1984

Totale Überwachung per Handy?

Die Standort-Daten von Mobilfunk-Kunden müssen den Behörden auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden
Von dpa / Edward Müller

In Zukunft dürfen die Behörden von den Mobilfunkanbietern verlangen, dass diese die Standortdaten ihrer Kunden übermitteln. Einen entsprechenden Entscheidung fällte der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag. Sie basiert auf einer Erweiterung des Rechtsgrundsatzes, nachdem auch das Abhören von Telefongesprächen nach richterlicher Anordnung zulässig ist.

Die Strafprozessordnung bediente sich früher des Begriffs Fernmeldeverkehr [Link entfernt] . Die Überwachung von Gesprächen war danach möglich. Der zuständige Ermittlungsrichter beim BGH beruft sich bei seiner Entscheidung jedoch auf die im Mai 2000 bestimmte Telekommunikations-Datenschutzverordnung [Link entfernt] und das Telekommunikationsgesetz. Der Begriff Telekommunikation bezieht sich danach auf jede Art von elektronisch übermittelten Nachrichten; in diesem Fall auch die Standortdaten eines Mobilfunknutzers.

Die Entscheidung wurde ausgelöst durch die Weigerung eines Dienstanbieters, der Generalbundesanwaltschaft die Standortdaten eines Verdächtigen auszuhändigen. Der Mobilfunkanbieter argumentierte, dass der konkrete Standort eines Teilnehmers nicht zu seiner "Telekommunikation" gehören würde.

Technisch stellt die Ortung eines Mobilfunknutzers kein Problem dar. Denn jedes Handy meldet sich beim Einschalten bei der nächstgelegenen Basisstation an. Verlässt es den Einzugsbereich dieser Basisstation, meldet es sich bei der nun stärksten Basisstation erneut an. Jeder D1-Nutzer telefoniert T-Mobil zufolge aus einer von 15 000 Funkzellen. Je nach Dichte der Antennen haben die Zellen einen Radius von 500 Metern bis fünf Kilometern. Wer in Ballungsräumen unterwegs ist, und in einem gut bestückten Netz telefoniert, lässt sich somit besonders exakt orten.

Der Beschluss betrifft theoretisch alle Mobilfunkkunden in Deutschland. Im Jahr 1999 wurden offiziellen Angaben zufolge 6443 Anschlüsse abgehört. Durch die Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten wird diese Zahl vermutlich nicht sinken.

Nach der Entscheidung durch das BGH bleibt noch der Weg vor das Bundesverfassungsgericht offen. Dieses überprüft aber nicht, ob die Ermittlung von Standortdaten mit den allgemeinen Gesetzen (Datenschutzgesetz, Zivil- und Strafprozessordnung usw.) vereinbar ist, sondern nur, ob sie mit den in der Verfassung geschützten Rechten kollidiert. Doch die BGH-Entscheidung bleibt bis zu einer eventuell gegenteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gültig. Verunsicherte Mobilfunkkunden können daher zur Zeit nur durch die aktive Verweigerung (Ausschalten des Handys) sich gegen die Übermittlung von Standortdaten wehren.