Urteils-Sprechung

0,4-Cent-Ortsnetz-Zuschlag endgültig gekippt

01051, Arcor und Tele2 können Rückzahlungen von mehreren Millionen Euro erwarten
Von Thorsten Neuhetzki

Das Thema beschäftigt die Gerichte seit 2003 - nun ist es endgültig vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden worden: Die Deutsche Telekom hat im Jahr 2003 zu Unrecht einen Zuschlag bei Ortsnetzgesprächen von Call-by-Call-Anbietern verlangt. Diesen Zuschlag von 0,4 Cent netto pro Minute - insgesamt jedoch wohl mehrere Millionen Euro - muss der Ex-Monopolist den Anbietern nun zurückzahlen. Geklagt hatten 01051 Telecom, Arcor und Tele2. (BVerwG 6 C 26.08)

Zu den Hintergründen des nicht ganz einfach zu verstehenden Verfahrens: Der als Anschlusskostenbeitrag bezeichnete Betrag wurde damit begründet, dass die Deutsche Telekom ihre Endkundenanschlüsse damals zu günstig und die Teilnehmeranschlussleitung (TAL) zu teuer an alternative Anbieter vermietet habe. Die dadurch entstandene, selbst verursachte Preis-Kosten-Schere sollte durch den Anschlusskostenbeitrag ausgeglichen werden. Dabei berief sich die damalige Regulierungsbehörde, die diesen Zuschlag genehmigt hatte, auf das alte Telekommunikationsgesetz (§ 43 Abs. 6 TKG 1996), in dem festgehalten war, dass sich Call-by-Call-Anbieter angemessen an den Kosten für Infrastruktur beteiligen sollten.

Das BVerwG hatte daneben eine interessante formale Rechtsfrage zu lösen: Die Telekom wollte in Anschluss an die klaren Vorgaben des EuGH die Erledigung der Verfahren erzwingen, indem sie anbot, das Geld freiwillig an die Anbieter zurückzahlen ohne auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu warten. "Das hat das BVerwG aber zu Recht abgelehnt, weil sich damit die Telekom zum Herr über die Entgeltgenehmigungen aufgespielt hätte - sie könnte nach ihrem eigenen Vortrag also immer teilweise auf genehmigte Entgelte verzichten und würde dazu eine große Diskriminierung im Markt bewirken können", freut sich Marc Schütze von der Kanzlei JUCONOMY Rechtsanwälte. Er hatte die 01051 Telecom in dem Verfahren vertreten.

Hätte das Gericht demgegenüber die Rechtsansicht der Telekom geteilt, hätte dies weit über das vorliegende Verfahren hinaus zur Folge, so mutmaßt der Anwalt, dass die Telekom überhaupt nicht mehr an Entgeltgenehmigungen der Regulierungsbehörde gegenüber ihren Vertragspartnern gebunden wäre. Dies würde "Tür und Tor für mögliche Ungleichbehandlungen eröffnen", beispielsweise könnte die Telekom dann auch gegenüber einigen Unternehmen auf die Hälfte des TAL-Entgelts verzichten, anderen Unternehmen dagegen höhere TAL-Entgelte abverlangen. Das aber haben Kläger, Bundesnetzagentur und auch das Bundesverwaltungsgerichts abgelehnt, weil dann nicht Regulierungsbehörde, sondern die Telekom Herr der Entgelte ist.

Stattdessen hat das BVerwG eine materielle Entscheidung getroffen und die Entgeltgenehmigung aufgehoben. Das BVerwG ist der Auffassung, "dass eine nationale Regulierungsbehörde einen Betreiber eines mit einem öffentlichen Netz zusammengeschalteten Verbindungsnetzes [Call-by-Call-Anbieter] nicht [wie geschehen] verpflichten darf [...] an den marktbeherrschenden Betreiber des Teilnehmernetzes [Deutsche Telekom] einen zu einem Zusammenschaltungsentgelt hinzukommenden Beitrag zum Ausgleich des Anschlusskostendefizits zu leisten." Hintergründe und ausführliche Erklärungen zum Phänomen des Anschlusskostendefizits lesen Sie in einer älteren Meldung.