Prospekt veröffentlicht: Liberty will Sunrise kaufen
Einst wollte der zweite Schweizer Mobilfunknetzbetreiber Sunrise den Schweizer Kabelanbieter UPC kaufen. Doch daraus wurde nichts. Den meisten Aktionäre, darunter die deutsche Freenet AG fanden den Kaufpreis "viel zu teuer". Der Sunrise-Vorstand zog sich zurück, die Geschäfte liefen wie gewohnt weiter.
Nicht lange: Am 12. August 2020 gab die Sunrise Communications Group AG (so der korrekte Name) bekannt, dass Liberty Global plc die Vorankündigung für ihr öffentliches Übernahmeangebot zum Erwerb von 100 Prozent der Sunrise-Aktien zu einem Angebotspreis von 110 Schweizer Franken (CHF) pro Aktie in bar veröffentlicht hat. Es gibt Bedingungen: Mindestens Zweidrittel der Sunrise-Aktien müssen der UPC angeboten werden ("angedient werden") und die Schweizer Behörden müssen auch mitspielen.
Blick in den Angebotsprospekt
Das Unternehmen Liberty Global macht Ernst und hat den Kaufprospekt zum Erwerb von Sunrise veröffentlicht
Foto: Liberty Global / Screenshot teltarif.de
Wer sich für die Details interessiert, sollte die Informationsseite der UPC Schweiz anschauen, dort ist der komplette Angebotsprospekt (auch in deutscher Sprache) zu finden.
Die Hauptangebotsfrist beginnt voraussichtlich am 11. September 2020 und endet voraussichtlich am 8. Oktober 2020 (16 Uhr), aber Liberty kann die Frist einmal oder mehrmals verlängern. Nach Ablauf der Angebotsfrist und falls die Mindestannahmeschwelle erreicht wird oder falls UPC darauf verzichtet, wird es eine zusätzliche Annahmefrist von zehn Börsentagen für die nachfolgende Annahme des Angebots geben. Falls die Hauptangebotsfrist verlängert wird, soll die zusätzliche Annahmefrist ab dem 15. Oktober bis zum 28. Oktober laufen. Die Abwicklung des Angebots wird - vorbehaltlich der behördlichen Genehmigungen - für das Jahresende erwartet.
Der Verwaltungsrat von Sunrise geht in seinem Bericht davon aus, dass das Angebot "im besten Interesse von Sunrise und ihren Aktionären ist und dass der Angebotspreis fair und angemessen ist". Sie empfehlen einstimmig den Aktionären von Sunrise das Angebot anzunehmen.
Freenet wird seine Aktien anbieten
In einem separaten Vertrag haben am 12. August 2020 die deutsche Freenet AG, die knapp über elf Millionen Aktien (etwa 24,5 Prozent) hält mit der UPC-Mutter Liberty Global bereits vereinbart, dass Freenet alle eigenen Aktien der Liberty "andienen" wird. Der Angebotspreis beträgt 110 Schweizer Franken pro Aktie, das sind ungefähr 102,30 Euro pro Stück. Am 27. August (17.30 Uhr) betrug der Börsenkurs der Sunrise Aktie (SRCG) übrigens 109 Franken.
Wenn nicht mehr als Zweidrittel der Aktien angedient werden, könnte das Angebot vielleicht noch etwas erhöht werden oder im allerschlimmsten Falle ("Worst case") würde der Kauf abgesagt. Beobachter gehen jedoch davon aus, das diese Aktien-Aufkauf-Aktion nun relativ geräuschlos über die Bühne gehen wird, sofern nicht die Schweizer Wettbewerbshüter noch ein Haar in der Suppe finden sollten. Genau weiß man das erst am Jahresende.
Wer sich im Schweizer Markt nicht so auskennt, kann sich den Deal vielleicht so vorstellen: Nehmen wir an, das (längst erfolgte) Geschäft zwischen Vodafone und UnityMedia (die auch der Liberty Global gehörten) wäre geplatzt und im Gegenzug hätte Liberty Global den Kauf der deutschen Vodafone vorgeschlagen.
Auswirkungen auf den Schweizer Markt?
Welche konkreten Auswirkungen der UPC-Deal auf den Schweizer Markt und das Preisniveau haben wird, kann man im Moment nur spekulieren. Sicher dürfte sein, das UPC und Sunrise künftig unter einer gemeinsamen Marke auftreten und ihren Vertrieb, Kundenservice und die Technik komplett zusammenlegen werden. Es wird dann eine Menge Kombiangebote zwischen Kabel-TV-Festnetz und Mobilfunk geben, inklusive Abo-Angebote einschlägiger Sparten-Programme, Gaming, Cloudspeicher, E-Mail und so weiter.
Die fusionierte UPC-Sunrise (oder wie sie auch immer heißen wird) hat dann besseren Zugriff auf das Schweizer Festnetz (aus der Mitgift von UPC) und muss weniger Leitungen von der ehemalig-staatlichen Swisscom einkaufen oder mieten. Swisscom hat aus historischen Gründen, ähnlich wie die Telekom in Deutschland, noch sehr viele eigene Leitungen, wo die Konkurrenten nichts passendes zu bieten haben. Das Mieten der fremden Leitungen kostet Geld, was die privaten Konkurrenten nur ungern ausgeben wollen. In Deutschland ist es ähnlich.
Denkbar ist, dass die Personalbestände bei Sunrise und UPC reduziert werden, weil beispielsweise eine vereinte Kundenbetreuung durchaus mehr Kunden mit weniger Mitarbeitern betreuen kann, wenn die Prozesse erst einmal eingerichtet sind und die Shops sicher auch zusammengelegt oder teilweise hier und da auch geschlossen werden. Dadurch lassen sich Synergien nutzen und Kosten sparen und das Ergebnis verbessern, was die Aktionäre freut.
Steigen die Preise?
Bereits jetzt rollt über die Schweiz eine kleine Preissteigerungswelle im Mobilfunk. Nicht alleine die Swisscom hat die Preise erhöht, sondern auch Sunrise und Salt. Bei Salt wurden die Minutenpreise für Anrufe ins Ausland erhöht. Eine Minute nach Deutschland kostet jetzt 1,19 Franken (1,11 Euro), vorher waren es 0,99 Franken (0,92 Euro) gewesen.
Sowohl Salt als auch Sunrise haben im Standardtarif die Roaming-Preise erhöht. Das Schweizer Beratungsportal Moneyland empfiehlt seinen Schweizer Lesern sich unbedingt vorher über die Roaming-Kosten zu informieren.
Übrigens: Bereits im September 2019 hatte die neue "Schwester" von Sunrise , die UPC ihre Telefontarife spürbar erhöht.
Aktuell meldet Sunrise anhaltendes starkes Kundenwachstum bei Mobile Postpaid (plus acht Prozent), Internet (plus sieben Prozent) und TV (plus 13 Prozent). Das gestiegene Kundenwachstum gleicht die geringeren Roaming-Einnahmen und das projektabhängige "Integrationsgeschäft" aus, der Serviceumsatz (pro Kunde) ging leicht zurück, aber insgesamt wurde mehr Hardware verkauft. Der Umsatz stieg um 0,8 Prozent auf 350 Millionen Franken (ca. 285 Millionen Euro).