Mobilfunk

Brüssel fordert exaktere Standortbestimmung per Handy

Die genaue Position kann Rettungsdiensten den Weg weisen - und die Überwachung vereinfachen
Von Marie-Anne Winter

Dass man ein Mobiltelefon auf einige hundert Meter genau orten kann, ist kein Geheimnis. Gerade in Ballungsgebieten, wo das Netz der Funkzellen entsprechend dicht ist, kann der Standort eines bestimmten Handybesitzers leicht bestimmt werden. Immer mehr Anbieter von standortbezogenen Diensten (Location Based Services, kurz LBS) nutzen den Umstand, dass sich das Mobiltelefon bei der nächst erreichbaren Basisstation anmeldet, um seinen Besitzer mit auf den Auffenthaltsort zugeschnittenen Informationen zu versorgen.

Im Notfall kann eine möglichst genaue Standortbestimmung lebensrettend sein, wenn das Handy den Rettungsdiensten den Weg weist. Natürlich können die Standortdaten auch zur Überwachung genutzt werden: Für Ermittler und Strafverfolger sind die neuen Möglicheiten der mobilen Kommunikation nicht weniger interessant als für ihre Gegenspieler. Seit Ende 2001 sind die Netzbetreiber in Deutschland verpflichtet, Behörden die Standortdaten ihrer Kunden herauszugeben.

Wie c't berichtet, fordert die EU-Kommission nun eine höhere Genauigkeit für Standortangaben für Mobiltelefone. Zur Zeit wird eine Empfehlung ausgearbeitet, wie die Übermittlung von Handy-Standorten für Notrufdienste verbessert werden soll. Nach den Vorstellungen der Brüsseler Kommission sollen die Netzbetreiber, wenn ein Handy-Nutzer die Notrufnummer 112 wählt, das technisch Mögliche tun, um die zuverlässigsten Standortinformationen festzustellen. Auf diese Weise soll eine möglichst exakte Position des Anrufers an die Notrufstellen übermittelt werden können. Aber wie genau die Ortung sein soll, besser: Wie groß der jeweilige Aufwand sein darf um, diese Daten zu ermitteln, darüber herrscht derzeit Uneinigkeit.

Üblicherweise erfolgt die Standortermittlung nur über die Basisstation, über die ein gesuchtes Handy gerade im Mobilnetz eingebucht ist. Die Netzbetreiber kennen die Standorte ihrer Basisstationen und die Größe der dazugehörigen Funkzellen. Auf diese Weise ist je nach der Größe der jeweiligen Funkzelle eine Ortung mit einer Genauigkeit von einigen Kilometern bis einigen hundert Metern möglich. Für die Anwendungen der standortbezogenen Diensteanbieter reichen diese Daten aus. Wer es genauer haben will, ist auf GPS-Peilung angewiesen. Für einige Handy-Modelle gibt es Module, mit denen auf die Daten des satellitengestützen Global Positioning System zugegriffen werden kann.

Genauere Standortbestimmung per GSM

Eine genauere Standortbestimmung ist aber auch mit den herkömmlichen GSM-Netzen möglich. So wurde bereits ein Notfallsystem entwickelt, bei der die verschiedenen Laufzeiten der Funksignale zu mehreren Basisstationen im Umkreis für eine genaue Positionsbetimmung genutzt werden. Diese Auswertung ist genauer und zuverlässiger als GPS.

Eine andere Möglichkeit ist die Auswertung der Messung des Timing-Advance-Werts. Dabei wird von der Basisstation während einer bestehenden Mobilfunkverbindung gemessen, zu welchem Zeitpunkt die vom Handy gesendeten Signale ankommen. Gegebenenfalls fordert die Funkstation das Handy auf, ein bisschen früher oder später zu senden, damit die Signale den vorgesehenen Zeitschlitz genau treffen. Die Auflösung des Timing-Advance-Wertes genügt, um ein Handy mit einer Genauigkeit von etwa 500 Meter im Umkreis zu orten.

Die Standortbestimmung könnte sich theoretisch noch auf Abweichungen von 200 bis 50 Meter verfeinern lassen. Aber die Netzbetreiber sind derzeit nicht bereit, die nötigen Investitionen in diese Technik zu tätigen. Außerdem fürchten sie die Auswirkungen der Messungen auf die Kapazität ihrer Netze. Für die Datenerhebung zur Standortbestimmung jedes einzelnen Handys müssten mindestens drei Zellen herangezogen werden. Jede Messung erfordert die Öffnung von Traffic Channels, die für die Netzbetreiber ein ebenso wertvolles und knappes Gut sind. Die Netzbetreiber führen daneben auch weitere Probleme gegen die Ausrüstung der Netze für genauere Standortspeilungen heran: In dicht bebauten oder in gebirgigen Gebieten sei mit Signal-Reflexionen zu rechnen, durch die Richtungsangaben und damit das Endergebnis verfälscht werden.

Der Widerstand der Netzbetreiber gegen die Brüssler Pläne könnte sich in einigen Jahren aber ganz von selbst erledigen. Dann nämlich, wenn UMTS flächendeckend eingeführt ist. Die Netze der dritten Mobilfunkgeneration erfordern von vorn herein wesentlich kleinere Funkzellen als die GSM-Netze - damit sind sie auch "überwachungsfreundlicher".