Alternative?

Huawei: Harmony OS offen für alle Hersteller?

Eigent­lich hat Richard Yu nur eine Aussage von Ende 2019 wieder­holt. Wenn die Google Mobile Services weiter versperrt bleiben, könnten mehr (chine­sische) Hersteller mit Harmony OS dem Markt eine Alter­native bieten.
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In der verzwei­felten Hoff­nung, den Chinesen das Geschäft zu verderben, hatte der schei­dende US-Präsi­dent Donald Trump die Verwen­dung des Google-Android-Systems durch den chine­sischen Hersteller Huawei verbieten lassen.

Huawei war zunächst verblüfft, besann sich dann auf eigene Stärken und schob die Entwick­lung eines alter­nativen Handy-Betriebs­sytems an. Damit ist Huawei nicht mehr von der Gnade von Google bzw. der ameri­kani­schen Admi­nis­tra­tion abhängig, sondern bringt was "Eigenes", das aber so schlau entwi­ckelt werden muss, dass möglichst viel Soft­ware aus der welt­weit verbrei­teten Android-Welt damit genutzt werden kann.

Harmony OS als Alter­native?

Richard Yu, Vorstand Consumer Produkte bei Huawei macht anderen Herstellern ein Angebot. Richard Yu, Vorstand Consumer Produkte bei Huawei macht anderen Herstellern ein Angebot.
Foto: Picture Alliance / dpa
Diese Alter­native soll "Harmony OS" heißen und es wird schon länger darüber berichtet. Die Zahl der Leute (außer­halb Chinas), die schon genauere Spezi­fika­tionen oder Code gesehen oder dafür bereits Anwen­dungen entwi­ckelt haben oder wenigs­tens ein Handy mit Harmony OS in den Händen gehalten und auspro­biert haben, dürfte (noch) über­schaubar sein. So wird im Westen darüber speku­liert, das Harmony OS im tiefsten Kern auf Android basieren könnte, aber von den Gnaden Googles oder der ameri­kani­schen Admi­nis­tra­tion unab­hängig ist.

Frei­gabe für andere Hersteller

Nun geht Huawei einen Schritt weiter. Der Vorstand der Huawei Consumer Geschäfts­ein­heit, Richard Yu, wäre bereit, dass auch andere (chine­sische) Hersteller auf Harmony-OS zugreifen können.

Würde beispiel­weise irgend­wann Oppo, Vivo oder Xiaomi auf der schwarzen Liste des Präsi­denten landen, wäre Huawei bereit, "eine Alter­native gegen­über Android und den damit verbun­denen Google-Dienste zu bieten."

Richard Yu hatte sich zur Zerti­fizie­rung für chine­sische Smart­phone-Firmen, um Google Mobile Service (GMS) und Play Store zu bekommen, geäu­ßert. Yu betonte, wenn die USA das blockierten, könne "Huawei allen chine­sischen Smart­phone-Herstel­lern helfen, das Harmony-OS-Betriebs­system zu verwenden und unsere Smart­phone-Dienste anzu­bieten, um die Abhän­gig­keit von Google Mobile Services (GMS) zu besei­tigen."

Aussage wieder­holt

Dabei ist diese Aussage nicht neu, denn Huawei hatte sich offenbar schon Ende 2019 ähnlich geäu­ßert. Damals, im Mai 2019, hatte die US-Regie­rung Huawei auf eine "schwarze" (Entity) Liste gesetzt und ameri­kani­sche Unter­nehmen einge­schränkt, mit Huawei Geschäfte zu machen.

Aufgrund dessen musste Google die Zerti­fizie­rung neuer Huawei-Geräte mit Google-Play-Zerti­fikaten stoppen, was dazu geführt hat, dass Nutzer von Huawei-Smart­phones keine vorin­stal­lierte GMS und keinen Google Play Store erhalten.

Was kann Harmony OS?

Nach Auskunft von Huawei sei "Harmony OS das selbst entwi­ckelte verteilte Betriebs­system von Huawei, das erst­mals auf der Huawei Deve­loper Confe­rence (HDC) 2019 vorge­stellt wurde. Das System Harmony OS, anfangs auch als Hong­meng OS bekannt geworden, wurde entwi­ckelt, "um ein neues Nutzer­erlebnis über alle Geräte und Szena­rien inner­halb des Huawei-Ökosys­tems zu bieten."

