Powerline

Internet aus der Steckdose

"Von der Markteinführung sind wir noch weit entfernt."
Von AFP / Christopher Paun

Das Stromnetz wird zur Datenautobahn: Zur CeBIT überschlagen sich die deutschen Energieversorger mit Ankündigungen und Kooperationen für "Internet aus der Steckdose". Für die Energiekonzerne hat das Powerline genannte Konzept einen unwiderstehlichen Reiz: Sie können ihre bestehenden Stromleitungen mit relativ geringem Aufwand für den Zugang zum weltumspannenden Datennetz oder auch für Sprachtelefonie aufrüsten und sich damit ein ganz neues Kundenfeld erschließen. 15 internationale Unternehmen präsentieren ihre Entwicklung im "Powerline-Center" auf der CeBIT. Doch der Weg zur breiten Marktreife ist nach Meinung von Experten noch lang. Derzeit kämpfen die Techniker noch mit einer Vielzahl von Problemen - von der beschränkten Übertragungskapazität über die saubere Signaltrennung bis zur Störung von Radio- und Funksignalen.

Bei der Powerline-Technologie werden Telefon- oder Internet-Daten quasi huckepack in den herkömmlichen Stromleitungen transportiert. Um die Informationen zu empfangen, wird ein spezielles Modem genutzt, das an jede Steckdose im Haus angeschlossen werden kann. Eine einfache Version dieser Technik sind die so genannten Babyfone, die zur Überwachung von Kleinkindern akustische Signale über das Hausstromnetz übermitteln.

Die Stromanbieter wollen mit Powerline vor allem die so genannte Letzte Meile, also das Leitungsstück zwischen den Telefon-Einwahlknoten und dem Endverbraucher, überbrücken. Dazu muss in der Trafostation ein Sender installiert werden, neben dem Stromzähler des Kunden der Empfänger. Zeit ist für die Energiekonzerne dabei ein wichtiger Faktor, denn auch Anbieter alternativer Techniken, wie der Datenübertragung über eine eigene Satelliten-Antenne oder über Breitbandkabel, stehen in den Startlöchern.

Powerline-Anbieter wie VEBA und RWE, die schon Ende diesen Jahres auf den Massenmarkt wollen, werben derzeit vor allem mit im Privatbereich unerreichten Übertragungsraten zwischen einem und zwei Megabit pro Sekunde. Dies wäre zehn- bis zwanzigmal so viel wie bei einem herkömmlichen ISDN-Anschluss. Der Haken ist allerdings, dass die Kapazität mit der Zahl der Nutzer abnimmt. "Wenn bei einer Übertragungsrate von einem Megabit zehn User die Datenrate gleichmäßig nutzen müssen, dann hat jeder nur 100 Kilobit pro Sekunde", erläutert Klaus Dostert vom Institut für Industrielle Informationstechnik der Universität Karlsruhe. Damit wäre der Anschluss kaum schneller als eine einfache ISDN-Verbindung.

Dostert betont, dass die Übertragungsrate bei den Stromleitungen nach bisherigen Untersuchungen sogar bei 100 Megabit pro Sekunde liegen könnte. Dies sei aber ein theoretischer Wert, den die erste Generation der Powerline-Geräte nicht leisten werde. "Da muss noch Einiges dazugelernt werden." Siemens-Experte Askold Meusling verweist auf Studien zum Surfverhalten im Internet. Dabei habe sich gezeigt, dass Nutzer nur für einen ganz kleinen Moment eine hohe Datenrate brauchen. Geraume Zeit bleibe die Verbindung ungenutzt, weil die eingetroffenen Informationen zunächst gelesen oder verarbeitet werden.

Problematisch bei Powerline ist auch die Störanfälligkeit des Systems, z.B. wenn in der Nähe große Stromverbraucher ein- oder ausgeschaltet werden. Beim Internet ist es nicht schlimm, wenn der Download dann mal eine Sekunde hakt, beim Telefon wird das aber als sehr störend empfunden. Außerdem können anderer Geräte im Haushalt beinträchtigt werden. Wenn Stromleitungen hochfrequente Signale transportieren, werden sie zu Antennen, die Radio- oder Funksignale stören können. Die Anbieter wollen diese Frequenzbereiche deshalb möglichst vermeiden. Tesion, eine Tochter der Energie Baden-Württemberg (EnBW) setzt deshalb auf eine Frequenz, die bislang bundesweit für den Seefunk reserviert ist und im Süden Deutschlands naturgemäß nicht genutzt wird. Diesem Vorschlag muss die Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zustimmen.

Angesichts der technischen Hürden sehen sich einige Techniker bei den Geräteherstellern von den zeitlich engen Ankündigungen der Energiekonzerne überrollt: "Für Powerline ist das nicht gerade hilfreich", meint ein Firmensprecher, der ungenannt bleiben will. Auch Vertreter der Regulierungsbehörde zeigen sich hinter vorgehaltener Hand skeptisch, ob Powerline die Erwartungen der Anbieter erfüllen wird: "Von der Markteinführung sind wir noch weit entfernt", heißt es dort. Die Medienoffensive der Energiekonzerne, die in den vergangenen Tagen die Stromwerte an den Börsen nach oben trieb, hat nach Ansicht eines Experten deshalb zunächst vor allem ein Ziel: "Aktienkurspflege".