Alte Bekannte

Mannheimer MVV Energie AG kündigt wieder einmal Surfen per Stromkabel an

Diesmal sollen bis Jahresende 3 000 User angeschlossen werden
Von Frank Rebenstock

Wenige Wochen noch, und in Hannover startet die diesjährige CeBIT. Entsprechend groß sind die Hoffnungen, dass alternativen Zugangstechnologien zum Internet endlich der Durchbruch gelingen möge. Der RWE-Konzern hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, in Zusammenarbeit mit der Schweizer Firma Ascom Powerline Communication AG, zunächst in einigen Ruhrgebietsstädten einen Internetzugang aus der Steckdose realisieren zu wollen.

Da passt es denn hervorragend, dass auch der Mannheimer Energieversorger MVV Energie AG ankündigt, bis Jahresende könnten bereits 3 000 Haushalte in Mannheim über Powerline surfen. Im Regionalblatt Mannheimer Morgen war zu lesen, MVV arbeite mit dem israelischen Start-Up-Unternehmen M@in.net Communications [Link entfernt] zusammen. Deren Neuentwicklung Power Line Ultimate System (PLUS), die am vergangenen Montag in Tel Aviv vorgestellt wurde, besteht nach Firmenangaben aus verschiedenen Komponenten. Für den Endanwender werden davon zwei Geräte wichtig sein: Zum einen der, einem herkömmlichen NTBA ähnelnde, Network Terminator NtPLUS, der statt mit einer TAE-Dose einfach mit jeder beliebigen Steckdose verbunden wird. Und zweitens der PLC-Netzwerk-Controller RuPLUS, der in jedem angeschlossenen Haushalt neben dem Stromzähler montiert wird. Die Tageszeitung Die Welt zitiert Moshe Erfrati, den Geschäftsführer von M@in.net mit den Worten: "Mit dem neuen Gerät, das alle früheren Störfaktoren bei der Datenübertragung über das Stromnetz beseitigt, ist der Durchbruch für Powerline nicht mehr aufzuhalten."

Dieser Durchbruch für PLC ist jedoch schon oft versprochen worden: Bereits Mitte März vergangenen Jahres hatte MVV mittels M@in.net-Technik den Schmierstoffkonzern Fuchs Petrolub angeschlossen und für die Jahresmitte Powerline auch Privatkunden in Aussicht gestellt. Damals war der hohe Preis für die nötige Hardware von MVV als Haupthindernis für die flächendeckende Versorgung genannt worden. Ende Juni 2000 wurden die ersten hundert Privatkunden angeschlossen und noch im Laufe des vorigen Jahres hätte die Vollversorgung beginnen sollen. Nach Angaben des Energierversorgers waren die Testläufe zur Zufriedenheit absolviert worden.

Schaut man sich heute indes die Powerline-Website [Link entfernt] der MVV an, entdeckt man Erstaunliches: Die Zahl der "Testhaushalte" wird mit lediglich 200 angegeben, obwohl per Stromnetz rund 190 000 Kunden über den Hausanschluss in Mannheim zu erreichen wären. Immerhin gibt es im Landesmuseum für Technik und Arbeit seit Ende November 2000 ein Internet-Café, das mit der PLUS-Technik ausgestattet ist. Die israelischen Hersteller schrieben hierzu in ihrer Presseerklärung, es handele sich um eine Demonstration, mit der der Öffentlichkeit gezeigt werden solle, mit welcher Geschwindigkeit man surfen könnte.

Und genau dieses "könnte" scheint eine der entscheidenden Einschränkungen zu sein. Gegenüber dem Mannheimer Morgen sagte MVV-Chef Roland Hartung, man werde mit dem Netzausbau natürlich dort beginnen, wo die meisten Computer vorhanden seien: "Wir können nicht überall gleichzeitig anfangen." Selbst die Mannheimer können damit ihre Hoffnungen begraben, schnellstmöglich an jedem Ort der Stadt den Daten-Highway über die Steckdose zu nutzen. Von bundesweit flächendeckender Versorgung ganz zu schweigen.

Hinzu kommt, dass allen vollmundigen Ankündigungen zum Trotz, die Powerline-Technik immer noch mit einer Vielzahl von Problemen kämpft - von der beschränkten Übertragungskapazität über die saubere Signaltrennung bis zur Störung von Radio- und Funksignalen. Diese und die finanziellen Hürden scheinen jedenfalls größer zu sein, als man von Seiten der Endgerätehersteller und Energieversorger tatsächlich zugeben mag. So legt man dann die Presseerklärungen zur CeBIT 2000 in diesem Jahr teilweise wieder neu auf: Unsere AFP-News zum Internet aus der Steckdose vom 24. Februar 2000 ist absatzweise mit dem identisch, was die Welt gestern über die MVV-Ankündigung geschrieben hat. Vom gern zitierten Vorläufer der Powerline-Technologie, dem bekannten Babyphone, bis hin zur Marktreife des Produkts ist der Weg offenbar doch noch mit einigen Stolpersteinen gepflastert. Unser damaliges Fazit mag denn auch in diesem Jahr noch gelten: Die Medienoffensive der Energiekonzerne hat zunächst vor allem ein Ziel: "Aktienkurspflege". Von der Markteinführung von Powerline ist man - leider - noch weit entfernt.