Am 10. September 2020, auf der HDC 2020, stellte Huawei die neueste Version von Harmony OS, Harmony OS 2.0, mit neuen Funk­tionen wie Soft­ware-Bus, Daten­manage­ment und Sicher­heit vor, welche die naht­lose Konnek­tivität zwischen allen Geräten im Huawei-Ökosystem unter­stützen soll." Das bedeutet, Harmony OS ist kein reines Betriebs­system für Handys (pardon Smart­phones), sondern auch für Smart Watches, Fitness Tracker, Tablets, Smart TV und alles, was man mitein­ander verkop­peln kann oder will.

Den Infor­mationen zufolge muss dafür der Harmony-OS-Kernel flexibel sein, um mit verschie­denen Chip­sätzen zu arbeiten und ihn quelloffen zu machen, um ihn auf anderen Smart­phones zu verwenden. Das ist derzeit noch nicht der Fall, aber Huawei bestä­tigte schon auf der HDC 2019, dass dies für die Zukunft geplant sei.

Zuvor hatte das Huawei Vorstands­mit­glied Guo Ping eine Diskus­sion mit seinen Mitar­bei­tern unter dem Motto "Vergeuden Sie keine Chance in der Krise" geführt und sie moti­viert, positiv zu bleiben, um ein neues mobiles Ökosystem für die Verbrau­cher zu schaffen.

Huawei arbeite "hart daran, ein unab­hän­giges mobiles Ökosystem" als Ersatz für Google-Dienste aufzu­bauen, und es werde "für alle offen sein". Aber man ist sich in Shenzen darüber bewusst, dass es für Huawei nicht einfach sein wird, mit Google zu konkur­rieren.

Harmony OS einfach zu über­nehmen

Da der chine­sische Smart­phone-Hersteller aktuell kein GMS verwendet, könne das wach­sende Ökosystem von Harmony OS auf Huawei Geräte einfach über­nommen und erwei­tert werden. Am 16. Dezember hatte Huawei die mobile Entwickler-Beta-Version von HarmonyOS 2.0 veröf­fent­licht und öffnete die Beta-Test-Phase für das Huawei P40, die Mate 30-Serie und das MatePad Pro gestartet.

Auf der anderen Seite plane Huawei, alle bestehenden Geräte mit Harmony OS zu aktua­lisieren. Das erlaube, vorhan­denen Nutzern, die bereits ein Gerät gekauft haben, die Harmony-OS-Funk­tionen zu nutzen, ohne (schon wieder) neue Geräte kaufen zu müssen. "Aber es gibt noch keine genauen Daten zu diesem Thema" , schreibt die Seite huaweicentral.com dazu.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Mit seiner Blocka­depo­litik hat Donald Trump seinem Kollegen Xi Jinping (unbe­wusst) einen Gefallen getan. Doch das kann den USA auf die Füße fallen, denn wenn China keine US-Tech­nologie nutzen darf, bauen sie sich etwas eigenes und geben es an alle Hersteller, die es haben wollen.

Aber hat Harmony OS im "Westen" eine Chance? Viel­leicht. Wenn mit Harmony OS ausge­rüs­tete Geräte günstig zu haben sind, wenn bereits vorhan­dene Android-Soft­ware darauf zum Laufen zu bringen ist, wenn auch "heikle" Soft­ware wie Bezah­lungs- und Banking-Programme sicher funk­tio­nieren und wenn das neue System quelloffen die span­nende Frage beant­wortet, ob es eine "Hintertür" gibt, dann könnte das durchaus der Fall sein.

Falls es ein Erfolg wird: Dann darf sich der Alphabet-Konzern (sprich Google) beim 45. Präsi­denten der USA herz­lichst bedanken, wenn seine Wachs­tums­kurve eines Tages einen Knick bekommt.

Samsung ist ein wich­tiger Konkur­rent von Huawei. Wie das Flagg­schiff Galaxy S21 aussehen könnte, berichten wir in einer weiteren Meldung.

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