Comeback

Totgesagte leben länger - Ron Sommer vor der Rückkehr?

Früherer Kommunikationschef Kindervater: "Er ist doch viel zu aktiv, um sich auszuruhen"
Von dpa / Hayo Lücke

"Ich habe mich den Realitäten zu stellen". Ohne Gefühlsregung und mit eiserner Miene verlas Telekom-Chef Ron Sommer seine Rücktrittserklärung. Das war vor einem Jahr, am 16. Juli 2002 - eine tiefe Zäsur in der Geschichte der Deutschen Telekom. Nach monatelangem Kesseltreiben warf der einst als Wunderknabe unter den deutschen Topmanagern bezeichnete Sommer entnervt das Handtuch.

Nicht nur bei den gebeutelten T-Aktionären, auch bei den Aufsichtsräten hatte der bekannteste Wirtschaftsführer Deutschlands den Rückhalt verloren. Der Einbruch der T-Aktie, die Sommer oft als sicheres Rentenpapier angepriesen hatte, kostete ihm letztendlich den Job.

Sieben Jahre hatte er an der Spitze des größten europäischen Telekommuniationskonzerns gestanden. Und ihn ereilte ein Schicksal, das andere mit ihm teilen: Juan Villalonga von der spanischen Telefonica [Link entfernt] , Michel Bon von France Télécom oder Pauls Smits von der niederländischen KPN.

Der geschasste Konzernchef, der aus seinem laufenden Vertrag noch eine Summe von 11,6 Millionen Euro kassierte, zog sich ganz ins Privatleben zurück - Abstand gewinnen im Kreise seiner Familie. Von seinen bedeutenden Aufsichtsratsmandaten behielt Sommer nur den bei der Versicherungsgesellschaft Münchener Rück.

Den Pilotenschein habe er inzwischen in der Tasche und strebe die nächst höhere Ebene an, sagt sein früherer Kommunikationschef Jürgen Kindervater. Ansonsten pflege er Industriekontakte. Bei der großen Abschiedsgala für den früheren E.ON-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Hartmann Ende April wurde der Kunstliebhaber Sommer ebenso gesehen wie bei einer Ausstellung auf der Villa Hügel über Flämisches Stillleben oder der Art Cologne.

Mit Sommer muss wieder gerechnet werden: "Er ist doch viel zu aktiv, um sich auszuruhen", betont Kindervater. Anfang Juni ging der der Name des Ex-Telekom-Chefs wieder durch die Gazetten. Beim russischen Misch- und Telekommunikationskonzern AFK Sistema steht er als Berater auf der Gehaltsliste.

Er ist Vorsitzender eines neunköpfigen Konsultationsrates, zu dem auch der frühere RWE-Chef Dietmar Kuhnt, der Präsident von Coca Cola Douglas Daft und der ehemalige russische Ministerpräsident Jewgeni Primakow gehören. Zur Telekom hat er damit wieder einen Faden geknüpft. Die AFK ist Mehrheitseigner des größten russischen Mobilfunkbetreibers MTS, an der die Telekom mit 25,1 Prozent beteiligt ist.

Überhaupt dürften die Ereignisse um den Bonner Riesen für Sommer im Nachhinein eine Genugtuung sein. Sein Nachfolger wurde Kronprinz Kai-Uwe Ricke, der sich ihm gegenüber bis zuletzt loyal verhalten hatte. Die monatelange erfolglose Suche nach einem externen Nachfolger schien Ricke beschädigt zu haben, bevor er sein Amt antrat. Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus geriet in die Schusslinie und nahm seinen Hut.

In der Bonner Konzernzentrale weht inzwischen ein anderer Wind. Vieles wird unter Ricke pragmatischer gesehen. Der Umgangston ist lockerer, im Vorstand ist man beim Du. Auch die Zeiten für große Visionen sind vorbei. Den von Sommer eingeschlagenen Weg hat Ricke aber konsequent fortgesetzt: Sparen und wachsen - lautet die Devise mit dem Ziel: Abbau des enormen Schuldenbergs und wieder profitabler werden.

Geprügelt wurde Sommer oft für den teuren Zukauf des US-Mobilfunkbetreibers VoiceStream (heute: T-Mobile US). Doch weder im Vorstand noch auf den Kapitalmärkten ist die Akquisition heute noch ein großes Thema. T-Mobile US gehört mit hohen Wachstumsraten schon fast zu einer Perle in der Mobilfunksparte der Telekom - ganz so wie es Sommer prophezeit hatte.