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Editorial: Nur Bewährung für Dialer-Großbetrüger

Hohe Geldstrafe entschädigt Betroffene nicht
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Zunächst eine gute Nachricht: Der Staatsanwaltschaft ist es gelungen, einen der "großen Fische" der illegalen Dialer-Szene des Betruges zu überführen. Die Täter haben ein schriftliches Geständnis abgelegt. Die schlechte Nachricht: Die Täter kommen vergleichsweise milde davon: Lediglich zwei bzw. eineinhalb Jahre, jeweils ausgesetzt zur Bewährung, sowie eine saftige Geldbuße von 2,1 Millionen Euro.

Fast könnte man meinen, die Täter hätten sich mit dem Angebot der hohen Geldzahlung vom Gefängnis freigekauft. Denn Strafumfang und Geldbuße sind zwischen Staatsanwaltschaft und Tätern verhandelt worden. Auf schweren Betrug steht immerhin eine Strafandrohung von ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe. Der Richter bestätigte dennoch die Vereinbarung zwischen Staatsanwalt und den Tätern, blieb also nahe am Minimum.

Dennoch war der Deal für den Staatsanwalt vernünftig. Er kann so immerhin darauf verweisen, dass der ermittelte illegale Gewinn abgeschöpft wurde. Wäre es zum Prozess gekommen und hätten die Täter kein Geständnis abgelegt, hätte am Ende sogar ein für den Staatsanwalt peinlicher Freispruch stehen können, beispielsweise, weil der Richter die technische Problematik nicht versteht, oder weil nicht zuverlässig ermittelt werden konnte, wer die Einwahlsoftware so manipuliert hat, dass diese sich unbemerkt installierte. Am Ende hätte der Staat womöglich noch Haftentschädigung für die Untersuchungshaft zahlen müssen.

Andererseits bewirkt die jetzige Lösung, dass die geprellten Kunden nicht entschädigt werden. Die Geldbuße wird ja an den Staat oder eine gemeinnützige Organisation bezahlt, nicht an die Opfer. Auch ist mit der jetzigen Lösung keineswegs gesichert, dass alle illegalen Gewinne abgeschöpft werden. Bei früheren oder anderen "Geschäften" könnten ebenfalls hohe Beträge ergaunert worden sein, die genauso über Auslandskonten in Sicherheit gebracht wurden, wie die Erträge aus dem verhandelten Dialer-Betrug. Spätestens nach Erfüllen der Bewährungsauflagen haben die Täter das Recht, ihren Wohnsitz in eines der bekannten "Paradiese für schräge Vögel" zu verlegen, wo sie nicht allzusehr fürchten müssen, dass die restlichen Gelder doch noch beschlagnahmt werden. Andererseits: Der Staatsanwalt konnte den Verbleib der Einnahmen aus dem Dialer-Betrug nicht ermitteln. Hätten die Täter nicht freiwillig die hohe Geldbuße bezahlt, wären sie nach dem Absitzen der Strafe auf jeden Fall gen Südsee gereist, um ihre Millionen abzuheben, und es sich anschließend gutgehen zu lassen.

Somit bleibt das flaue Gefühl, dass der Staat keine "scharfen Waffen" hat, um Computerbetrug zu unterbinden. Obwohl nicht nur unsere Foren voll sind mit Hinweisen auf mehr als fragwürdige Dialer, sind bisher nur wenige Verurteilungen in diesem Bereich bekannt. Microsoft fand im Rahmen von Strider HoneyMonkey Exploit Detection mehrere hundert Websites, die vom Benutzer unbemerkt oder zumindest ohne seine Zustimmung Code auf dem Rechner des Nutzers installieren. Hinter den meisten dieser Sites dürften kriminelle Absichten stehen, aber auch hier hinkt die Strafverfolgung um Jahre hinterher - nicht nur in Deutschland.

Zwar nimmt der Dialer-Betrug inzwischen tatsächlich ab. Doch die nächste Betrugswelle, mit möglicherweise noch gravierenderen Schäden, läuft bereits: Per Phishing werden die Kontodaten nichtsahnender Online-Banking-Nutzer abgegriffen. Anschließend werden deren Konten leergeräumt. Hoffentlich gibt es hier die ersten Ermittlungserfolge deutlich schneller als im Dialer-Bereich.

Dieses ist das letzte Editorial im Jahr 2005, das erste im Jahr 2006 folgt am 8. Januar. Das teltarif.de-Team wünscht Ihnen einen schönen 4. Advent und frohe Festtage!