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Ausblick auf 2011: Das Festnetz verschwindet zunehmend

Kunden sind angesichts des Technologie-Wirrwarrs am Ende die Dummen
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Glasfaser ist die Zukunft des Festnetz Glasfaser ist die Zukunft des Festnetz
Foto: Telekom
1998 - dem Startjahr der Deregulierung der Tk-Märkte auch für Privatkunden - war alles noch einfach: "Festnetz" war faktisch gleichbedeutend mit einem Analog- oder ISDN-Anschluss bei der Deutschen Telekom. Und wem die Tarife dahinter zu teuer waren, der konnte per Call by Call durch Vorwahl eines kurzen Nummerncodes teilweise drastisch sparen.

Glasfaser ist die Zukunft des Festnetz Glasfaser ist die Zukunft des Festnetz
Foto: Telekom
1999 kam dann DSL dazu - anfangs aber nur als Ergänzung zum "gehobenen" ISDN-Anschluss, obwohl der mit weniger Signalen belegte Analoganschluss eigentlich besser für DSL geeignet gewesen wäre. Seit 2005 vermarkten auch die TV-Kabel-Anbieter ihr Fernsehkabel so intensiv, dass die Kunden es als Alternative zum herkömmlichen Telefon- und DSL-Anschluss wahrnehmen und auch zunehmend nutzen. Mittlerweile basieren über 10 Prozent der Breitbandanschlüsse auf dem Koax-Kabel, und der Anteil dürfte weiter steigen.

Bald macht sich die Telekom mit LTE im Festnetz sogar selber Konkurrenz. Zwar ist LTE zunächst mal eine Mobilfunktechnologie. So, wie sie im Bereich der digitalen Dividende aber aktuell implementiert wird, ist LTE eher Festnetz-Kabel-Ersatz denn Mobilfunk. So wird man mitnichten mitsamt seiner LTE-Box einfach in eine andere LTE-Zelle umziehen können.

Schließlich bereitet die Telekom den Aufbau eines weiteren Telefonnetzes vor: FTTH ("fibre to the home") basiert auf Glasfaserkabeln, die bis in die jeweilige Wohnung verlegt werden. Statt in Megabit pro Sekunde werden die damit erreichbaren Peak-Downloadraten in Gigabit pro Sekunde gemessen. Also bis zu 1000 mal schneller, insbesondere bei großer Entfernung zwischen Kunden und Vermittlungsstelle.

Kein einheitliches Festnetz mehr!

Langer Rede, kurzer Sinn: 2011 oder spätestens im Folgejahr gilt es, sich gedanklich von dem Festnetz als zentrales und vor allem einheitliches Telekommunikationsnetz zu verabschieden. An dessen Stelle treten einzelne, mehr oder weniger feste Netze. Welche Technologie in welchem Ausbaugebiet die Nase vorne hat, entscheidet sich nach den Kundenwünschen (etwa nach oder weniger Bandbreite und/oder Latenz), nach der bereits vorhandenen Infrastruktur, nach den Preisvorstellungen der Ausrüster, und nach der Planungs- und Umsetzungs-Kompetenz der Anbieter vor Ort.

Die schlimme Situation für die Kunden: Oft wissen sie, dass bei ihnen grundsätzlich eine der vorgenannten Technologien zu vernünftigen Kosten geschaltet werden könnte. Wenn es aber der Anbieter vor Ort nicht umsetzen kann oder will, dann können die Kunden so oft an der Hotline bitten und betteln, wie sie wollen: Der Internetzugang wird dennoch nicht schneller. Da hilft es auch nicht, dass die Bundesregierung eine Breitbandstrategie mit konkreten Ausbauzielen verabschiedet hat. Es sind nämlich keinerlei Konsequenzen für den Fall vorgesehen, dass die Ziele nicht erreicht werden.

Und so durfte schon so mancher Gemeinderat monate- oder gar jahrelang mit einem oder mehreren Telekommunikationsanbietern verhandeln, unter welchen Voraussetzungen (etwa Wegerechte für die Kabel, Überlassung von Räumen für die Technik, Hilfsarbeiten bei der Kabelverlegung, oder gar ein handfester Investitionskostenzuschuss) diese bereit sind, die Versorgungslücken baldmöglichst zu schließen. Dabei hatten sich die Politiker vor gut einem Jahrzehnt eigentlich erhofft, durch die Privatisierung des Telekommunikationssektors sich genau nicht mehr mit solchen Infrastrukturdetails auseinandersetzen zu müssen.

Und während die potenziellen Kunden in den "weißen Flecken" der Ausbaugebiete weiter darben müssen, kloppen sich ein paar Kilometer weiter unter Umständen zehn Anbieter mit fünf verschiedenen Technologien um einen Kunden. Der hat nun die Qual der Wahl, für sich das optimale Produkt zu finden. Lieber das günstige Einsteigerpaket? Oder durch das teurere Profi-Paket mit höherer Bitrate und zusätzlichen Inklusivleistungen? Und von welchem Anbieter?

Zentraler Aufbau!?

Angesichts der Gefahr, dass auch neue Technologien nicht die weißen Flecken der alten beseitigen, werden die Rufe nach harter Regulierung neuer Märkte wie FTTH immer lauter. Oder es passiert gar, wie in Australien, dass die Regierung kurzerhand das Heft selber in die Hand nimmt, und nationsweit die Verlegung der Glasfasern selber beauftragt. Diese werden dann zu festgelegten Konditionen an die Telekommunikationsanbieter vermietet. Die eigentliche aktive Technik und die Dienste werden hingegen weiterhin von Telekommunikationsanbietern erbracht.

In Deutschland, aber auch allgemein in Europa, dürften derartig weitgehende Initiativen wie die in Australien schon an der aktuellen Haushaltslage scheitern. Kaum ein Politiker ist gewillt, zur Finanzierung eines Telekommunikations-Infrastrukturprojekts mit ungewisser Rentabilität hohe Schulden aufzunehmen.

Den zur Behauptung am jeweiligen Markt gezwungenen Tk-Unternehmen kann man aber ebenfalls nicht den Schwarzen Peter zuschieben, auch unrentable Kunden anzuschließen. Und so wird "Breitbandversorgung" neben "Winterdienst" und "Nahverkehr" auch künftig bei so manchem Gemeinderat auf der Agenda stehen. Bestellt wird dann, was man sich leisten kann. Und vielleicht finden sich ja die Bürger tatsächlich damit ab, dass der Bus künftig noch seltener kommt und einige nicht ganz so wichtige Straßen im nächsten Winter nicht ganz so oft geräumt und gestreut werden, wenn dafür endlich ein vernünftiger Internetzugang möglich wird.

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