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Napster bietet Musikindustrie Geld an

Falls sich die Musik-Industrie außergerichtlich mit Napster einigt, bietet die Musik-Tauschbörse den Unternehmen Geld an
Von dpa / Edward Müller

Mit einer Milliardenwette auf die digitale Zukunft des Musikvertriebs im Internet will die in Bedrängnis geratene Internet-Tauschbörse Napster die Industrie für sich gewinnen. Napster-Chef Hank Barry bot in San Francisco allein den vier größten Plattenfirmen für die kommenden fünf Jahre einen garantierten Umsatz von zusammen 150 Millionen Dollar pro Jahr an, dazu kommen noch 50 Millionen Dollar für unabhängige Labels. Dafür sollen die Plattenfirmen im Streit um eine angebliche Verletzung der Urheberrechte durch Napster und seine Benutzer eine Einigung außerhalb des Gerichtssaals anstreben. Der Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff und sein Chef-Stratege für E-Commerce, Andreas Schmidt sind die eigentlichen Initiatoren des Vorschlags. "Im Interesse der Verbraucher und der Künstler ist nun die Zeit gekommen, dass die Industrie ihre Waffen niederlegt", sagte Schmidt am Rande der Pressekonferenz.

Schmidt rechnete vor, dass das Milliarden-Angebot für den Musiktausch über das Internet für die Industrie einem Umsatz von über fünf Milliarden Dollar beim traditionellen CD-Verkauf gleich käme: Wesentliche Kosten, etwa für CD- Produktion oder den herkömmlichen Vertrieb, fielen weg. "Die Abgaben für die Künstler sind bei einem Datei-Tausch-Modell der einzig relevante Kostenfaktor."

Napster und Bertelsmann stehen unter Zeitdruck. Nach der Vorgabe eines US-Gerichts muss der Streit mit der Musikindustrie bis zum 2. März beigelegt sein. In der vergangenen Woche hatte ein Berufungsgericht in San Francisco auf Betreiben der Plattenfirmen A&M Records, Sony Music, MCA, Capitol und Motown entschieden, dass die im kalifornischen Redwood City angesiedelte Napster-Börse prinzipiell keine geschützten Musiktitel mehr gratis im Internet vermitteln darf. Das Gericht hatte dem populären Tauschplatz jedoch eine weitere Gnadenfrist eingeräumt und den Fall an die ursprüngliche Instanz zurückverwiesen, damit diese ihre einstweilige Verfügung zur sofortigen Schließung von Napster überarbeitet.

BMG, die nach dem Bündnis mit Napster ihre Klage zurückgezogen hatte, begrüßte den neuen Vorschlag als "positiven Schritt", der die Musikindustrie zur Zusammenarbeit mit der Tauschbörse veranlassen werde. Bertelsmann hatte sich mit Napster verbündet, um aus der Gratis-Tauschbörse bis zum Sommer ein kostenpflichtiges Angebot zum Musikvertrieb zu machen.

Die Chefin des US-Plattenindustrieverbandes RIAA, Hilary Rosen, appellierte indes an Napster, sich an die Gerichtsentscheidungen zu halten, das Verfahren nicht in die Länge zu ziehen und alles zu tun, um die Musikbörse ohne Gesetzesverstöße zu betreiben. Das Unternehmen habe bereits ein Jahr lang Zeit gehabt, seine Geschäftspraktiken zu ändern, bemängelte die Verbandschefin.

Mit 64 Millionen registrierten Napster-Nutzern stellt der Dienst eine schlecht vernachlässigbare Größe im Musik-Geschäft dar. Der Dienst funktioniert zudem unkompliziert für den Nutzer. Der legale Weg, im Netz an einen Musiktitel heran zu kommen, ist wesentlich schwieriger: Bei acht unterschiedlichen Auslieferungsketten sind derzeit Firmen wie Microsoft, IBM, Liquid Audio und Real beteiligt. Das daraus sich ergebende Standard-Chaos hat sich bislang als die größte Bremse beim Vertrieb von Musik über das Netz erwiesen.

Napster-Nutzer sollen für den neuen Dienst monatliche Beiträge zahlen: Für den unbegrenzten Musik-Austausch sollen pro Monat maximal bis zu 21 Mark anfallen. Ob die Nutzer das akzeptieren, wird sich erst noch zeigen. Andere Tauschsysteme wie Gnutella könnten sich durchsetzen. Sie werden dezentral gesteuert und sind nicht auszuschalten per Gerichtsbeschluss. Wechseln die Napster-Nutzer zu diesen Diensten, geht die Bertelsmann-Rechnung nicht auf.