hochgerundet

Editorial: Später Teuro-Rabatt

o2 und die Euro-Umstellung
Von

Wir erinnern uns: Vor einigen Jahren hieß der zuletzt gestartete Netzbetreiber o2 noch "Viag Interkom". Und damals rechneten wir auch noch in "Mark" und "Pfennig", nicht in "Euro" und "Cent". Bereits knapp ein halbes Jahr vor der offiziellen Euro-Einführung stellte Viag Interkom nun die Abrechnungssysteme von Mark auf Euro um. Dabei kam es teilweise zu deutlichen Preiserhöhungen, weil o2 die einzelnen Minutenpreise umrechnete, nicht erst den Gesamtrechnungsbetrag. Aus 5 Pfennig pro Minute für ein Telefonat in der Homezone wurden so 3 Cent pro Minute, eine Steigerung um 17 Prozent!

Diese preistreibende Umstellung fand viele Kritiker. Diese verwiesen insbesondere auf die EU-Richtlinie zur Euro-Einführung, die ausdrücklich empfiehlt, bei der Berechnung von kleinen Stückpreisen mit zusätzlichen Nachkommastellen zu arbeiten. Andere Institutionen, wie beispielsweise das von uns befragte Bundesfinanzministerium fanden das Vorgehen von o2 hingegen korrekt.

Am Schluss übernahm die Verbraucherzentrale Hamburg den Fall offiziell und klagte gegen die Umstellung. Da die Sache dem verhandelnden Landgericht München zu kompliziert war, legte es diese dem Europäischen Gerichtshof vor. Dieser entschied im Spätsommer 2004 gegen o2: Statt Einzelpreisen dürfe nur der Gesamtpreis gerundet werden. Dieser Spruch wurde auch in die nun bekannt gewordene Entscheidung des Münchner Gerichts aufgenommen.

Nur wenige positive Auswirkungen für den Verbraucher

Das vorliegende Urteil stammt zwar faktisch aus der Feder des Europäischen Gerichtshofs. Da es aber entstanden ist, indem ein niederes Gericht die Sache dem EuGH vorlegte, ist der deutsche Instanzenweg noch lange nicht ausgeschöpft. Hierzulande ist mindestens die Berufung zum Oberlandesgericht München zulässig, möglicherweise auch die Revision zum BGH. Höchstwahrscheinlich werden beide Gerichte die vorliegende Entscheidung bestätigen. Doch bis dahin können nochmals Jahre vergehen.

So lange es keine endgültig rechtskräftige Entscheidung gibt, dürfte o2 geneigt sein, die Kunden mit alten DM-Verträgen weiterhin falsch abzurechnen. Sobald es ein unanfechtbares Urteil gibt, muss o2 jedoch zuviel berechnete Gelder zurück erstatten. Doch das ist nur bedingt möglich, denn o2 ist spätestens sechs Monate nach Rechnungsversand zur Löschung der Verbindungsdaten verpflichtet.

Nur wenige Kunden werden sich die Mühe machen, alte Einzelverbindungsnachweise zu durchforsten, um die seit Herbst 2001 aufgelaufenen Rundungsdifferenzen aufzuaddieren und zurückzuverlangen. Der maximale Fehler beträgt ja einen halben Cent pro Gesprächsminute. Bei einem Kunden, der 200 Minuten im Monat telefoniert - am Handy ist das hierzulande schon ein Vieltelefonierer - summiert sich der Rundungsfehler zu maximal einem Euro pro Monat. Doch meist dürfte deutlich weniger rauskommen, denn bei vielen Entgelten ist der Rundungsfehler deutlich kleiner als den genannten halben Cent, oder er ist gar zu Ungunsten von o2. Faktisch müsste unser 200-Minuten-im-Monat-Kunde ca. 300 Seiten Rechnungen und EVNs prüfen, um am Ende geschätzte 20 Euro zu seinen Gunsten zu finden. Würde er dieselbe Zeit anders einsetzen, könnte er vermutlich deutlich mehr Geld verdienen bzw. einsparen.

Eigentliche Euro-Sünder

Faktisch sanktioniert das Urteil auch das Vorgehen der eigentlichen mobilen Euro-Sünder. T-Mobile führte Anfang 2002 neue Euro-Tarife ein, die zu deutlichen Preisaufschlägen führten. Eine netzinterne SMS verteurte sich beispielsweise in einigen Tarifen von 15 Pfennig auf 19 Cent. Für Telefonate in die Fremdnetze zur Nebenzeit gab es bis zu 146 Prozent Aufschlag. Vodafone folgte im März desselben Jahres. Der Unterschied: Bestandskunden durften bei beiden Firmen zu den alten Konditionen weitertelefonieren; die Umstellung war damit formal korrekt, auch wenn die tatsächlichen Preissteigerungen hier deutlich üppiger ausfielen als bei o2.

Hinzu kam, dass die Netzbetreiber auch diverse Tricks anwendeten, um auch Bestandskunden zu Euro-Tarifen zu konvertieren. Hier seien Nachteile an anderer Stelle, etwa bei den GPRS-Datentarifen, oder Druck des jeweiligen Händlers bei einer zwischenzeitlichen Vertragsverlängerung genannt. Dadurch dürfte auch das Gros der Altkunden inzwischen zu Euro-Konditionen telefonieren. Und der Weg zurück ist versperrt.