass der Netzbetreiber bei 0190 nicht nur die Verbindung herstellt, sondern auch einen Teil der Verbindungskosten für sich behält. Er hat somit ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Nutzung dieser Dienste. Damit ist es aber nach Ansicht des BGH nur fair, ihm auch Risiken aufzubürden.

Im konkreten Fall des Dialers bedeutet das: Die Berlikomm, die ihren Kunden auf Zahlung verklagte, kann sich eben nicht darauf berufen, "nur eine Verbindung hergestellt zu haben". Denn der Dialer-Hersteller, der dafür sorgte, dass sein "Programm zur Verbesserung des Internet-Zugangs" ohne Rückmeldung an den Kunden statt der normalen Zugangsnummer eine 0190-8-Nummer wählte, hätte gar keinen Schaden verursachen können, wenn es diese Sonderrufnummern nicht gegeben hätte. Folgerichtig nahm der BGH das Unternehmen in die Pflicht, dass diese Nummern geschaltet hatte.

Vereinfachte Diskussion

Glücklich ist, dass man beim Thema "Dialer und 0190" die juristischen Themen deutlich wertfreier diskutieren kann, als beim Thema "Telefonsex und 0190". Hätte der BGH 2001 nicht das Herstellen der 0190er-Telefonverbindung zum "wertneutralen Hilfsgeschäft" erklärt, hätte er Mitarbeiter der Deutschen Telekom möglicherweise in die Nähe des Vorwurfes der Zuhälterei gebracht. Denn §181a StGB war erst Anfang 2002 durch das Prostitutionsgesetz [Link entfernt] entschärft worden.

Schutz vor Missbrauch

Die Unternehmen, die von den 0190er und 0900er-Verbindungen profitieren, müssen künftig selbständig bessere Vorkehrungen gegen Missbrauch treffen. Dieses kann durch technische und wirtschaftliche Maßnahmen erfolgen. Technische Sicherungen sind zum Beispiel Zwangstrennungen (inzwischen eh vorgeschrieben) oder Umsatzlimits (jedem Tk-Unternehmen dringend anzuraten). Wirtschaftliche Sicherungen bestehen vor allem darin, dass Auszahlungen an andere Netzbetreiber oder Plattformanbieter nicht mehr garantiert werden, sondern zurückgefordert werden können, falls es Missbrauch gibt.

Kein Freibrief

Verbraucher sollten hingegen wissen, dass die neuen Regelungen kein Freibrief sind. Wer einen Dialer bewusst akzeptiert, und die dadurch zugänglich gewordenen Internet-Seiten intensiv nutzt, muss die entsprechende Rechnung auch bezahlen, zumindest, soweit Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Leider macht das Gericht auch zur Beweislast keine Aussagen, vermutlich, weil die Berlikomm die Aussage der Mutter, dass der Dialer sich "unbemerkt" eingeschlichen hatte, nie bestritt. Im Zweifel wird aber der Kunde nachweisen müssen, dass sich der Dialer wirklich unbemerkt eingeschlichen hatte, was kompliziert sein kann.

Es bleibt somit sinnvoll, entsprechende Schutzprogramme zu installieren.